15.11.2024, 12:57 Uhr
Die Tage des angeschlagenen Solarunternehmens Meyer Burger scheinen gezählt. Mit der Kündigung des grössten Auftraggebers ist die angestrebte finanzielle Restrukturierung und damit auch der Fortbestand der...
ESG-Daten sind fürs nachhaltige Investieren wichtig, doch nicht immer stimmt die Qualität der herbeigezogenen Informationen. Der französische Asset Manager Amundi kennt einen Ausweg: die künstliche Intelligenz. Sie optimiert die Datenbasis, hilft ESG-Risiken und Chancen aufzudecken und verbessert die Berichterstattung.
Die von Rating-Agenturen bereitgestellten ESG-Daten sind wichtig, doch gibt es Bedenken hinsichtlich der Datenqualität, findet das Spezialistenteam von Amundi. "Die Auswahl der ESG-Kriterien ist in hohem Masse subjektiv. Meist basiert sie auf Informationen, die von den bewerteten Unternehmen selbst bereitgestellt werden", erläutern Tegwen Le Berthe, Head of ESG Scoring & Methodology, Marie Briere, Head of the Investor Research Center des Amundi Instituts und Matthieu Keip, Innovation Lead von Amundi Technology in ihrer Analyse.
Die ESG-Ratings würden nur selten überprüft, und ihre Entwicklung korreliere in der Regel stark mit der finanziellen Situation der Firmen. Auch könne es zu grossen Diskrepanzen zwischen den Bewertungen der Agenturen kommen, "was zum Teil auf die unterschiedlichen Methoden zurückzuführen ist, mit denen fehlende Daten behandelt werden." Eine stärkere Offenlegung von ESG-Daten führe tatsächlich zu einer grösseren Diskrepanz bei den ESG-Ratings, stellen sie fest.
Die gute Nachricht sei, "dass es jetzt Künstliche Intelligenz-Tools gibt, die mehr Informationen über ESG-Risiken und -Chancen als jemals zuvor sammeln und analysieren können. Diese verbessern die Datenqualität, analysieren effektiv und schaffen neue spannende Möglichkeiten." Die Vorteile:
- KI bietet eine Textanalyse zur Messung der ESG-Aspekte und -Verpflichtungen von Unternehmen
- KI sammelt Satelliten- und Sensordaten, um Umweltauswirkungen und physische Risiken zu ermitteln
- KI schliesst Lücken in Unternehmensdaten
Die Textanalyse könne Widersprüche in Unternehmen und wichtige ESG-Informationen identifizieren. Anbieter von ESG-Daten könnten Tools zur Verarbeitung natürlicher Sprache (NLP) einsetzen, um Unternehmensinformationen in Echtzeit zu analysieren und Kontroversen in Bezug auf Umweltpolitik, Arbeitsbedingungen, Kinderarbeit, Korruption usw. zu messen.
Das Unternehmen RepRisk zum Beispiel analysiert täglich mehr als 80'000 Medien, Stakeholder und Drittquellen, um Entwicklungen in der ESG-Politik von Gesellschaften zu erfassen. "Diese Art von Analyse kann sehr informativ sein und einen Mehrwert für ESG-Investitionsprozesse bieten", halten die Amundi-Expertinnen und Experten fest.
Das Finanzhaus hat selbst Erfahrung, wie mit künstlicher Intelligenz die Datenflut bewältigt und optimiert werden kann, um zu einem besseren Investmententscheid zu kommen: Das Amundi-Institut analysiert in Zusammenarbeit mit Causality Link und der Toulouse School of Economics mit einem eigens entwickelten Algorithmus Gesprächsprotokolle, Notizen von Brokern und Medienartikel und kann so aus den Nachrichten den Namen eines Unternehmens, seine wichtigsten Leistungsindikatoren, deren Veränderung sowie den Zeitpunkt extrahieren.
Beispielsweise wurde untersucht, wie und wann der Aktienmarkt auf neue grundlegende Informationen reagiert. "Die Aktienkurse reagierten nicht nur auf Tagesmeldungen, sondern stärker auf solche, die die Zukunft eines Unternehmens betrafen, als auf solche, die sich auf seine vergangenen Leistungen bezogen", ist das Fazit.
Die Ergebnisse verdeutlichten den hohen Informationsgehalt der Nachrichten, die von der verwendeten Software erfasst werden. NLP-Techniken sind leistungsstarke Instrumente, die zur Identifizierung von "Marktnarrativen", also wirtschaftliche Entwicklungen, geopolitischen Risiken, ökologischen und sozialen Risiken, eingesetzt werden können, erklärt Amundi.
Im Rahmen einer KI-Prüfung wurde zudem untersucht, ob die Unternehmen die Empfehlungen der Task Force Climate-Related Disclosures (TCFD) einhalten würden. Bei der Untersuchung von 800 Unternehmen, die die TCFD unterstützen, wurde deutlich, dass einige Unternehmen bei der Offenlegung von Klimadaten Rosinenpicken betreiben und die am wenigsten relevanten Informationen auswählen, stellte die Untersuchung fest.
In den letzten Jahren gab es eine bemerkenswerte Zunahme von Satelliten- und Sensordaten. Bei einer breiten geografischen Abdeckung könnten diese Daten verwendet werden, um die Kohlenstoffemissionen der Unternehmen zu überprüfen oder um ihre Auswirkungen auf Ökosysteme, d.h. Luftverschmutzung, Abfallproduktion, Entwaldung, Überschwemmungen oder anderes, zu erkennen, empfiehlt das Expertenteam. Diese Art von Daten könne auch ein Schlüsselelement von Klimarisiko-Stresstestmodellen sein, "deren Ergebnisse sehr aufschlussreich sind."
So wurde die durch Waldbrände in Indonesien verursachte Luftverschmutzung untersucht und Satellitenbilder verwendet, um Schätzungen für verschiedene Arten von Schadstoffen vorzunehmen. Satellitendaten seien besonders in Schwellenländern nützlich, da Luftverschmutzungsüberwachungsstationen durch staatliche Manipulationen beeinträchtigt werden können.
Satellitendaten wurden auch zur Überwachung der Entwaldung und von Wiederaufforstungsprogrammen verwendet. Die Auswirkungen von Überschwemmungen wurden anhand von Karten und Nachtlichtdaten analysiert, um die lokale Wirtschaftstätigkeit zu messen. "KI kann dazu beitragen, die Lücken in der Offenlegung von Unternehmen zu schliessen", sagt Amundi.
Die künstliche Intelligenz habe das Potenzial, die Prüfung der ESG-Berichterstattung und der ESG-Ziele deutlich zu verbessern. Die Analyse der umfangreichen verfügbaren Daten stellt jedoch nach wie vor eine Herausforderung dar. Auch kann die Wahl von einer Messgrösse statt einer anderen grosse Auswirkungen auf das Ergebnis haben. Letztlich sollte ein umfassender Anlageprozess vermeiden, zu viel Vertrauen in eine einzelne Messgrösse zu setzen, folgert das Team.
Darüber hinaus müssten auch die Kosten für die Pflege alternativer Datensätze berücksichtigt werden – nicht nur die Kosten für die Beschaffung von Daten. Es geht ebenso um Investitionen, die für die Speicherung und Integration dieser grossen Datensätze erforderlich sind – Aktivitäten, die möglicherweise ein eigenes Team erfordern. Insgesamt ist man sich einig, dass die ESG-Integration im Investmentansatz tiefer verankert werden sollte und die Fähigkeit, verlässliche Daten zu nutzen, dabei eine wichtige Rolle spielen wird.
Künstliche Intelligenz könne nicht nur dabei helfen, relevante Informationen aus bestehenden Datenquellen zu extrahieren. Sie "bietet auch spannende Möglichkeiten, neue Quellen zu erschliessen", hält Amundi in ihrer Untersuchung fest.