10.12.2025, 11:40 Uhr
«In einer Welt, die von höheren Zinsen, geopolitischen Verschiebungen und der Rückkehr realer Kapitalkosten geprägt ist, hebt sich der europäische Private-Equity-Markt still und leise von anderen Märkten ab»,...
«Willkommen in der Ära des Gigantismus: Der S&P 500 erreicht 7 000 Punkte, Nvidia hat die Grenze von 5 000 Milliarden Dollar Marktkapitalisierung gesprengt – mehr als das französische BIP! — und der Technologiesektor weist über zwölf Monate eine Performance von mehr als 30 Prozent auf. Das Vertrauen besteht nach wie vor – manchmal sogar gegen alle Vernunft», schreibt Nicolas Forest, Chief Investment Officer bei Candriam.
Ungeachtet der Rückkehr Donald Trumps ins Weisse Haus, der geopolitischen Spannungen und der zunehmenden wirtschaftlichen Spaltung lagen die Finanzmärkte weiter im Aufwärtstrend.
Die Orientierung in dieser gespaltenen Welt erfordert laut Forest eine klare und selektive Lesart. 2026 müssen die Märkte weiterhin zwischen Innovationsversprechen und geopolitischen Spannungen abwägen. Die Frage ist nicht mehr, ob sich die Weltordnung ändert, sondern wie man als Investor intelligent damit umgehen kann.
Trotz der Einführung erhöhter Zölle, einer restriktiven Migrationspolitik und des längsten Shutdown in der Geschichte wurde die US-Wirtschaft von starken Investitionen in KI gestützt. Dieses Wachstum dürfte sich abschwächen: Die bröckelnde Kaufkraft schwächt die einkommensschwächeren Haushalte, während die Federal Reserve zwischen der anhaltenden Inflation und einem schwächeren Arbeitsmarkt gefangen ist. 2026 wird die Glaubwürdigkeit der Fed – die unter stärkerem politischen Druck steht – auf eine harte Probe gestellt werden.
Peking setzte sich im Handelskampf gegen Washington durch und stärkte seine Dominanz bei seltenen Erden, die für die militärische und technologische Produktion besonders wichtig sind. Obwohl sich die chinesische Wirtschaft noch nicht aus der Deflation befreien kann, erholten sich ihre Märkte, gestützt auf Technologiewerte und öffentliche Nachfrage. Bleibt die Frage, ob dieser Aufschwung ein dauerhafter Wendepunkt oder eine vorübergehende Beruhigung in einem umfassenderen Anpassungszyklus ist?
In den vergangenen Jahren hat die europäische Wirtschaft eine unerwartete Widerstandsfähigkeit bewiesen. Trotz Energiekrise und steigender US-Zölle ist die Wirtschaft weiterhin nahezu trendkonform gewachsen. Der Plan ‚ReArm Europe‘, deutsche Konjunkturmassnahmen und geldpolitische Lockerungen dürften 2026 zu einem noch günstigeren Policy-Mix führen. Damit könnte das «European Awakening» trotz eines fragmentierten politischen Umfelds die Märkte in der Alten Welt endlich wieder zum Leben erwecken und für eine nachhaltige Performance sorgen.
Die industrielle Revolution der künstlichen Intelligenz ist im vollen Gange, mit weltweiten Infrastrukturausgaben, die bis 2030 bis zu 6,7 Billionen Dollar erreichen könnten. Auch wenn noch keine gesellschaftlichen Vorteile und Produktivitätssteigerungen realisiert werden, wird ein vernetztes Ökosystem von Technologie-Giganten und neuen Marktteilnehmern mit hoher Geschwindigkeit aufgebaut. Aber die Bewertungen, die mittlerweile fast das 27-fache der künftigen Gewinne ausmachen, werfen Fragen auf. Die aktuelle Euphorie erinnert an die Blase der Nullerjahre – aber wer erinnert sich daran noch?
Der Aufschwung der KI geht mit einer riesigen Herausforderung in puncto Energie einher. Die Zunahme der Rechenzentren – richtiggehende «digitale Fabriken» – steht für beispiellosen Stromverbrauch. Bis 2030 könnte sich dieser zumindest verdoppeln. Um dieser Nachfrage gerecht zu werden, muss die Energiewende beschleunigt werden. Und es stellt sich die Frage, ob die digitale Revolution ohne grüne und reichlich vorhandene Energie wirklich stattfinden kann?
Der Gesundheitssektor wird einer der wichtigsten Nutzniesser dieser Transformation sein. Die KI revolutioniert Diagnose, Früherkennung und personalisierte Medizin. Nach einer Zeit regulatorischer Unsicherheit hat die jüngste Einigung zwischen Pfizer und der US-Regierung wieder Vertrauen in einen unterbewerteten Sektor geschaffen. Mit soliden Fundamentaldaten, zweistelligem Wachstum und der Rückkehr von Fusionen und Übernahmen könnte der Gesundheitssektor wieder zu einer Säule der langfristigen Performance werden.
In diesem neuen Umfeld sind Disziplin und Selektivität der beste Kompass für Investoren. Die positiven Korrelationen zwischen Aktien und Anleihen verringern die traditionelle Rolle von Staatsanleihen als Fluchtwerte. Gold, das lange Zeit als Schutzschild galt, ist jetzt eher ein spekulativer Vermögenswert. Alternative Strategien bieten – aufgrund ihrer geringen Korrelation zu den traditionellen Märkten – wertvolle Quellen für Resilienz.
In einem Umfeld, das durch Renditestreben geprägt wird, bleibt die Selektivität entscheidend, sowohl bei öffentlichen als auch bei privaten Anleihen. Wachsamkeit ist geboten, da die bisher begrenzten Ausfallquoten wieder steigen könnten. Nach einer spektakulären Expansion könnte das Segment für Unternehmensanleihen an seine Grenzen stossen: geringere Transparenz und Liquidität und schwächere vertragliche Schutzmechanismen. Diese Schwachstellen müssen für den börsennotierten Markt beobachtet werden und erfordern eine sorgfältige Auswahl der Emittenten.
Ausserdem bleibt internationale Diversifizierung das Gebot der Stunde. Durch sie können unterschiedliche Konjunkturzyklen und vielfältige sektorielle Chancen genutzt werden. Die Integration struktureller Trends – künstliche Intelligenz, Gesundheit, Energiewende, Impact Investing – stärkt die Robustheit der Portfolios und ihren Sinn in der Realwirtschaft.
2026 verspricht ein entscheidendes Jahr zu werden. Die Zwischenwahlen in den USA, die Neustrukturierung internationaler Allianzen und die Fortschritte bei der Energiewende mischen die Karten für Chancen und Risiken neu. Vor dem Hintergrund dieser neuen Dynamik bleibt die Priorität unverändert: Erhaltung der Robustheit der Portfolios und gleichzeitige Nutzung neuer Performancetreiber. Disziplin, Diversifizierung und langfristige Vision bleiben die Grundlage unseres Ansatzes.
Die Spaltung der Welt ist kein Hindernis, sondern ein Wendepunkt. Sie markiert den Übergang zu einem multipolaren, digitaleren und hoffentlich nachhaltigeren System. Denn auch wenn Nachhaltigkeitsthemen manchmal umstritten sind, bleiben sie aus langfristiger Perspektive entscheidend: Man dürfe nicht vergessen, dass der Klimawandel bis 2050 die Weltwirtschaft 17 Prozent ihres BIP kosten könnte.