04.11.2024, 13:09 Uhr
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Die HSG hat im Auftrag von PensExpert untersucht, wie die Vorsorgesituation der Frauen in der Schweiz ausschaut. An einem Anlass in St. Gallen wurden die Ergebnisse vorgestellt und Lösungsansätze mit Politikern und Expertinnen diskutiert.
Ein erstes Raunen ging durch den Pfalzkeller im schmucken St. Galler Stiftsbibliothekquartier, als Prof. Dr. Eling den Glass-Ceiling-Index zeigte, mit der Schweiz abgeschlagen auf dem 26. Platz von 29 untersuchten Ländern. Frauen stossen in der Schweiz allerdings nicht nur beim beruflichen Aufstieg an eine gläserne Decke, auch in der Altersvorsorge sind sie strukturell benachteiligt.
Die Rente der Frauen sei im Schnitt rund ein Drittel tiefer als die der Männer, führte Eling in seinem Referat aus. Diese Kluft wird in der Regel mit unterschiedlichen Erwerbsbiografien begründet. Er ergänzte, dass das Armutsrisiko für alleinerziehende Frauen in der Schweiz anerkannt und thematisiert werde, während die Auswirkungen von Teilzeitarbeit, Babypausen und Care-Arbeit auf die Altersvorsorge kaum beachtet würden.
Ein Grund dafür sei die Verstärkung der Problematik durch die institutionellen Rahmenbedingungen im System: Insbesondere durch die Eintrittsschwellenhöhe im BVG und dem Koordinationsabzug, die Teilzeitarbeit nur mangelhaft berücksichtigten. Jörg Odermatt, Verwaltungsratspräsident von PensExpert, sprach in der anschliessenden Podiumsdiskussion davon, dass bei der Anpassung des Koordinationsabzuges an Teilzeitpensen immerhin ein positiver Trend bei den Unternehmen erkennbar sei, auch ohne gesetzliche Verpflichtung und politischen Druck.
Das Problem der Teilzeitarbeit bleibt vorerst ein weibliches: Noch arbeiten drei von fünf Frauen Teilzeit, bei den Männern ist es nur einer von fünf. Die Mitte-Politikerin Sarah Bünter ist sich jedoch sicher, dass sich die Erwerbsbiografien von Männer in Zukunft denen von Frauen angleichen werden, sprich sie werden mehr Teilzeit arbeiten und bei verschiedenen Arbeitgebern angestellt sein. So gesehen beträfen die Herausforderungen des Vorsorgesystems beide Geschlechter gleichermassen.
Grosse Einigkeit bei den Podiumsdiskussionsteilnehmenden und den Veranstaltungsbesuchern herrschte darüber, dass Frauen und Männer in Finanzfragen anders adressiert und angesprochen werden müssen. Eine Besucherin brachte es mit der Frage auf den Punkt, woher denn eigentlich der Glaube stamme, dass Männer besser in Gelddingen bewandert seien. Niemand konnte die Frage abschliessend beantworten. Gina Hutter, Teamleiterin bei PensExpert, konstatierte allerdings: "In der Praxis zeigt sich oft, dass Frauen weniger von Finanzen verstehen als Männer."
Eine Diskussionsteilnehmerin, die Versicherungen und Banken in der Ansprache von Frauen berät, meinte: "Männer wollen in Verkaufsgesprächen mit Fachwissen überzeugen. Das verunsichert Frauen." Als Folge hängten diese ab. Auch benötigten Frauen rund vier Stunden mehr Bedenkzeit, bis sie eine Entscheidung von grosser finanzieller Tragweite treffen würden. Sie schlussfolgerte daraus, Frauen seien zwar schwerer zu überzeugen, sobald sie allerdings einen Entscheid gefällt hätten, seien sie treuer als Männer und würden länger an ihrer Entscheidung festhalten.
Neben diesen geschlechterspezifischen Unterschieden gab es nicht nur in der Studie eine klare Einigkeit zwischen der Bevölkerung und den befragten Expertinnen, sondern auch unter den Veranstaltungsteilnehmenden. Erstens sollte die Eintrittsschwelle für die berufliche Vorsorge komplett abgeschafft werden, zweitens das Eintrittsalter für das Sparen in der beruflichen Vorsorge auf 18 Jahre gesenkt werden und drittens etwaige Lücken in der Säule 3a aufgrund von Auszeiten für Kinderbetreuung und Pflege später nachfinanziert werden können.
Daraus kann ein klarer Handlungsauftrag an die Politik abgeleitet werden. Im Publikum sprachen sich zudem mehrere Frauen dafür aus, dass die Säule 3a auch Nichterwerbstätigen offenstehen sollte. Auch dies könnte bei entsprechendem politischen Willen ohne grossen Aufwand umgesetzt werden.
Sarah Bünter wies am Ende der Veranstaltung trotz aller bestehenden Missstände bezüglich Altersvorsorge und Gleichstellung auf das bereits Erreichte hin: "Die Schweiz hat den Frauen sehr spät das Wahl- und Stimmrecht zugestanden, das war bestimmt keine Glanzleistung. Doch Frauen, die ständig nur mehr fordern, übersehen, wie gut sie mittlerweile gesellschaftlich gestellt sind. Ich finde, dass es wichtig ist, nicht nur den Finger auf wunde Punkte zu legen, sondern anzuerkennen, welche Verbesserung bereits erzielt worden sind."