11.11.2024, 10:09 Uhr
Schweizer Pensionskassen haben im Oktober im Durchschnitt eine negative Performance von 0,6 Prozent erzielt. Insbesondere die Anlageklasse Schweizer Aktien lastete auf den Renditen der Vorsorgeeinrichtungen.
Die durch die Corona-Pandemie bedingten Turbulenzen der Finanzmärkte treffen auch die Pensionskassen. Dies zeigen die ersten Ergebnisse der Complementa Risiko Check-up-Studie. Die Kapitalanlagen der Pensionskassen verbuchten in den ersten vier Monaten eine negative Rendite von -3,9%. Dadurch sinkt der durchschnittliche Deckungsgrad von 107,9% auf 103,0%.
Das allgemeine Zinsniveau bleibt auf sehr tiefem Niveau und stellt für Pensionskassen eine grosse Herausforderung dar. Zehnjährige Bundesanleihen rentieren seit der Aufhebung des Euro-Mindestkurses im Jahr 2015 zumeist im negativen Bereich. Im Jahr 2019 lag die Verzinsung zeitweise bei -1,0%, aktuell liegt der Wert bei -0,5%. Pensionskassen müssen aus diesem Grund sowie wegen der Tatsache, dass die Lebenserwartung der Schweizer Bevölkerung stetig steigt, ihre Vorsorgeverpflichtungen höher bewerten. Sie haben jeden vierten Franken, den sie 2019 erwirtschaftet haben, in die Sanierung ihrer Bilanzen investiert, wie Complementa in einer Mitteilung zu ihrer aktuellen Risiko Check-up-Studie schreibt.
Durch das tiefe Zinsniveau wurden in den letzten zehn Jahren Obligationenbestände stark abgebaut. Während 2009 noch über 50% in Festverzinslichen Anlagen oder als Liquidität gehalten wurde, sind es Ende 2019 mit 38% deutlich weniger. Die freiwerdenden Anteile wurden auf Aktien, Immobilien und alternative Anlagen wie Hedge Funds, Private Equity oder Infrastrukturanlagen verteilt. Wie weiter aus der Studie hervorgeht, werden historische Höchstquoten bei Immobilien (20%) und alternativen Anlagen (10%) gemessen. Die Aktienquote lag mit 31% hingegen im historischen Mittel, insbesondere auch deutlich tiefer als etwa im Jahr 2000 vor dem Platzen der Dotcom-Blase.
Jeden zweiten Franken investiert die 2. Säule im Ausland, wobei sie die Währungsrisiken zu einem grossen Teil absichert. Das verbleibende Fremdwährungsrisiko beträgt gemäss Complementa-Studie aktuell "nur" 15%, wodurch die 2. Säule von der aktuellen Franken-Aufwertung weniger stark getroffen ist als bei vergangenen Aufwertungen. Die Verluste in den ersten vier Monaten von -3,9% könnten vor dem Hintergrund der Krise als moderat bezeichnet werden, wobei die Streuung zwischen den einzelnen Kassen deutlich höher als in den Vorjahren liege, kommentieren die Experten.
Pensionskassen haben das Vorsorgekapital der Aktiven im Jahr 2019 mit 2,2% verzinst. Die BVG-Mindestverzinsung liegt mit 1,0% deutlich tiefer. Der technische Zinssatz wurde hingegen auf unter 2,0% gesenkt. Ebenfalls weiter reduziert wurde der Umwandlungssatz, wodurch sich die jährlichen Pensionierungsverluste reduzieren. Complementa schätzt, dass Pensionskassen aktuell eine Rendite von mindestens 2,2% erwirtschaften müssen, um den Deckungsgrad konstant zu halten. Gemäss Complementa können Pensionskassen beim aktuellen Anlagemix auch ungefähr mit dieser Rendite rechnen.
Durch das tiefe Zinsniveau und die steigende Lebenserwartung sind Kassen gezwungen, den Umwandlungssatz zu senken. Mit durchschnittlich 5,53% liegt der Umwandlungssatz 2020 nochmals 0,1 Prozentpunkte tiefer als im Vorjahr. Die Pensionskassen entfernen sich damit weiter vom BVG-Mindestumwandlungssatz von 6,8%, der nach der gescheiterten Rentenreform zwar weiterhin Gültigkeit hat, jedoch weder der gestiegenen Lebenserwartung noch dem veränderten Zinsniveau Rechnung trägt. Der versicherungstechnisch korrekte Umwandlungssatz liegt bei einer langfristigen Renditeannahme von 2,0% bei 4,84%. Ein zu hoch angesetzter Umwandlungssatz führt zu Pensionierungsverlusten, die jüngere Jahrgänge indirekt durch tiefere Verzinsungen bezahlen müssen. Um diese Umverteilung zu reduzieren, haben Pensionskassen für die nächsten fünf Jahre bereits Reduktionen beschlossen, so dass der durchschnittliche Umwandlungssatz bis 2025 mindestens auf 5,26% sinken dürfte.
"Soll das künftige Rentenniveau konstant hoch gehalten werden, kommt zwangsläufig die Diskussion über eine Intensivierung des Sparprozesses (das heisst frühere und/oder konstant höhere Beiträge) oder ein späteres Renteneintrittsalter auf", so die Complementa-Experten. Während Pensionskassenverantwortliche beide dieser Wege als sinnvoll erachteten, sehe es bei der Durchsetzbarkeit unterschiedlich aus: Während nur jeder vierte eine Anhebung des Rentenalters als realistisch erachtet, sehen über 90% den Weg über einen intensivierten Sparprozess als politisch durchsetzbar.