13.11.2024, 13:49 Uhr
«Das grosse Interesse an risikoreichen Titeln könnte bis zum Jahresende anhalten. Aber dann wird es schwieriger», schreibt Shannon Saccocia, Chief Investment Officer bei NB Private Wealth.
«Die Zinserhöhungen werden die Wirtschaft bald treffen, entsprechend ist Vorsicht angebracht», sagt Emmanuel Petit, Head Fixed Income bei Rothschild & Co Asset Management im Interview.
Wie schätzen Sie die künftige Geldpolitik der FED nach den Krisen im Bankensektor ein?
Emmanuel Petit: Der Grossteil der Zinserhöhungen liegt hinter uns. Die Markterwartungen deuten auf eine letzte Erhöhung des Leitzinses um 25 Basispunkte auf 5,50 Prozent bei der FOMC-Sitzung im Juli hin. Obwohl diese Erwartungen seit Jahresbeginn schwanken, insbesondere seit den Ereignissen bei den Banken, denke ich, dass die jüngsten disinflationären Faktoren wie der Rückgang der Kerninflation und der Energiepreise der Fed die nötige Flexibilität für eine Pause verschaffen. Die Wirtschaft zeigt Anzeichen von Widerstandsfähigkeit, weil sich die Volkswirtschaften zunehmend zu festen Zinssätzen verschulden. Dennoch werden die Auswirkungen der geldpolitischen Straffung in den kommenden Monaten sicherlich spürbar sein. Die von uns erwartete steilere Zinskurve wird risikofreien Assets zugutekommen.
Wenn Bankenkrisen als erste sichtbare Indikatoren für die Wirksamkeit einer restriktiven Geldpolitik gewertet werden können, mit welchen anderen Krisenarten rechnen Sie dann kurzfristig?
Wir haben in letzter Zeit einige sehr seltene Entwicklungen gesehen. Aber tatsächlich verzeihen die drastischen geldpolitischen Anpassungen keine Managementfehler. Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Immobiliensektor von den verschärften Kreditbedingungen betroffen sein wird, was sich bereits in den Marktbewertungen des Sektors widerspiegelt. Ausserdem werden die am höchsten verschuldeten Unternehmen Schwierigkeiten haben, sich zu refinanzieren, zumal ihre Margen durch eine zyklische Abkühlung beeinträchtigt werden dürften. Die Ausfallraten im High-Yield-Segment werden mit Sicherheit steigen, insbesondere in den USA, wo der Markt stärker verschuldet ist als in Europa.
Infolge dieser Ereignisse wurden die Bedingungen für Bankkredite verschärft. Wie wird sich dies auf Unternehmen auswirken?
Liquidität und damit die Refinanzierung ist der wichtigste Faktor für Unternehmen. In Europa ist allerdings zu beobachten, dass die Unternehmen bei günstigen Bedingungen Refinanzierungen vorweggenommen haben. Die Liquidität in Europa ist also von Anfang an gut – besser als auf der anderen Seite des Atlantiks. In Europa betrifft die Refinanzierung überwiegend Emittenten mit guter Bonität, während sie in den USA auch Akteure mit schlechteren Ratings betrifft. Die grossen Schulden werden 2025 bis 2026 fällig, es besteht also keine Eile. Dennoch sollte man auf die Refinanzierungen in den kommenden Quartalen achten, um diese Fälligkeiten zu antizipieren.
Wie werden sich Ihrer Meinung nach die verschiedenen Segmente des Anleihenmarktes in der zweiten Jahreshälfte entwickeln?
Die geldpolitische Normalisierung hat sich stärker auf die solideren Segmente ausgewirkt. Dennoch sind diese Emittenten resilient und können einen Rezessionszyklus überstehen. Der risikoreiche Teil des Spektrums hat viele negative Faktoren eingepreist, bietet aber nur eine geringe Vorhersehbarkeit. Trotz der guten Verzinsung beabsichtige ich nicht, das Risiko zu erhöhen. Investment Grade bleibt vergleichsweise attraktiv, zumal riskante Anlagen gegen Ende eines Zyklus stärker in Mitleidenschaft gezogen werden.
Welche Anleihenstrategien bevorzugen Sie bei schwankenden Zinssätzen?
In den nächsten 7 bis 9 Monaten werden wir Staatsanleihen mit längeren Laufzeiten kaufen, aber nur sehr wenige High-Yield-Anleihen. Wir bleiben bei der Duration neutral, solange die europäischen Realzinsen im negativen Bereich bleiben. Wir warten diese Entwicklung ab, um uns bei der Duration langfristig zu positionieren.
Dies ist ein günstiger Zeitpunkt für Carry-Trades, die seit Jahresbeginn den grössten Anteil unseres flexiblen Anleihenportfolios ausmachen. Wir beschränken uns auf der Kreditseite vorsichtshalber auf Emissionen guter Qualität, um die Duration des Portfolios zu erhöhen. Wir sichern einen Teil des Kreditrisikos mit CDS ab.
Wir sehen auch Alpha in sektorspezifischen Verzerrungen, beispielsweise im Bankensektor, wo die aktuellen Bedingungen vorteilhaft sind. Aber das Ende des Kreditzyklus begünstigt in der Regel eher flexible Strategien, da sie sowohl mehr Spielraum für vorsichtige Positionierungen haben, als auch die Chancen in Stressphasen nutzen können.
Welche sind derzeit Ihre bevorzugten Bankemittenten?
Die Unicredit hat einen guten Kreditverlauf. In Belgien ist Crelan, ein mittelgrosses Institut, das sich auf Privatkunden und KMU spezialisiert hat, ein neuer mittelgrosser Emittent, der attraktive Renditen auf seine vorrangigen Verbindlichkeiten bietet. Ein weiteres Beispiel mit grossem Potenzial für eine Verbesserung der Fundamentaldaten ist Novobanco in Portugal.
Das Interview erschien zuerst auf französisch bei Allnews.ch.