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China zieht regulatorische Daumenschrauben an

China richtet seine Wirtschaftspolitik neu aus und schwenkt auf ein nachhaltigeres Wachstum ein. (Bild: Shutterstock.com/chuyuss)
China richtet seine Wirtschaftspolitik neu aus und schwenkt auf ein nachhaltigeres Wachstum ein. (Bild: Shutterstock.com/chuyuss)

Chinas Regulierung hat sich dieses Jahr mehrfach gezielt einige Sektoren vorgeknöpft. Dies ist laut den Experten der DWS im Rahmen der Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik zu sehen. Mit einem baldigen Ende solcher Vorstösse rechnen sie nicht und empfehlen, sich zunächst nur selektiv in China zu engagieren.

15.08.2021, 06:00 Uhr

Redaktion: rem

Mit der verschärften Regulierung von Unternehmen, die Bildungsdienstleistungen anbieten, hat die chinesische Regierung am 23. Juli den Anlegern einen weiteren empfindlichen Schlag versetzt. Einzelne Werte aus dem Sektor verloren über zwei Drittel ihrer Marktkapitalisierung. Es war nicht die erste regulatorische Offensive, bisherige Adressaten waren vor allem grosse Technologie- und Finanzdienstleister, sowie der Immobiliensektor.

Firmen, die sich im Ausland (insbesondere USA) notieren liessen, oder welche ihre Marktmacht missbrauchten, sind von Peking schon länger kritisch beobachtet. "Wie ernst es die Regierung meint, zeigt das am 11. August von der Kommunistischen Partei und der Regierung veröffentlichte Kommuniqué, welches von einem Zeitraum von 2021 bis 2025 spricht", erläutern die DWS-Experten. Es besage, dass die Behörden "aktiv» an Gesetzen in den Gebieten Nationale Sicherheit, Technologie und Monopole arbeiten würden. Weiterhin würden die Gesetze in einer Anzahl von Sektoren wie etwa Nahrung, Gesundheit, Technologie, Finanzen und Versicherungen verschärft. Betont wurde zudem, dass die Unternehmen ermutigt würden, die angesprochenen Regulierungsthemen von sich aus zu beheben, da ihnen ansonsten empfindliche Strafen drohen würden.

Nachhaltiges Wachstum in den Fokus gerückt

"Auch wenn einzelne Unternehmen den Druck bereits vor einem Jahr spürten, überraschte die jüngste Offensive aufgrund ihrer Schnelligkeit und Tragweite, wie die Marktreaktion zeigte", so die Experten. So verlor der MSCI China Technology Index binnen drei Tagen rund 10%. Der Zeitpunkt scheine jedoch nicht zufällig. Mit Ablauf der Jubiläumsfeiern zum 100-jährigen Bestehen der Kommunistischen Partei Chinas und der Vorstellung des neuen Fünf-Jahresplans habe Pekings Führung eine Rekalibrierung der Wirtschaftspolitik begonnen.

Der Fokus auf rein quantitatives Wachstum sei einem Fokus auf wirtschaftlich nachhaltiges, ausgeglichenes Wachstum gewichen. Ähnliches habe man zwar bereits früher gehört, aber es gebe einige Anzeichen, dass die jetzigen Initiativen hohe Priorität geniessen, nicht zuletzt als Reaktion auf externen Druck. So sehe sich Peking aufgrund der US-Aussenpolitik gezwungen, seine Autonomie, auch und gerade im Hochtechnologiesegment, zu stärken. Doch die politische Neuausrichtung sei deutlich breiter gefasst, so die DWS-Experten. Sie steht im Wesentlichen auf vier Säulen:

  • Soziale Sicherheit: Peking möchte für die privaten Haushalte das soziale Sicherheitsnetz verbessern und Preisstabilität gewähren. Das Kernbestreben ist, Bildung, Unterkunft und Gesundheitsvorsorge bezahlbar zu machen und das Rentensystem auszubauen. Dazu zählen aber auch Massnahmen zur Reduzierung der sozialen Ungleichheit und das Unterbinden der Ausnutzung von Marktmacht (hier wieder insbesondere der grossen Technologiekonzerne).
  • Nationale Sicherheit: Hierunter fällt die strengere Handhabung von Börsengängen im Ausland und der beschleunigte Ausbau von Schlüsseltechnologien wie Halbleiter, um die technologische Unabhängigkeit zu gewährleisten. Auch das Ziel, möglichst grosse Teile einzelner Wertschöpfungsketten im eigenen Land abzubilden, fällt darunter.
  • Finanzmärkte: Reduzierung von Regulierungsarbitrage und Vermeidung von Risiken für die Finanzstabilität.
  • Nachhaltigkeit: Erreichung von CO2-Neutralität bis 2060.

Der Verfolgung dieser Ziele werde kurzfristig nicht nur die Marktstabilität geopfert. Selbst im Wettrennen mit den grossen amerikanischen Internetunternehmen, denen einzig die chinesische Konkurrenz das Wasser reichen konnte, nimmt China Rückschläge in Kauf.

Regulierungswelle derzeit nicht einziger Gegenwind

Pekings Regulierungsoffensive sei nicht der einzige Gegenwind für chinesische Anlagen. Dazu gesellen sich nach Meinung der DWS-Experten noch:

  • Die unter Joe Biden weiter vorangetriebene Entkopplung der beiden Grossmächte, mit der Aussicht, dass Biden mehr internationale Verbündete als sein Vorgänger für dieses Vorhaben gewinnen könnte.
  • Die Gratwanderung auf dem (Immobilien-) Kreditmarkt, wo Peking den Verschuldungsgrad, und damit spekulative Blasen, nicht weiter anheizen will, aber gleichzeitig einen Einbruch der Preise nicht zulassen kann.
  • Die erstmals seit langem gemeldeten dreistelligen Covid-19-Infektionszahlen aus China. Das mag im internationalen Vergleich komplett vernachlässigbar sein, doch mit der Rigorosität, mit der Peking die "Null-Covid-19-Politik» verfolgt, müsste bei einer weiteren Ausbreitung auch mit wachstumsmindernden Lockdowns zu rechnen sein.

Anleger sollten Sektoren und Zeithorizont anpassen

Aus Kapitalmarktsicht hat China laut den DWS-Experten neben den oben genannten Herausforderungen dieses Jahr noch mit weiteren Nachteilen, zumal im Vergleich zu anderen Märkten, zu kämpfen:

  • Peking hat seiner Wirtschaft die in der Krise gewährte fiskalische oder monetäre Unterstützung schon weitgehend entzogen.
  • Während China bisher am besten durch die Krise kam, war das Überraschungsmomentum vor allem in Europa und den USA dieses Jahr deutlich höher. So wurden die Konsensschätzungen für das 2021er Bruttoinlandsprodukt- (BIP-) Wachs- tum der USA seit Jahresanfang von 3,9% auf jetzt 6,5% erhöht, in China aber nur von 8,2% auf 8,5%. Für 2022 liegen die Wachstumsschätzungen nur noch um 140 Basispunkte auseinander.
  • Dazu kommt, dass im Falle Chinas das Markt-Timing, also das kurzfristig richtige Anpassen für den Ein- und Ausstieg umso mehr erschwert wird, wenn Meldungen über neue Regulierungsvorhaben die Aktien ganzer Sektoren über Nacht zweistellig reagieren lassen können.

Für längerfristig orientierte Investoren wiederum gilt nach Meinung der DWS-Experten: "Wirtschaftspolitische Massnahmen, so schmerzvoll sie für einzelne Unternehmen auch sein können, welche das Wachstum auf stabilere Fundamente setzen, sollten langfristig auch dem Aktienmarkt in Summe zuträglich sein."

Aktien: selektiv in China, Rest von Asien bleibt Favorit

Trotz der Markkorrektur der letzten Wochen und des relativ schlechteren Abschneidens chinesischer Aktien gegenüber dem Rest der Welt seit Jahresanfang, betrachten die DWS-Experten diese Anlageklasse differenziert. Die Regulierung werde voranschreiten und die Skepsis ausländischer Anleger könnte noch steigen. Vorsicht ist ihres Erachtens bei Sektoren angebracht, die im Fadenkreuz Pekings stehen: grosse Technologie-, Immobilien-, oder Bildungsunternehmen. Auch für Gesundheitsanbieter könnten die regulatorischen Schrauben noch enger angezogen werden. Überhaupt dürften Unternehmen mit einer Marktmacht, die sich in Preissetzungsmacht umsetzt, im Visier der Regierung bleiben.

Vor diesem Hintergrund bevorzugt die DWS Shanghais A-Aktien, da sie nur in geringem Masse von internationalen Anlegern gehalten werden, weshalb das Risiko der Anlegerflucht den Experten hier geringer scheint. Der Index habe zudem ein grösseres Gewicht an Nebenwerten aus Sektoren, die besonders von den Reformen profitieren sollten: Erneuerbare Energien, Elektrische Autos, Halbleiter, Software, Industrieautomation und weitere.

Weiter bevorzugt die DWS auch den Hang Seng Index (HSI) gegenüber dem MSCI China Index, da die Experten denken, dass die in ihm besonders prominent vertretenen Sektoren wie etwa Immobilien und Versorger, den Regulierungsrisiken weniger stark ausgesetzt seien. Zudem hätten sie zuletzt durch gutes Gewinnwachstum überzeugt.

Spuren auch am Anleihenmarkt

Auch am Anleihemarkt gingen Pekings Reformvorstösse nicht spurlos vorbei, zumal er von einigen Schieflagen bei grösseren Immobilienunternehmen ohnehin schon etwas angeschlagen war. Schaut man etwa auf den J.P. Morgan Asia Credit Index (JACI), bei dem chinesische Anleihen fast die Hälfte des Wertes ausmachen, so hat er seit Jahresbeginn 0,5% an Wert verloren. Der J.P. Morgan JACI China Index hat 2% verloren, allein 1,3% in der letzten Juli-Woche. Insbesondere das von Immobilienwerten dominierte Hochzins-Segment verzeichnete bereits seit Mai Verluste, nachdem Peking die Regu- lierung des Immobilienmarktes verschärfte.

Nach Ansicht der DWS-Experten sind chinesische Anleihen immer noch relativ teuer, allerdings scheine das der hohen Nachfrage keinen Abbruch zu tun. Der Risikoaufschlag, insbesondere im Investment-Grade-Segment, dürfte sich ihrer Meinung nach auf dem jetztigen Niveau stabilisieren. Die Spaltung zwischen den von Peking ungeliebten Sektoren und den staatseigenen Konzernen dürfte noch andauern.

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