04.10.2024, 15:09 Uhr
Während aktive ETFs in den USA weiterhin ein Riesenerfolg sind, ist ihr Anteil in Europa mit etwas mehr als 2% des gesamten ETF-Volumens von knapp zwei Billionen Euro noch überschaubar. Doch das Segment wächst...
Anbieter von ETFs oder Indexfonds wagen sich vermehrt in den Satelliten-Bereich vor. Einer dieser Anbieter ist Invesco. Nima Pouyan Head Invesco ETF Switzerland & Liechtenstein gibt Einblicke in die Trends, interessante Produktideen und welche Rolle die Blockchain-Technologie für Investoren spielt.
Wie schätzen Sie die Lage im Bereich passiver Anlagen in der Schweiz ein?
Der Schweizer Markt ist einer der wichtigsten ETF-Märkte in Europa. Das zeichnet sich zum einen durch die hohe Anzahl von Listings an der SIX aus, aber auch durch die beträchtliche Investitionssumme in Höhe von 150 Mrd. CHF, die hierzulande in ETFs investiert sind. Wir sehen insbesondere, dass die Nachfrage nach nachhaltigen Investments weiter steigt – zusammen mit dem zunehmenden Bedarf an thematischen ETFs wie beispielsweise Global Clean Energy, Blockchain oder China Technology.
Welche Segmente eignen sich Ihrer Ansicht nach besonders für Investments in diesem Bereich?
Insbesondere der Versorgungs- und Energiesektor spielen eine wichtige Rolle. Beide verfügen über die nötige Liquidität und technische Expertise, um vielversprechende Innovationen voranzutreiben. So sind wir im Clean Energy-Bereich bereits sehr aktiv. Besonders hoch ist das Innovationstempo bei der erneuerbaren Stromerzeugung, bei Biokraftstoffen und Wasserstoff – drei Bereiche, welche für die Regierungen von entscheidender Bedeutung sind, um ihre kurz und längerfristigen Klimaziele zu erreichen.
Das ESG-Thema wird auch im Anlagesektor immer wichtiger.
So ist es. Die globale "Net Zero"-Offensive ist in vollem Gange, angetrieben von immer ambitionierteren klimapolitischen Vorgaben und dem Druck der Konsumenten und Anleger. Der Investitionsbedarf ist enorm: Die weltweite Umstellung auf eine saubere Energieversorgung wird voraussichtlich Investitionen in Höhe von mehreren Billionen USD erfordern. Die gesamte Energieinfrastruktur muss umgebaut und aufgerüstet werden. Das eröffnet Anlagechancen mit Unternehmen, die zur Energiewende und einem nachhaltigeren Umgang mit natürlichen Ressourcen beitragen oder davon profitieren.
In welche Unternehmen haben Sie unlängst investiert?
Gerne nenne ich zwei Beispiele aus dem Global Clean Energy ETF: Zum einen Novozymes, ein dänisches Biotech-Unternehmen und einer der globalen Marktführer im Bereich biologische Brennstoffe. Zum anderen das finnische Unternehmen Caverion Oyi, das sich auf die Energieeffizienz fokussiert hat und dort den Schwerpunkt auf Immobilien und Gebäudetechnik legt.
Betrachten wir kurz die Länderebene und richten den Fokus auf China. Das Land schlug sich in der Corona-Pandemie ja ziemlich gut. Wie können Passiv-Investoren von dortiger Dynamik profitieren?
Auf dem Weg zur grössten Wirtschaft der Welt bietet China Investoren heute eine Fülle von Anlagemöglichkeiten mit enormem Potenzial. So eröffnen sich beispielsweise durch die zunehmende Digitalisierung der chinesischen Gesellschaft und die wachsende Nachfrage nach hochwertigen Waren und Dienstleistungen neue Märkte. Ein Grossteil des Wachstums der nächsten Jahre wird auf innovative chinesische Unternehmen entfallen. Dazu gehört der Gesundheitsbereich, aber auch die Weiterentwicklung bestehender Technologiesektoren, die über E-Commerce, Gaming, Software und Cloud-Computing hinausreichen.
Welche Segmente sind Ihrer Ansicht nach eher zu meiden?
Ganz klar sind Bereiche des chinesischen Marktes zu meiden, welche die Kriterien für die Generierung nachhaltiger Renditen nicht erfüllen. Dazu gehören generell Unternehmen in kapitalintensiven und zyklischen Industriesektoren, Unternehmen ohne nachhaltige Wettbewerbsvorteile oder Unternehmen, die von Produktzyklen/Gadgets abhängig sind, aber auch staatseigene Unternehmen mit problematischen Führungs- und Aufsichtsstrukturen.
Der chinesische Markt ist ein komplexes Universum mit verschiedenen Anlageklassen. Worauf konzentriert sich Invesco?
Wir setzen auf einen "All Share"-Ansatz über einen ETF auf den MSCI China All Shares Stock Connect Select Index für eine breitestmögliche Abdeckung der chinesischen Aktienmärkte und bestmögliche Abbildung der riesigen chinesischen Wirtschaft. Dieser Index deckt chinesische Aktien ab mit Listing in Hong Kong, Shanghai und Shenzhen sowie an ausländischen Börsen. Die A-Aktien werden, anders als der MSCI China Index, mit ihrem vollen Gewicht berücksichtigt.
Worauf legen China-Investoren bei indexierten China-Investments besonders wert?
Indexierte China-Investments haben den Vorteil, dass sie entweder mit einem ETF den kompletten Markt abbilden, wie beispielsweise der MSCI China All Shares ETF, oder auch in einzelne Sektoren des chinesischen Markts investieren können. Eine häufig gestellte Frage der Investoren ist, ob A-Shares mit lokalen Aktien oder H-Shares aus Hong Kong lohnenswerter sind. Passives Investieren bedeutet auch Risikoreduzierung, da man sich nicht auf das eine oder andere festlegen muss.
In Bezug auf den Technologie-Sektor sind viele Aktien von Unternehmen während der Corona-Zeit stark gestiegen, die einer breiteren Öffentlichkeit bis dato eher wenig bekannt waren. Wie haben Sie diese Tech-Welle erlebt?
Wir sind seit langem in diesem Bereich engagiert und arbeiten seit mehr als 20 Jahren mit der Nasdaq zusammen, der Heimatbörse von Tech-Giganten wie Apple, Amazon, Netflix und Microsoft. Kürzlich haben wir mit dem Nasdaq Next Generation 100 – Code NGX – den ersten europäischen ETF lanciert, mit dem Investoren am Potenzial der innovativsten Unternehmen der Zukunft teilhaben können. Mehr als ein Drittel der heutigen Nasdaq-100-Unternehmen sind aus dem Nasdaq Next Generation 100 "aufgestiegen". Neben Technologieunternehmen bietet das "Next Generation"-Segment auch Zugang zu einigen der innovativsten Unternehmen aus Bereichen wie Gesundheit, Kommunikation und Industrie.
Können Sie mehr zu der synthetischen Version sagen, die kürzlich lanciert wurde und sich diesem Thema widmet?
Wir haben eine synthetisch replizierte Version unseres EQQQ Nasdaq 100 UCITS ETF aufgelegt, der bei 5.5 Mrd. USD steht. Der neue Invesco Nasdaq-100 Swap UCITS ETF wird wie alle unsere synthetischen ETFs einen Korb hochwertiger Wertpapiere halten, die den grössten Teil der Rendite liefern. Auch er versucht, die Nachbildung und Performance durch den Einsatz von Swap-Kontrakten zu verbessern.
Wie steht es um die Anlagechancen rund um die Blockchain, mit der etwa Bitcoin operiert?
Die Blockchain-Technologie ist noch jung und ihr Potenzial, die globale Wirtschaftswelt zu revolutionieren, wird meiner Meinung nach vom Markt unterschätzt. Dadurch eröffnen sich grosse Anlagechancen für Investoren, die in der Lage sind, dieses verborgene Potenzial schon heute zu erschliessen. Viele Unternehmen – vor allem im Finanzsektor– investieren bereits viele Millionen USD in die Entwicklung von Blockchain-Infrastruktur. Zahlreiche weitere mögliche Anwendungen der Technologie befinden sich in der Testphase.
Wie können Investoren das Potenzial der Blockchain-Technologie nutzen?
Die meisten Anlagechancen finden sich aktuell in bestehenden Unternehmen, die das Potenzial dieser Technologie noch nicht erschlossen haben. Reine Blockchain-Unternehmen gibt es am Markt aktuell kaum. Die meisten Firmen, die zusätzliche Erträge durch Blockchain-Anwendungen generieren könnten, sind in anderen Geschäftsfeldern etabliert und die Blockchain stellt für sie nur eine zusätzliche Erlösquelle dar. Investoren, die in der Lage sind, dieses verborgene Potenzial frühzeitig zu identifizieren und zu erschliessen, könnten sich Anlagemöglichkeiten bieten. Wer sich nicht selbst die Mühe machen will, entsprechende Firmen zu identifizieren, kann per ETF auf die Blockchain setzen.
Mit Blick in die Zukunft: Wir wird sich das Segment der Index-Investments in den kommenden zwei bis drei Jahren Ihrer Ansicht nach entwickeln?
ETFs sind aktuell im Wandel vom klassischen, kostengünstigen Portfolio-Baustein in Bereiche, die in der Vergangenheit eher von aktiven Managern dominiert wurden. Sie positionieren sich etwa beim thematischen Investieren immer stärker. Daneben sind nachhaltige ETFs als Bausteine stark gesucht. Ein weiterer Trend besteht darin, dass Investoren schauen, für welches Segment welche Replikationsart vorteilhafter ist. Wir sehen seit über zwei Jahren einen starken Trend von institutionellen Investoren hin zu synthetischen ETFs für die US-Bausteine S&P 500, MSCI USA und den globalen Index MSCI World, da diese einen Steuervorteil aufbieten gegenüber den physisch replizierten ETFs, deren US-Dividenden je nach Domizil zwischen 15% und 30% besteuert werden.