03.12.2024, 15:42 Uhr
Der ehemalige Direktor der Eidgenössischen Bankenkommission, Daniel Zuberbühler, fordert für die UBS deutlich höhere Eigenkapitalvorgaben. Damit solle das «desaströse» Szenario einer Abwicklung der Grossbank...
In den vergangenen zwei Monaten haben internationale Anleger Aktienfonds mit Schwerpunkt China verkauft. Die Sorgen hinsichtlich der neuen Regulierungsmassnahmen der chinesischen Regierung für ausgewählte Sektoren sind gross.
Monopolisten, Technologieunternehmen und private Bildungseinrichtungen stehen auf dem Prüfstand und werden zum Teil neu reguliert. Das ist jedoch nach Ansicht von Devan Kaloo, Global Head of Equities bei Abrdn, nicht das Ende des Kapitalismus in China. Es müsse beachtet werden, dass sich China im Vergleich zu den Schwellen- und globalen Märkten in letzter Zeit unterdurchschnittlich entwickelt habe. Die Flut der regulatorischen Massnahmen der Regierung verunsichere die Anleger und stelle erfolgreiche Geschäftsmodelle infrage.
Die chinesische Regierung sei jedoch bestrebt, die Ungleichheit abzubauen und einen "gemeinsamen Wohlstand» herbeizuführen. Sie gehe gegen wettbewerbswidrige Praktiken vor, indem sie die Interessen der Arbeitnehmer fördere und den staatlichen Einfluss bei öffentlichen Dienstleistungen wieder ausweite. Die regulatorischen Massnahmen der letzten sechs Monate hatten gemäss dem Experten eine starke Verunsicherung der Anleger im Hinblick auf deren Auswirkungen auf E-Commerce-, Bildungs-, Gesundheits- und sogar Immobilienunternehmen zur Folge.
Seit 1979 habe China den Status der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaft der Geschichte inne. Dadurch sei eine enorme Ungleichheit entstanden. Im Zentrum der Regierungspolitik stehe nunmehr die Frage, wie die Gewinne des Wachstums besser verteilt werden können. Dies könnte die nächste Wachstumsphase des Landes darstellen. China werde jedoch nicht so leichtfertig die Errungenschaften der letzten Jahrzehnte wieder aufgeben.
Der private Sektor sei nach wie vor äusserst wichtig. Zudem sei eine erneute Fokussierung auf Innovationen zu erkennen, die für Peking eine wichtige Priorität darstellen. Die Innovationskraft würde bei einer zu starken Straffung der regulatorischen Zügel gebremst. Andererseits würden bei einer zu geringen Regulierung Monopole entstehen.
Rentabel sind laut Kaloo Investitionen in anpassungsfähige Unternehmen. Die Regierung ist seiner Meinung nach darauf bedacht, Innovationen, grüne Technologien, bezahlbare Gesundheitsleistungen, verbesserte Lebensbedingungen und den inländischen Konsum zu fördern.
"Auf kurze Sicht könnten die Auswirkungen der finanziellen Straffung und ein weiterer Anstieg der Infektionen mit der Delta-Variante Spuren in der chinesischen Wirtschaft hinterlassen. Dabei dürfte es sich jedoch um ein vorübergehendes Phänomen handeln, sodass sich auf längere Sicht viele Chancen abzeichnen", so der Abrdn-Experte.
China stelle nach wie vor ein Risiko dar, aber kein grösseres als vor fünf bis zehn Jahren. Das Land sei bestrebt, seine diplomatische Stärke zu demonstrieren und selbstbewusster aufzutreten. Das Risiko sei jedoch eingepreist, und einige Sektoren verfügten über viel Wertpotenzial.
Im Hinblick auf die politischen Veränderungen gebe es sowohl Gewinner als auch Verlierer. Erfreulich ist laut dem Aktienspezialisten die Stärkung der Binnenwirtschaft und der Ausbau der Eigenständigkeit des Landes durch die Regierung. "Im Fokus stehen der Binnenkonsum und nationale Marken. Die Regierung fördert zudem das Streben nach heimischer Technologieführerschaft in Branchen wie der Halbleiterindustrie", so Kaloo.
In China finde derzeit eine grüne Revolution mit starkem Engagement für Netto-Null-Emissionen statt, und der Versorgungssektor werde gerade grundlegend umgebaut. Zwei Bereiche, bei denen seiner Ansicht nach Negativeffekte zu spüren sein könnten, sind Gesundheit und Bildung. Gesundheit soll erschwinglich werden, und alle Bürger sollen Zugang zu medizinischen Grundversorgungsleistungen bekommen. Forschung und Entwicklung werden jedoch weiterhin vorangetrieben, sodass sich in diesem Bereich interessante Chancen eröffnen. Im Bildungssektor missfalle der Regierung offenbar das Engagement des Privatsektors. Unternehmen, die Dienstleistungen wie Privatunterricht anbieten, mussten daher Verluste hinnehmen.
Betrachte man das Streben nach gemeinsamem Wohlstand nicht als Feldzug gegen Milliardäre, sondern als Ambition, dass mehr Menschen über ein höheres Einkommen verfügen, vermehrt lokale Marken entwickelt werden und China Unternehmen vorweisen kann, die das Land auf der internationalen Bühne repräsentieren, ergebe sich ein positiveres Bild. Bildung, Wohnraum und Gesundheit seien wichtige Themen für die Bevölkerung, weshalb die ergriffenen Massnahmen bei den Bürgern gut ankommen werden. Zwar sei davon auszugehen, dass weitere regulatorische Vorschriften erlassen werden. Die Regierung werde jedoch darauf bedacht sein, weder das Wachstum noch die Innovationen zum Erliegen zu bringen, was ausgleichende Wirkung haben werde, so Kaloo.
Für die meisten ausländischen Anleger sei der Online-Handel besonders interessant. "Wir würden uns derzeit noch mit einem Engagement zurückhalten", sagt der Experte. Bei diesen Unternehmen handelt es sich seiner Einschätzung nach jedoch um starke Werte, die auf längere Sicht gut abschneiden dürften, da sie bei der Entwicklung des Landes nach wie vor eine wichtige Rolle spielen.
China sei derzeit führend. Das Land bekam als erstes die Auswirkungen des Coronavirus zu spüren, und es hat sich als erstes von der Pandemie erholt. Allerdings verlangsame sich das chinesische Wachstum gegenwärtig wieder, und bei grösseren Unternehmen habe eine Abschwungphase eingesetzt. China wird nach Ansicht Kaloos wieder Lockerungsmassnahmen ergreifen, und der Experte geht davon aus, dass eine Konjunkturerholung einsetzen wird. "Zwischenzeitlich könnte auch in anderen Volkswirtschaften eine erneute Abschwächung eintreten, während die chinesische Wirtschaft bereits wieder zum Aufschwung ansetzt", meint er.