Es bleibt zu hoffen, dass die aktuelle Gemengelage nicht zu einem "Perfect Storm" führt. (Bild: Shutterstock.com/S6Wigj)
Bereits seit Monaten orientieren sich sowohl die Aktien- als auch die Anleihenkurse angesichts einer unerquicklichen Kombination von Inflations-, Zins- und Konjunktursorgen gen Süden. Es ist ein ungewöhnlich herausforderndes Marktregime, in dem Investoren keinen Schutz in klassischen "sicheren Häfen" wie Staatsanleihen finden, kommentiert Ann-Katrin Petersen von BlackRock.
23.06.2022, 12:02 Uhr
Redaktion: rem
Der US-amerikanische Leitindex S&P 500 glitt im Umfeld der kräftigsten US-Leitzinserhöhung seit 1994 in Bärenmarktterrain ab. Seit seinem Allzeithoch zu Beginn des Jahres 2022 ist der S&P 500 um mehr als 20% gefallen. "Darüber hinaus hat die scharfe Kehrtwende der Geldpolitik tiefe Spuren an den Anleihenmärkten hinterlassen. Einhergehend mit dem gigantischen Abverkauf sind die Renditen zehnjähriger US-Staatsanleihen und deutscher Bundesanleihen seit Jahresbeginn um rund 180 Basispunkte gestiegen. Der Abstand zum Anleihencrash von 1994 schmilzt", fasst Ann-Katrin Petersen, Senior Investment Strategist bei BlackRock, die aktuelle Lage an den Märkten zusammen.
Gipfel der Inflation noch nicht erreicht
Ihrer Meinung nach ist der Gipfel der Inflation wohl noch nicht erreicht, weder in den USA, wie noch vor Kurzem von Beobachtern angenommen, noch im Euroraum. Obwohl die Verbraucherpreise sich in beiden Währungsräumen zuletzt so dynamisch entwickelten wie seit vier Dekaden nicht, dürfte die Teuerung im Juni neue Höchststände markieren, nach Inflationsraten von 8,5% in den USA bzw. 8,1% im Euroraum im Mai. Hohe Energiepreise spielen nach wie vor eine zentrale Rolle für den hartnäckigen Kosten- und Preisdruck, neben anderweitigen pandemie- und kriegsbedingten Angebotsknappheiten sowie steigenden Mietpreisen in den USA.
"Immer hastiger und vehementer stemmen sich die Zentralbanken gegen Inflationsrisiken, und zwar selbst um den Preis einer wirtschaftlichen Abschwächung", führt Peterson weiter aus. Die Bank oft England (BoE) erhöhte in der vergangenen Woche zum fünften Mal in Folge ihren Leitzins auf ein Niveau von 1,25% und warnte gleichzeitig vor der toxischen Verquickung von Inflations- und Rezessionsrisiken.
Die Schweizerische Nationalbank (SNB) wiederum überraschte mit einem Zinsschritt um 50 Basispunkte, der ersten Erhöhung seit 15 Jahren. Die SNB agierte damit entgegen den Erwartungen, und ungeachtet des bereits hochbewerteten Schweizer Franken, noch vor der Europäischen Zentralbank (EZB), die Zinserhöhungen für Juli und September angekündigt hat.
Teuerungsdynamik ausserhalb des direkten Einflussbereichs der Notenbanken
"Zwar ist die weltweite Teuerungsdynamik vor allem auf Angebotsknappheiten zurückzuführen und liegt damit ausserhalb des direkten Einflussbereichs der Notenbanken. Solange jedoch die Sorge vor sich verselbständigenden Inflationserwartungen und Zweitrundeneffekten, etwa einer Lohn-Preis-Spirale, kursiert, werden die Falken in den geldpolitischen Entscheidungsgremien die Oberhand behalten", ist Petersen überzeugt. In Deutschland etwa erwarteten die von der Bundesbank befragten Bürger für die kommenden fünf Jahre mittlerweile eine Teuerung von durchschnittlich 5% – zwei Prozentpunkte mehr als vor Ausbruch der Corona-Pandemie. Erneut müssten die Märkte ihre geldpolitischen Erwartungen anpassen. Renditeaufwärtsdruck bei Anleihen und Gegenwind für Aktienbewertungen seien die Folge.
"Geldpolitische Blitzschläge wie in der vergangenen Woche wiederum dürften nicht spurlos an der Realwirtschaft vorüberziehen, gerade in den USA", betont die Investmentstrategin. "So hat es die Fed nicht nur eilig, einen "neutralen" Leitzins von circa 2,5% zu erreichen, bei dem die US-Konjunktur nicht mehr angeschoben wird. Sondern sie scheine gewillt, den Leitzins noch in diesem Jahr auf 3,4% anzuheben – ein Niveau, das die US-Konjunktur bremsen und unserer Ansicht nach den wirtschaftlichen Neustart zum Stillstand bringen könnte."
Das Dilemma der Zentralbanken
Für das Jahr 2023 signalisieren die Projektionen der Fed-Notenbanker inzwischen ein Leitzinsniveau von 3,8%, 100 Basispunkte mehr als noch im März. Mit anderen Worten, so Petersen, trete nun das Dilemma der Zentralbanken – der Zielkonflikt zwischen Inflation und Wachstum – verstärkt zum Vorschein. Ein zu starkes Anheben der Zinssätze berge die Gefahr einer Rezession, während ein zu behutsames Vorgehen die Gefahr sich verselbstständigender Inflationserwartungen mit sich bringe. Es falle schwer, sich in diesem Umfeld ein markt-freundliches "Goldilocks"-Szenario vorzustellen.
Zwar scheine an den Kapitalmärkten bereits viel an Zins- und Konjunktursorgen eingepreist. Das Sommergewitter dürfte jedoch erst vorüberziehen, wenn sich eine Reihe von Unwägbarkeiten legten. Dazu zählt nach Meinung Petersens insbesondere die Gretchenfrage, ob die Notenbanken im Kampf gegen angebotsinduzierte Inflationsrisiken tatsächlich eine wirtschaftliche "Vollbremsung" avisieren oder aber eine Verschnaufpause im Zinserhöhungszyklus einlegen und akzeptieren, "mit der Inflation zu leben".
"Back to a Volatile Future" scheine das Gebot der Stunde zu sein – das Gegenstück der "Great Moderation", einer Phase verringerter makroökonomischer Volatilität in den USA von Mitte der 1980er Jahre bis zur Finanzkrise im Jahr 2007, die nicht zuletzt von Preisstabilität gekennzeichnet war, vergleicht Petersen.
EZB zusätzlich herausgefordert
Besonders herausfordernd gestalte sich der Balanceakt der geldpolitischen Wende dabei für die EZB, die sich derzeit nicht nur mit Abwärtsrisiken für die Konjunktur, sondern im Hinblick auf gestiegene Renditeunterschiede im Euroraum auch mit Fragmentierungsrisiken auseinanderzusetzen habe. Im Nachgang einer ausserordentlichen Sitzung in der vergangenen Woche bekräftigte der Rat seine Einschätzung, dass die Pandemie zu Verwerfungen geführt habe, die zu einer ungleichmässigen Übertragung der EZB-Geldpolitik in den einzelnen Mitgliedsländern beitrage.
Auf der Grundlage dieser Auffassung hat der Rat beschlossen, bei der Wiederanlage von fällig werdenden Wertpapieren im Rahmen des PEPP flexibel vorzugehen, d.h. bei Bedarf verstärkt Anleihen von Ländern wie Italien zu erwerben, die unter Druck stehen. Darüber hinaus beauftragten die Notenbanker die zuständigen Ausschüsse des Eurosystems, mit Hochdruck ein neues sog. "Anti-Fragmentierungsinstrument" zu entwerfen. "Ein solches Programm dürfte anders als das 'OMT'-Programm auf Reformauflagen verzichten, aber womöglich Nettoanleihekäufe vorsehen. Es bleibt mit einem Fragezeichen behaftet, in welchem Ausmass und wie lange Hoffnungen auf Unterstützung durch die EZB das Aufwärtspotenzial bei den Risikoaufschlägen der Euro-Staatsanleihen begrenzen", kommentiert Petersen.
Northvolt sammelt weitere Milliarde bei Blackrock und Co.
22.08.2023, 13:31 Uhr
Das Batterie-Start-up Northvolt aus Schweden hat bereits mehr als acht Milliarden Euro Fremd- und Eigenkapital aufgenommen. Nun gab es eine weitere Finanzspritze von prominenten Investoren. Northvolt hat Aufträge im...
BlackRock lanciert Anleihen-ETF mit fester Laufzeit in Europa
10.08.2023, 12:27 Uhr
BlackRock hat die erste Anleihen-ETF-Produktreihe mit fester Laufzeit in Europa auf den Markt gebracht. Die feste Laufzeit verschafft Anlegern Klarheit über ihre Ertragserwartungen und ihren Anlagehorizont, betont...
Erhöht die US-Notenbank contre coeur den Leitzins erneut?
25.07.2023, 12:38 Uhr
Die Juni-Inflation in den USA suggeriert mit 3% ein schnelles Absinken. «Gegenüber dem Vorjahreswert, der noch bei 9,1% gelegen hatte, ist die Teuerung geradezu in sich zusammengefallen», konstatiert...
Langfrist-Sieger: Swisscanto, UBS, Blackrock und Pictet
25.04.2023, 14:49 Uhr
Im aktuellen Quartalsbericht schreibt die AMAS von einem deutlichen Rückgang der Marktanteile im Fondsgeschäft bei der Credit Suisse. Der Blick auf die vergangenen fünf Jahr zeigt vier klare Sieger mit je über 20...
Der politische Druck wirkt: Der weltgrösste Fondsmanager Vanguard zieht sich aus einer wichtigen Branchen-Initiative zur Bekämpfung des Klimawandels zurück.
Hoffen oder Bangen – was bewegt die Märkte als nächstes?
02.11.2022, 16:18 Uhr
Es bleiben zwei unangenehme Erwartungen fürs Jahresende und den Auftakt ins neue Jahr: Die Rezession kommt, und die Inflation bleibt. Was den Märkten helfen würde, ist die Antwort auf die Frage, ob die Notenbanken...
Hatte die Europäische Zentralbank anfänglich noch geglaubt, sie könne 2022 die Geldpolitik langsam wieder auf neutralen Kurs bringen, wurde sie von der Realität, der explosionsartig steigenden Inflation, jäh...
Am Donnerstag dürfte die Europäische Zentralbank erstmals seit 2011 ihre Leitzinsen erhöhen. Das Augenmerk wird sich aber auch auf den Zinsausblick sowie das angekündigte "Anti-Fragmentierungsinstrument»...
EZB will Spread-Ausweitungen innerhalb der Eurozone bekämpfen
15.06.2022, 16:43 Uhr
Nach den massiven Spread-Ausweitungen seit der EZB-Sitzung in der vergangenen Woche hat am Mittwoch eine ausserplanmässige EZB-Sitzung stattgefunden. Die europäische Notenbank hat ein neues geldpolitisches...
investrends.ch-Umfrage: Fed-Politik führt zu einer Stagflation
31.05.2022, 17:05 Uhr
Die US-Notenbank hat zu einem Hochseilakt angesetzt, um die bedrohliche Inflation mit Zinserhöhungen zu bändigen und gleichzeitig die Wirtschaft nicht abzuwürgen. Welches wirtschaftliche Szenario ist zu erwarten?...