Das unterscheidet Angemessenheits- und Eignungsprüfung

Marco Chinni, CEO und Partner von Primecoach
Marco Chinni, CEO und Partner von Primecoach

Das Herzstück von FIDLEG und MiFID II bilden die Prüfungen zu Angemessenheit und Eignung. Doch schon das Erkennen der Unterschiede stellt eine Herausforderung dar, erst recht die Umsetzung. Marco Chinni, CEO von Primecoach, erklärt, worum es bei den Prüfungen geht.

03.05.2018, 10:24 Uhr
Regulierung

Autor: glc/sif

Die aktuell gültige Fassung von FIDLEG definiert die beiden Prüfungen präziser. Bei der Angemessenheitsprüfung geht es um die Anlageberatung für Einzeltransaktionen, die Eignungsprüfung betrifft Dienstleistungen im Portfolio-Kontext. Nicht deckungsgleich und im Gesetzestext auch nicht konsequent durchgezogen ist die Definition unter MiFID II. "Der Unterschied liegt bei der Eignungsprüfung, welche weiter gefasst ist", sagt Marco Chinni. Diesbezüglich sei laufend sicherzustellen, dass die angebotene Dienstleistung zum Kunden passt.

Gemeinsamer Nenner FIDLEG und MiFID II
Wolle man einen sinnvollen gemeinsamen Nenner für die beiden Regularien finden, kommt man zu folgendem Schluss: Die Eignungsprüfung ist für alle Kunden durchzuführen. Das Finanzinstitut muss sicherstellen, dass alle nötigen Informationen (Erfahrung, Know-how, finanzielle Verhältnisse, etc.) über den Kunden vorhanden sind. Daraus wird die geeignete Betreuungsform (z.B. Beratung, Vermögensverwaltung) und die Risikofähigkeit des Kunden abgeleitet. "Dabei ist wesentlich, dass der Kunde die Dienstleistung und die damit verbundenen Risiken versteht. Bei einer Beratung im Portfolio-Kontext oder einem Vermögensverwaltungsmandat muss er das Prinzip der Diversifikation erfassen und die finanziellen Risiken tragen können", sagt Chinni.

Die Angemessenheitsprüfung kommt nur zum Tragen, wenn als Dienstleistung die Anlageberatung auf Stufe Einzelanlage gewählt wird. Der Kunde verzichtet dabei auf eine Betrachtungsweise im Portfolio-Kontext. Dafür muss jede einzelne Transaktion, unabhängig davon ob vom Berater oder vom Kunden initiiert, geprüft werden. Auch in diesem Zusammenhang ist dafür zu sorgen, dass der Kunde das Finanzinstrument und die damit verbundenen Risiken vollumfänglich versteht und sie finanziell tragen kann. Falls ein Anlageinstrument die Risikoklasse des Kunden übersteigt, müsse vom Kauf abgeraten werden, meint der CEO von Primecoach. Im Portfolio-Kontext hingegen sind auch Anlageinstrumente zulässig, die die Risikoklasse des Kunden übersteigen, wenn sie zur Diversifikation beitragen oder zur Absicherung dienen.

Der Beratungsprozess wird zur grossen Herausforderung
Angemessenheits- und Eignungsprüfung stellen äusserst hohe Anforderungen an die Profilierung der Kunden. Know-how und finanzielle Verhältnisse müssen im Detail erfasst und regelmässig aktualisiert werden. Bei den finanziellen Verhältnissen ist eine Gesamtbetrachtung für die Festlegung der Risikofähigkeit notwendig. "Zukünftig müssen Finanzinstitute in der Lage sein, sämtliche Finanzinstrumente und Anlagestrategien mit Risikoklassifizierungen zu versehen. Nur so kann kundenspezifisch geprüft werden, ob diese für den Kunden angemessen bzw. geeignet sind", so Chinni. Kurzum: Der Beratungsprozess ist komplett neu auszugestalten. Hinzu kommen umfangreiche Informations-, Dokumentations- und Aufzeichnungspflichten, die auch der Beweissicherheit bei allfälligen Kundenbeschwerden dienen können. Weiterer Handlungsbedarf ergibt sich aus neuen Vorschriften über Interessenkonflikte und Kickbacks sowie einer umfassenden Kostentransparenz (ex-ante und ex-post).

Der Unterschied zwischen FIDLEG und MiFID II
Schweizer Finanzinstitute werden FIDLEG umzusetzen haben. Auch wenn dieses voraussichtlich erst ab Mitte 2019 oder 2020 in Kraft treten wird, ist ein Zurücklehnen nicht angesagt. Es ist davon auszugehen, dass FIDLEG viel von MiFID II übernehmen wird. Kommt noch hinzu, dass viele Schweizer Finanzinstitute erhebliche EU-Kundenbestände aufweisen. Diese können sich seit der Unterzeichnung des Lugano-Übereinkommens durch die Schweiz darauf berufen, dass Urteile ausländischer Gerichte auch in der Schweiz vollzogen werden können.

MiFID II gilt seit dem 1. Januar 2018. "Es ist also zumindest jenen Finanzinstituten mit grösseren Kundenbeständen im EU-Raum zu empfehlen, sich baldmöglichst an den Anforderungen von MiFID II auszurichten", meint Chinni. Aber auch Institute mit primär Inlandkunden sollten sich mit MiFID II vertraut machen. Ähnliche Anforderungen würden mit FIDLEG auf sie zukommen.

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