11.11.2024, 10:09 Uhr
Schweizer Pensionskassen haben im Oktober im Durchschnitt eine negative Performance von 0,6 Prozent erzielt. Insbesondere die Anlageklasse Schweizer Aktien lastete auf den Renditen der Vorsorgeeinrichtungen.
Das Pensionskassenguthaben gehört der versicherten Person – genau wie das Kapital in der Säule 3a. Der Mehrheit der Menschen in der Schweiz ist diese Tatsache jedoch nicht bekannt, wie eine aktuelle Studie des Forschungsinstituts Sotomo im Auftrag von Vita, der BVG-Lösung für Unternehmen von den Vita Sammelstiftungen und der Zurich Versicherung, aufzeigt.
Dieses fehlende Wissen hat Folgen: Viele Sparerinnen und Sparer sind stillschweigend damit einverstanden, dass von den Anlageerträgen ihrer Pensionskassenguthaben fast die Hälfte umverteilt wird. Denn ihnen ist nicht bewusst, dass es sich beim Pensionskassenguthaben um ihr eigenes Geld handelt. Mehrere Milliarden Schweizer Franken werden jedes Jahr umverteilt – was in klarem Widerspruch zum Grundprinzip der zweiten Säule steht. Das Geld fliesst von den Berufstätigen zu den heutigen Rentenbezügern. Die Versprechungen aus der Vergangenheit seien heute nur noch auf diese Weise finanzierbar, erklären die Expertinnen und Experten von Vita: "Dieses Vorgehen hat offensichtlich grosse finanzielle Konsequenzen für die heutigen Berufstätigen: Die Erträge, welche umverteilt werden, schmälern den Zuwachs ihrer Altersguthaben."
Schon seit längerem steht die berufliche Vorsorge als wichtigste Säule der Altersvorsorge vor grossen Herausforderungen. Die zugesagten Renten können nicht mehr vollständig aus dem angesparten Alterskapital der heutigen Pensionierten erwirtschaftet werden. Dafür gibt es drei Gründe: Die Lebenserwartung der Menschen ist mittlerweile deutlich höher als in den Entstehungsjahren der beruflichen Vorsorge. Zweitens bereiten die seit mehr als zehn Jahren extrem niedrigen Zinsen grosse Probleme. Dadurch werden erheblich schlechtere Erträge erwirtschaftet. Oft wird der Zins als "dritter Beitragszahler" neben Mitarbeitenden und Arbeitgebenden bezeichnet. Drittens führen die rigiden gesetzlichen Vorgaben zu überhöhten Garantien – in Form von zu hohen Umwandlungssätzen und unrealistischen Zinsversprechen.
Die Vorsorgeeinrichtungen müssen die garantierten Renten mit einem beträchtlichen Teil der Anlageerträge der Berufstätigen finanzieren, indem diese zugunsten der Pensionierten umverteilt werden.
Der Status quo in der beruflichen Vorsorge wird laut Vita auf Kosten der Zukunft aufrechterhalten, die Schieflage der zweiten Säule sei unübersehbar. Dennoch sei ein Aufschrei in der Bevölkerung bislang ausgeblieben. Das renommierte Forschungsinstitut Sotomo hat im Auftrag von Vita dazu eine repräsentative Gruppe von 1’608 Menschen zwischen 18 und 79 Jahren befragt und herausgefunden, dass der Umwandlungssatz oftmals falsch verstanden wird. Eine mögliche Senkung stelle für die meisten der Befragten das grösste Risiko für ihre künftigen Renten dar. Doch gerade weil der Umwandlungssatz noch nicht gesenkt wurde, muss heute ein bedeutender Teil der Anlageerträge von Erwerbstätigen zu Pensionierten umverteilt werden, was das Alterskapital weniger stark ansteigen lässt und somit zu tieferen Renten führt.
Ausserdem stellten die Studienautoren fest, dass vor allem junge Erwachsene (18 bis 25 Jahre) das Thema der persönlichen Altersvorsorge kaum beschäftigt. Nicht einmal jede und jeder Dritte (29%) macht sich dazu Gedanken. Trotzdem sorgt sich mehr als die Hälfte der jungen Erwachsenen um das Einkommen im Alter. Obwohl sie spüren, dass etwas schiefläuft, verstehen sie zu wenig, um konkrete Änderungen einzufordern.
Umverteilung wird positiv beurteilt
Knapp die Hälfte der Befragten (48%) empfindet die Umverteilung in der zweiten Säule als fair. Ihnen ist nicht bewusst, dass das System anders gedacht ist und ihnen das Geld eigentlich selbst gehört. Vier von fünf Personen (78%) glauben, es gäbe mehr politischen Druck, wäre diese Tatsache besser bekannt. Die Funktionsweise der beruflichen Vorsorge müsse erläutert und die aktuellen Entwicklungen eingeordnet werden, sind die Expertinnen und Experten von Vita überzeugt. Denn nur wer die Zusammenhänge verstehe, könne sich auch eine fundierte Meinung bilden.
Die garantierten Renten im heutigen BVG sind laut der Sotomo-Studie der Hauptgrund für die positive Beurteilung der Umverteilung: Viele der Befragten gehen davon aus, dass auch sie selbst später fixe Renten erhalten werden. Damit würden auch sie im Alter von der Umverteilung profitieren. "Doch diese Hoffnung könnte sich als trügerisch erweisen: Das Verhältnis von Berufstätigen zu Pensionierten wird sich in den kommenden Jahren weiter verschlechtern. Die Pyramide mit vielen Beitragszahlenden unten und wenigen Rentnerinnen und Rentnern oben entwickelt sich tendenziell zum Rechteck", erklären die Spezialisten von Vita. Deshalb sei das Risiko gross, dass das Pyramidensystem an seine Grenzen kommt. Die heutigen Berufstätigen wären dann doppelt bestraft: Ihre eigenen Erträge auf das Pensionskassenguthaben werden momentan fast zur Hälfte umverteilt. Doch sie selbst werden von dieser Umverteilung in Zukunft nicht mehr im selben Mass profitieren – wenn überhaupt.
Gut jede dritte befragte Person würde sich für eine Rente mit variablem Anteil und tieferen Garantien entscheiden. Davon könnten vor allem junge Erwachsene stark profitieren. Durch eine geringere Umverteilung erhielten sie mehr Rendite und könnten gleichzeitig durch die langen Laufzeiten den Zinseszinseffekt optimal ausnutzen. Das grösste Interesse bekunden indes die 46- bis 55-Jährigen. Die Vita-Experten vermuten, dass sie sich bereits stärker mit den Zusammenhängen der beruflichen Vorsorge auseinandergesetzt haben, da ihre eigene Pensionierung in greifbare Nähe rückt. "Heute sind die Renten fix, ihre Höhe ist vollumfänglich garantiert. Doch diese Festlegung ist teuer und schmälert das Renditepotenzial. Eine Kombination von fixen und variablen Anteilen könnte deshalb in Zukunft eine Chance für die berufliche Vorsorge sein", kommentieren sie.
Die berufliche Vorsorge ist ein komplexes Thema – und gemäss der Studie für die meisten Menschen in der Schweiz eines, um das man lieber einen grossen Bogen macht. Deshalb sei vielen nicht bewusst, dass der Status quo auf Kosten der Zukunft aufrechterhalten wird, so die Auftraggeber der Studie: "Das betrifft die heutigen Berufstätigen ganz konkret. Es ist wichtig, diese Zusammenhänge verstärkt aufzuzeigen – und zwar so, dass eine breite Bevölkerung sie verstehen kann. Nur so entsteht ein gesellschaftlicher Konsens darüber, dass eine Reform der beruflichen Vorsorge unausweichlich ist. Die Sotomo-Studie zeigt auf, wie wichtig diese Aufklärungsarbeit ist. Und sie macht Hoffnung, dass besser informierte Menschen offener sind für moderne Lösungsansätze, um die berufliche Vorsorge erfolgreich in die Zukunft zu führen."