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Zehn Jahre Zweitwohnungsinitiative – die Folgen

In Graubünden (im Bild Davos) wird jede zweite Wohnung als Zweitwohnung genutzt. (Bild: Shutterstock.com/Boris-B)
In Graubünden (im Bild Davos) wird jede zweite Wohnung als Zweitwohnung genutzt. (Bild: Shutterstock.com/Boris-B)

Am 11. März 2012 wurde die Zweitwohnungsinitiative knapp angenommen. Zehn Jahre später zeigen zwei Studien der Hochschule Luzern: Die betroffenen Branchen leiden bisher nicht so stark unter dem neuen Gesetz wie befürchtet. Nachdem sich die Immobilienpreise in Zweitwohnungsgemeinden von einem ersten Einbruch erholt haben, dürften sie jetzt als Spätfolge der Initiative deutlich steigen.

04.03.2022, 13:00 Uhr
Immobilien | Regulierung

Redaktion: rem

Als sich die Schweizer Stimmberechtigten vor zehn Jahren entschieden, den Zweitwohnungsbau zu beschränken, waren sich die Expertinnen und Experten sicher: Jetzt explodieren die Preise. "Die Zweitwohnungsinitiative hat natürlich das Potenzial, auf den betroffenen Immobilienmärkten für ernstzunehmende Verwerfungen zu sorgen", sagt Daniel Steffen, Dozent und Projektleiter an der Hochschule Luzern. Rund 15% aller Schweizer Gemeinden seien direkt von dem Verfassungsartikel betroffen – vor allem touristisch geprägte Berggebiete. So werde etwa in Graubünden jede zweite Wohnung als Zweitwohnung genutzt.

Doch der befürchtete Preisanstieg ist in den ersten Jahren nach der Annahme der Initiative nicht eingetreten. Im Gegenteil: In den ersten Jahren bis 2018 hat die Zweitwohnungsinitiative gar zu einem starken Preissturz geführt, wie eine Studie der Hochschule Luzern zeigt. In den Gemeinden, die von der Initiative betroffen sind, sanken die Wohnungspreise in dieser Zeitspanne um satte 16%.

Viele Baugesuche in letzter Sekunde

"Die Annahme der Initiative hat zu einer panikartigen Flut an Last-Minute-Baugesuchen geführt", so Steffen. Kurz nach der Abstimmung wurden von den betroffenen Gemeinden rund dreimal so viele Baubewilligungen ausgesprochen als im langjährigen Durchschnitt. "Dies hat ironischerweise für ein zwischenzeitliches Überangebot gesorgt", so der HSLU-Experte. Hinzu komme, dass die Initiative eine rechtliche Unsicherheit ausgelöst habe. Die Folge: Es wurden vermehrt minderwertige Wohnungen auf den Markt gespült, deren Qualität und Zustand unterdurchschnittlich waren und den Preis gedrückt haben.

Pandemie treibt Preise nach oben

Seit 2019 ist bei den Immobilienpreisen ein Aufholeffekt spürbar. Insbesondere seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie sind Wohnungen in den Bergen sehr gefragt. Das führe dazu, dass die Preise für Zweitwohnungen in den von der Initiative betroffenen Gemeinden seit zwei bis drei Jahren vergleichsweise stark ansteigen. "Heute sind die Preise wieder ungefähr auf dem Niveau, auf dem sie nach Modellrechnungen auch ohne Zweitwohnungsinitiative wären", so Steffen. Der Immobilienexperte ist sich jedoch sicher: Der Baustopp wird in Zukunft dafür sorgen, dass die Preise weiter deutlich anziehen, zu einer grundsätzlichen Abnahme der Zweitwohnungen in den betroffenen Gemeinden wird das Zweitwohnungsgesetz allerdings kaum führen. Die beiden Ziele, die der Initiative ursprünglich zu Grunde lagen – bezahlbarer Wohnraum für Einheimische und Zersiedelungsstopp – werden nach seiner Einschätzung im nächsten Jahrzehnt wohl nicht erreicht.

Hotelbranche leidet kaum unter der Initiative

Das Zweitwohnungsgesetz, welches auf der Basis der angenommenen Initiative erlassen wurde und am 1. Januar 2016 in Kraft trat, wirkt sich auf verschiedene Wirtschaftsbereiche aus. Im Auftrag des Bundesamts für Raumentwicklung (ARE) und des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) hat ein Forschungsteam der Hochschule Luzern untersucht, welche Folgen das Zweitwohnungsgesetz auf Beherbergungsbetriebe, Bergahnen sowie auf die Bau- und Immobilienbranche hat.

Die Erhebung zeigt: Die Folgen durch das Zweitwohnungsgesetz sind für die Beherbergungswirtschaft in den betroffenen Gemeinden eher gering. Die kausalen Zusammenhänge von konjunkturellen Faktoren wie die Finanzkrise oder wechselnde Devisenkurse und kurzfristige Wettereinflüsse seien wesentlich grösser, sagt Stefan Lüthi, der die Studie an der Hochschule Luzern geleitet hat. Einzig die seit Längerem bestehende Investitionsproblematik im Tourismus könnte durch das Zweitwohnungsgesetz nochmals verstärkt worden sein. "Die Hotelbranche hat seit jeher über den Bau und Verkauf von Zweitwohnungen die Sanierung ihrer Hotels quersubventioniert. Dieses bisher etablierte Finanzierungsmodell ist jetzt eingeschränkt", so Lüthi.

Baubranche orientiert sich teilweise um

Deutlich stärker vom Zweitwohnungsgesetz betroffen sei die Bau- und Immobilienwirtschaft. So hätten die betrieblichen Kennzahlen für entsprechende Unternehmen, welche in den betroffenen Gemeinden tätig sind, markant unter den neuen Bedingungen gelitten. Die HSLU-Studie habe jedoch gezeigt, dass die Entwicklung der betrieblichen Situation stark vom geographischen Wirkungsgebiet der jeweiligen Betriebe abhängt. "Insbesondere grössere, strategisch breit aufgestellte Firmen orientieren sich seit einigen Jahren vermehrt in Richtung Talboden, wo die Aufträge nicht so stark vom Zweitwohnungsbau abhängig sind", erklärt Lüthi. Auch sei zu beobachten, dass viele Unternehmen ihre Marktsegmente diversifizieren, um breiter abgestützt zu sein. Das sei ein Prozess, der sich noch immer in der Entwicklung befinde. Lüthi: "Wir erwarten, dass die Auswirkungen des Zweitwohnungsgesetzes auf die Baubranche noch nicht vollständig sichtbar sind. Noch sind verschiedene Zweitwohnungsprojekte in der Umsetzung. Das Marktvolumen verschwindet aber langsam."

Bergbahnen spüren keinen Effekt

Die Bergbahnen schätzen den Einfluss des Zweitwohnungsgesetzes auf ihr Tätigkeitsfeld mehrheitlich als klein bis sehr klein ein, wie die HSLU-Studie zeigt. "Bei den Bergsportgebieten beobachten wir keine Veränderung der strategischen Stossrichtung aufgrund des neuen Gesetzes", hält der Studienleiter fest. Über alle Branchen betrachtet sei insgesamt zu erwarten, dass die Wirkungen des Zweitwohnungsgesetzes erst in den kommenden Jahren spürbar werden dürften: in der Beherbergungswirtschaft als Folge der veränderten Finanzierungsbedingungen und in der Bau- und Immobilienwirtschaft als Folge rückläufiger Bauvolumina.

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