Wachsender Konsumkult in Schwellenländern

10.08.2010, 16:21 Uhr

Der Konsum in den Schwellenländern gilt als eines der bestimmenden Themen des 21. Jahrhunderts. Mit dem anhaltend hohen Wirtschaftswachstum steigen die Privateinkommen und dementsprechend die Zahl der Konsumenten sowie deren Kaufkraft. Angesichts der erwarteten Konsumrevolution positionieren sich westliche Unternehmen, um am Wachstum insbesondere bei Grundbedarfs- und Luxusgütern zu partizipieren.

Das anhaltend hohe Wirtschaftswachstum der Schwellenländer in den letzten Jahren führt zu einem Anstieg der bisher niedrigen Privateinkommen. So geht die Weltbank davon aus, dass sich die Zahl derer, die der "globalen Mittelschicht" zugerechnet werden und somit ein Pro-Kopf-Einkommen zwischen jenem Brasiliens und jenem Italiens aufweisen, sich von 430 Millionen bis 2030 auf 1,2 Milliarden nahezu verdreifachen wird. Bis 2030, so die Prognose der Weltbank, werden 93% der globalen Mittelschicht in Entwicklungsländern beheimatet sein. Noch im Jahr 2000 machte deren Anteil erst 56% aus.

Vor diesem Hintergrund ist mit einer markanten Zunahme der Anzahl Konsumenten und ihrer Kaufkraft zu rechnen. Den grössten Beitrag zum Konsumwachstum dürften China, Südasien und Indien leisten, aber auch Brasilien, Russland und Teile Afrikas. China und Indien haben in der Finanzkrise erkannt, dass das Wirtschaftswachstum vermehrt im Inland erwirtschaftet werden muss, um sich weniger abhängig von Exporten in westliche Länder zu machen.

Enormes Wachstumspotenzial in China
Das Wachstumspotenzial des Privatkonsums in China ebenso wie in Indien ist enorm. In China macht der Privatverbrauch erst 45% des BIP aus, in Indien 55%. Als Wachstumsbremse erwies sich das in den asiatischen Schwellenländern weit verbreitete Sparverhalten. Da eine staatliche Sozialversicherung fehlt, fliesst tendenziell ein kleinerer Teil der Privateinkommen in den Konsum, da er für die private Vorsorge eingesetzt werden muss.

Der Druck zu Reformen der Sozialsysteme wächst aber in einigen Schwellenländern stetig. In Indien sorgen neben steigenden Einkommen ein grösseres Angebot an Krediten und eine günstige demografische Entwicklung für ein verstärktes Konsumwachstum. Die chinesische Regierung hat im Zuge der Kreditkrise ein umfangreiches Hilfsprogramm beschlossen, das die Binnenkonjunktur durch den Bau von Infrastruktur ankurbeln und die Kreditversorgung sicherstellen soll.

Niedrige Sparquote in Brasilien
Während das Konsumdenken in China und Indien gerade erst Fuss fasst, ist es in einigen Schwellenländern bereits fester Bestandteil der Alltagskultur. So geben die Brasilianer inzwischen ihr Geld lieber aus, als zu sparen. Dies lässt sich an der Sparquote ablesen, die in Brasilien lediglich 17% des Bruttoinlandprodukts (BIP) ausmacht, aber auch daran, dass Brasilien nach den USA und Japan der drittgrösste Markt für Kosmetikprodukte ist.

Markenbewusstsein steigt
Angesichts der erwarteten Konsumrevolution bemühen sich Unternehmen aus aller Welt intensiv um eine Präsenz in den Schwellenmärkten. Sie wollen sich ihren Anteil an einem Konsumwachstum sichern, das in diesem Ausmass in den gesättigten westlichen Industrienationen völlig undenkbar ist. Hier wird der Konsum angesichts zunehmender Arbeitslosigkeit und rückläufigem Wirtschaftswachstum vergleichsweise bescheiden wachsen.

Der Konsumkult in den Schwellenländern wird sich in zweifacher Hinsicht bemerkbar machen: zum einen bei Gütern des täglichen Bedarfs wie Nahrungsmittel, Wohnraum und Energie, zum anderen zunehmend auch bei Ausgaben, bei denen das Markenbewusstsein eine entscheidende Rolle spielt. Je mehr Einkommen zur Verfügung steht, umso grösser wird der Wunsch nach den aktuellen Modetrends und dem neusten Mobiltelefon. Hohe Wachstumsraten verzeichnen zudem Fast-Food-Kultur westlicher Prägung sowie Tourismus und Freizeit.

Chancen für Luxusgüterbranche
Multinationale Konzerne setzen auf altbewährte, aufstiegsorientierte Werbung, um ihre Marken aufzubauen. Insbesondere in China und Russland führt das prestigehaltige Konsumdenken zu steigendem Umsatz westlicher Luxusmarken, da die heimische Konkurrenz (noch) fehlt.

"Die Entwicklung der Infrastruktur kann hervorragende Anlagechancen mit sich bringen, aber das wirkliche langfristige Wachstumspotenzial, das die Investoren interessieren sollte, besteht im Konsum. Angesichts der Ausdehnung der globalen Mittelschicht haben insbesondere die Schwellenmärkte noch beträchtliches Steigerungspotenzial, was den Konsum zu einem der dominierenden Themen des 21. Jahrhunderts macht", sagt Alfred Strebel, Managing Director bei Fidelity International in der Schweiz. (ng)

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