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Schweizer Finanzprofis erwarten keine Rezession

Eine Blitzumfrage des Berufsverbands CFA Switzerland zur unerwarteten SNB-Entscheidung führte zu interessanten Ergebnissen. Zwar prognostiziert die Mehrheit der Teilnehmer einen anhaltend starken Franken, eine starke Rezession wird hingegen nicht erwartet.

21.01.2015, 10:35 Uhr

Redaktion: jod

Die Überbewertung des Schweizer Frankens könnte in den kommenden Monaten anhalten und sich im Falle von negativen Wirtschaftsmeldungen sogar noch verstärken. Dennoch dürfte die Schweizer Wirtschaft nicht in eine Rezession schlittern, sondern auf kleinem Feuer weiterköcheln. Dies prognostiziert eine Mehrheit von 295 Investmentprofis, die an einer Blitzumfrage von CFA Switzerland teilgenommen haben. Diese wurde kurzfristig im Rahmen des jährlich weltweit durchgeführten CFA Institute 2015 Global Market Sentiment Survey lanciert, weil die überraschende Aufhebung des Mindestkurses vom Schweizer Franken zum Euro eine völlig neue Entscheidungsbasis für Prognosen aus Schweizer Sicht geschaffen hat.

Euro-Franken-Parität dürfte anhalten
Im Detail glauben nur 36,3% der Schweizer Umfrageteilnehmer, dass die Überbewertung des Frankens auf eine kurzfristige Überreaktion des Marktes zurückzuführen sei und bald abflauen werde. Die anderen meinen, dass die Euro-Franken-Parität vorderhand ein stabiles Gleichgewicht darstelle (28,1%) oder sich die Frankenstärke bei negativen Überraschungen sogar noch akzentuieren könne (35,6%).

Diese Einschätzungen basieren auf folgendem Szenario:

  • Das für den 22. Januar erwartete Lockerungspaket der EZB: in durchschnittlicher Höhe von 670 Mrd. Euro
  • Wahlen in Griechenland am 25. Januar: unklare Mehrheitsverhältnisse (40,6%) oder Sieg der Opposition mit darauf folgenden Konzessionen der Troika (36,4%). Den Grexit erwarten nur 7,9% der Teilnehmer
  • Urteil des Europäischen Gerichtshofes ECJ bezüglich Outright Monetary Transactions (OMT) der EZB: folgt im Wesentlichen den Anträgen des General-Staatsanwaltes (92,9%)
  • Negativzins der SNB: mit minus 59 Basispunkten (Bp) für den 3-Monate-Franken-Libor per 30. Juni erwarten die Analysten im Durchschnitt keine wesentliche Verschärfung des Negativzins-Regimes der Nationalbank (Mittelwert des aktuellen Zielkanals: -75 bis -25 Bp)

Nur 25% erwarten eine scharfe Rezession in der Schweiz
Auch mittelfristig (per Ende Juni 2015) gehen die Teilnehmer im Durchschnitt von einer Beibehaltung der Euro-Franken-Parität (1.0094 CHF pro EUR) aus. Diese Erwartung ergibt sich allerdings nur in der Kombination einer kleineren Gruppe von Euro-Optimisten, die mit einer leichten Aufwertung auf rund CHF 1.15 rechnet, mit einer grösseren Gruppe von Euro-Pessimisten, die auf eine Abwertung auf zirka CHF 0.9 setzt. Bezüglich des US-Dollars sind die Meinungen einheitlicher: Erwartet wird eine Abschwächung auf CHF 0.9407, was einer Abwertung des Frankens von immerhin 7% entspricht. Die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen der Aufhebung des Mindestkurses werden gedämpft pessimistisch beurteilt: Nur 25,4% erwarten eine scharfe Rezession als Folge, während 67,8% eine Wachstumsschwäche erwarten, ohne dass die Wirtschaft in eine Rezession abgleiten wird. Während eine Mehrheit der Analysten die Kommunikationspolitik der SNB in der Substanz für angemessen, unvermeidbar und effektiv halten (52,9%), sind 39,9% der Meinung, dass sie unnötigen Schaden angerichtet hat, da die Bekanntgabe der Entscheidung während des handelsfreien Wochenendes wesentlich ruhiger aufgenommen worden wäre. Entsprechend hat die Glaubwürdigkeit der SNB bei 55,8% der Teilnehmer gelitten. Nur für eine Minderheit von 13,8% hat sie an Glaubwürdigkeit gewonnen.

Solide Konjunkturimpulse aus Deutschland und Frankreich
Nicht betroffen von der Abschaffung der Franken-Euro-Bindung und nach wie vor aussagekräftig sind die übrigen Ergebnisse des durchgeführten CFA Institute 2015 Global Market Sentiment Survey. Im Durchschnitt erwarten die antwortenden Chartered Financial Analysten (CFA) für 2015 lediglich ein weltwirtschaftliches Wachstum von 2%. Die stärksten Konjunkturimpulse werden aus Deutschland und Frankreich (je 2,6%) erwartet, die geringsten aus Hongkong und Australien (je 1,6%). Für die Wirtschaftslokomotive China prognostiziert der Durchschnitt sämtlicher Umfrageteilnehmer ein Wachstum von nur 2,0%. Die chinesischen CFAs sind diesbezüglich weitaus optimistischer: Sie glauben an 6,2%. 33% aller Umfrageteilnehmer glauben, dass US-Aktien 2015 die besten Anlagechancen bieten. So soll der S&P 500 per Ende 2015 2066 Punkte erreichen. Gegenüber Ende September 2014, dem Basiszeitpunkt der Umfrage, ergibt dies eine Performance von 4.8%. Inzwischen ist der Index bereits um 1% von 1972 auf 1992 geklettert. Der Euro Stoxx 50 soll per Ende 2015 bei 3283 Zählern stehen (zurzeit 3147) und der Nikkei 225 bei 16428, was bereits übertroffen wurde (16812). Interessant ist, dass die CFA-Experten für die USA am langen Zinsende an eine leichte Anspannung glauben. Demnach wird bei den 30-jährigen US-Schatztiteln per Ende 2015 im Durchschnitt ein Schlussstand von 3,46% prognostiziert. Seit Ende September zeigte der Trend jedoch noch nach unten (zurzeit 2,36%). Zinserhöhungen werden eh nicht als höchstes Risiko für die globalen Finanzmärkte angesehen, sondern ein sich abschwächendes Konjunkturumfeld in den Industriestaaten (30% der Teilnehmer) sowie politische Instabilitäten (18%).

Schweizer Finanzprofis hinsichtlich Jobchancen pessimistisch
Bezüglich Jobchancen in der Finanzbranche zeichnet sich seit einigen Jahren weltweit wachsende Zuversicht ab. 30% aller Antwortenden glauben, dass sich die Aussichten verbessern und 20%, dass sie sich verschlechtern. 2012 sah dies ganz anders aus: Nur 14% glaubten an eine Verbesserung und 35% an eine Verschlechterung. Besonders in Indien und China zeigen sich die Umfrageteilnehmer optimistisch: 77% bzw. 60% erkennen bessere Chancen, nur 1% bzw. 10% an schlechtere. Am pessimistischen Ende dieser Liste befinden sich die Schweizer sowie Deutschen CFA-Mitglieder: Hier sehen nur 13% bzw. 12% eine Aufhellung voraus, 40% bzw. 32% eher düstere Zeiten. Diese Ergebnisse wurden vor der SNB-Nachricht eruiert. Wie bereits in den Vorjahren sehen die CFA Institute Mitglieder weltweit Raum für Verbesserungen hinsichtlich Kapitalmarktethik und Marktintegrität. Nur 25% aller Befragten glauben, dass sich die Marktintegrität in 2015 gegenüber 2014 verbessern wird. Insbesondere Finanzbetrug (bspw. Insiderhandel, 25%) und mangelhafte Finanzberichterstattung (24%) werden als die grössten ethischen Problemfelder für den globalen Markt ausgewiesen. In der Schweiz stehen fehlgeleitete Anreizsysteme durch provisionsgetriebene Strukturen im Investment Management im Fokus (36%).

Die wichtigsten Umfrageergebnisse im Überblick

Umfrageteilnehmer gesamt

Umfrageteilnehmer Schweiz

Wirtschaftswachstum global (Durchschnitt)

2,0 %

2,1%

Grösster positiver Wirtschaftsfaktor, global

Fortgesetzt expansive Notenbankpolitik (30%)

Fortgesetzt expansive Notenbankpolitik (34%)

Grösster negativer Wirtschaftsfaktor, global

Wirtschaftsflaute in Industriestaaten (30%)

Wirtschaftsflaute in Industriestaaten (28%)

Grösste ethische Herausforderung der Finanzbranche, Schweiz

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Fehlgeleitete Anreizsysteme (36%)

Wichtigste Massnahme, um Anlegervertrauen weltweit zu verbessern,

Bessere Regulierung und Überwachung globaler Systemrisiken (28%)

-

Wichtigste Massnahme, um Anlegervertrauen in der Schweiz zu verbessern,

Bessere Durchsetzung bestehender Regulierungen und Gesetze (28%)

Regulatorische Reform, die künftige Finanzkrisen verhindern könnte

Besseres Risikomanagement durch Bankvorstände UND Verpflichtung zu konsistenten Wertberichtigungen von Kreditportfolien durch Banken (je 68%)

Verstärkte weltweite Zusammenarbeit bei Überwachung systemischer Risiken UND Verpflichtung zu konsistenten Wertberichtigungen von Kreditportfolien durch Banken (je 68%)

Regulatorische Reform, die unerwünschte Folgen haben könnte

Erhöhte Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen für Banken UND Einstufung von Nichtbanken, z.B. grosser Asset Management Häuser und Versicherungen, als systemrelevant (je 33%)

Erhöhte Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen für Banken (51%)

Beste Aktienmärkte 2015

1. USA (33,5 %)

2. China (9.3 %)

3. Indien (8,9 %)

4. Russland (6,2 %)

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Auf Basis der Umfrage spricht das CFA Institute folgende Empfehlungen für Regulatoren und Unternehmen aus:

Zentrale Themen für Regulatoren:

  • Verbesserte Regulierung und Überwachung globaler systemischer Risiken
  • Weltweit grössere Transparenz in der Finanzberichterstattung von Unternehmen
  • Bessere Durchsetzung bestehender Regulierung und Gesetze auf nationaler Ebene
  • Bessere Corporate Governance-Standards auf nationaler Ebene

Zentrale Themen für Firmen:

  • Bessere Vereinbarkeit von Vergütungsstrukturen mit Kundeninteressen
  • Null-Toleranz-Strategie bei ethischen Verfehlungen des Top-Managements
  • Einhaltung ethischer Codes und Standards

Über die Studien
Die CFA Institute Global Market Sentiment Survey wird jährlich unter allen Mitgliedern des CFA Institute durchgeführt, um markt- und wirtschaftsrelevante Daten für das Folgejahr zu sammeln. Die Umfrage wurde in der Zeit vom 14. bis 28. Oktober 2014 online durchgeführt. 5259 CFA Institute Mitglieder nahmen teil, davon 138 in der Schweiz. Die vollständige Umfrage inkl. länderspezifischer Grafiken kann hier eingesehen werden: CFA Institute 2015 Global Market Sentiment Survey. Die Schweizer Blitzumfrage hat CFA Switzerland am Sonntagnachmittag, 18. Januar 2015 lanciert und am Montagnachmittag geschlossen und ausgewertet. 295 Mitglieder von CFA Switzerland nahmen daran teil (11%).

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