02.12.2024, 10:49 Uhr
«Europa steht wirtschaftlich unter Druck und muss seine Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen globalen Wirtschaftsmächten – insbesondere den USA – verbessern», heisst es im neuesten Marktausblick des...
Nachhaltiges Investieren geht weit über umweltfreundliche Anlagen hinaus. Junwei Hafner von RobecoSAM erklärt, weshalb Investitionen in die Gleichstellung der Geschlechter nicht nur gut für die Gesellschaft, sondern auch für die Rendite sind – besonders in Zeiten eines wirtschaftlichen Abschwungs.
Was war der Anstoss vor fünf Jahren für den RobecoSAM Global Gender Equality Impact Equities Fonds?
Junwei Hafner: Als Pionier des nachhaltigen Investierens beschäftigen wir uns bereits seit Langem mit der Frage der Geschlechterparität und ihrer Bedeutung für den Unternehmenserfolg. Wir bewerten Unternehmen im Hinblick auf soziale Aspekte wie diesen und sind überzeugt, dass Firmen, die die Gleichstellung der Geschlechter anerkennen und fördern, einen Wettbewerbsvorteil haben. Diese Unternehmen haben Zugang zu einem grösseren Talent-Pool, können Leistungsträger besser im Unternehmen halten und profitieren von einem besseren Kundenverständnis und besseren Einblicken in Marktchancen.
Unterstützt durch unser Research übertraf das Simulations-Portfolio von Gender-Leadern diejenigen der "Nachzügler" in den letzten 10 Jahren um 1% pro Jahr bei etwas geringerer Volatilität. Seit der Lancierung der "echten" Anlagestrategie hat sie sich besser entwickelt als die Benchmark, und dies mit einer soliden Information Ratio.
Die Erfolgsgeschichte des Fonds ist namhaft. Nach welchen Kriterien wählen Sie Ihre Titel aus?
Wir verfolgen einen systematischen Bottom-up-Aktienauswahlprozess, der proprietäres Research zum Thema Geschlechterparität und unsere eigenen ESG-Analysen mit der Analyse der fundamentalen Unternehmensdaten verbindet. Im Fokus unseres disziplinierten Ansatzes stehen die Performance der Unternehmen in Bezug auf die Geschlechtergleichstellung, die Qualität der Unternehmen und ihrer Geschäftsmodelle und die Aktienbewertung. Wir bewerten die Geschlechterparität nicht nur danach, wie hoch der Frauenanteil in den obersten Führungsetagen der Unternehmen ist.
Geht Ihr Bewertungsansatz mehr in die Tiefe?
Unser Ansatz ist ganzheitlicher: Wir sehen uns die Geschlechterverteilung auf den verschiedenen Ebenen des Unternehmens an und bewerten weitere Diversitätsindikatoren wie die ethnische Herkunft und Nationalität der Beschäftigten, die Mitarbeiterbindung, gleichberechtigte Vergütungspraktiken und Programme zur Förderung des Wohlbefindens der Mitarbeiter durch eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und eine bessere Work-Life-Balance. Alle diese Faktoren sind wichtig für ein vielfältiges und miteinbeziehendes Arbeitsumfeld, in dem Männer und Frauen gleiche Aufstiegschancen und Möglichkeiten zur Entfaltung ihres Potenzials haben.
Haben Sie ein Geheimrezept für das Management der Strategie?
Für das Management unserer Strategie ist zudem die aktive Ausübung unserer Rechte als Aktionäre von zentraler Bedeutung. Durch das "Active Ownership"-Vorgehen können wir effektiv Einfluss auf das Verhalten von Unternehmen nehmen. Wir führen einen konstruktiv-kritischen Dialog zur Gleichstellung der Geschlechter mit unseren Portfoliounternehmen und wirken so auf eine bessere Performance der Unternehmen hin.
Wie hat sich der Fonds die letzten fünf Jahre mit Blick auf seine Grösse und Performance entwickelt?
Im Wesentlichen investiert der Fonds in Unternehmen, die führend in Bezug auf die Anerkennung und Förderung der Geschlechtergleichstellung sind und sich zudem durch attraktive Unternehmensfundamentaldaten auszeichnen. Ziel des Fonds ist es, eine positive finanzielle und soziale Rendite für Investoren zu generieren. Die Strategie überzeugt mit einer soliden Erfolgsbilanz. Seit seiner Auflegung im Jahr 2015 bis Ende August 2020 hat der Fonds eine Überrendite von 2,94% gegenüber dem MSCI World erzielt (in EUR, brutto). Im gleichen Zeitraum hat sich das verwaltete Vermögen des Fonds von EUR 10 Mio. auf mehr als EUR 178 Mio. erhöht.
Wie sehen Sie die Entwicklung des Themas Ihrer Strategie?
Das Anlegerinteresse an diesem Thema nimmt zu, da die Gleichstellung der Geschlechter und soziale Faktoren insgesamt stärker in den Fokus der Öffentlichkeit rücken. Gender Lens Investing gewinnt an Dynamik und wird zu einem der am schnellsten wachsenden Bereiche des nachhaltigen Investierens. Einem Bericht von Veris Wealth Partner zufolge ist das Vermögen in Wertpapieren des öffentlichen Marktes von USD 100 Mio. im Jahr 2014 auf USD 3,4 Mrd. Ende Juni 2019 gestiegen. Dies zeigt uns, dass Investoren ihre Anlagegelder zunehmend mit Zielen der sozialen Wirkung in Einklang bringen wollen, insbesondere nachdem wir gesehen haben, dass Ziele mit sozialer Wirkung nicht notwendigerweise den Renditen schaden.
Wird die Entwicklung schneller?
Investitionen in die Gleichstellung der Geschlechter generieren eine positive gesellschaftliche Wirkung und leisten einen Beitrag zu SDG 5 ("Geschlechtergleichheit") der UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung. Allerdings kommen die Fortschritte bei der Erreichung der Geschlechterparität nur sehr langsam voran. Nach Schätzungen des World Economic Forum wird es noch mehr als 250 Jahre dauern, bis die wirtschaftliche Geschlechterparität erreicht ist. Damit sind die Chancen noch lange nicht ausgeschöpft.
Wie ist Ihr Fonds durch die Krise gekommen?
Hier lassen wir am besten die Zahlen sprechen. Seit Anfang Jahr bis Ende Juli hat der Fonds (in EUR, B-Anteilsklasse für Private) seine Benchmark (MSCI World ND) um netto 2,4% übertroffen. Und das bei einem Information Ratio von 0,83.
Die Gründe dafür sind: Vielfalt und Gleichberechtigung sind eine Quelle von Wettbewerbsvorteilen, Innovation und Produktivität innerhalb von Unternehmen, und diese Merkmale verwandeln sich in geschäftliche Belastbarkeit. Während einer Krise neigen diese Unternehmen dazu, den Abschwung besser zu überstehen.
Wie bereiten sich Firmen und deren Mitarbeiter am besten auf Krisen vor?
Einer der Bereiche, die wir innerhalb unseres Gleichstellungsrahmens bewerten, betrifft beispielsweise flexible Arbeitsregelungen und Fernarbeit. Unternehmen, die besser vorbereitet sind und über eine Kultur der Vielfalt und Integration verfügen, haben einen reibungslosen Übergang zu den neuen Arbeitsweisen erlebt und die Produktivität, das Gefühl der Verbundenheit sowie die physische und psychische Gesundheit ihrer Mitarbeiter aufrechterhalten.