Keine Renaissance der Atomkraft

Atomkraft wird von Anlegern mit Fokus auf Nachhaltigkeit allgemein als Ausschlusskriterium ausgelegt. (Bild: Shutterstock.com/vlastas)
Atomkraft wird von Anlegern mit Fokus auf Nachhaltigkeit allgemein als Ausschlusskriterium ausgelegt. (Bild: Shutterstock.com/vlastas)

Auch wenn Erdgas und Atomenergie im Rahmen der EU-Taxonomie als klimafreundlich klassifiziert werden, dürfte das die Wahrnehmung dieser Energieträger bei nachhaltig orientierten Anlegerinnen und Anleger kaum verändern, meint Matthias Fawer von Vontobel. Er erwartet keine Renaissance der Atomkraft, da ein solides Potenzial zur Kostensenkung bei Solar- und Windenergie vorhanden sei.

14.01.2022, 06:00 Uhr
Nachhaltigkeit

Redaktion: rem

"Die Pläne der EU-Kommission, Erdgas und Atomenergie im Rahmen der EU-Taxonomie als klimafreundliche Energieträger zu klassifizieren, dürften unserer Ansicht nach die Wahrnehmung von Mainstream-Anlegern, denen es um nachhaltige Anlageprodukte geht, nicht verändern", sagt Matthias Fawer, Analyst ESG & Impact Assessment bei Vontobel. Atomkraft werde von Anlegern mit Fokus auf Nachhaltigkeit allgemein als Ausschlusskriterium für ihre nachhaltigen Produkte ausgelegt, ebenso wie Kohle, Öl und andere fossile Energieträger, einschliesslich Erdgas. In der Regel werden für die Investitionen Schwellenwerte von fünf bis zehn Prozent festgelegt. Bislang habe Vontobel von seinen Kunden noch keinerlei Hinweise erhalten, dass sich diese Positionierung massgeblich ändern könnte.

Zwei verschiedene Werte für Taxonomiekonformität

"Wie auch immer am Ende das Ergebnis für die Taxonomiebestimmungen sein wird: Wir erwarten, dass Vermögensverwalter unter Umständen zwei verschiedene Werte für ihre Taxonomiekonformität melden werden – einen mit und einen ohne Atomkraft und Erdgas", so Fawer. So wäre die Transparenz gegenüber ihren Kunden gewahrt, die dann wiederum die Möglichkeit hätten, zu entscheiden, was aus ihrer Sicht "grüne» Anlagen sind. Dies sei auch deshalb so wichtig, weil vermieden werden müsse, dass das Vertrauen in die Offenlegungsverordnung (Sustainable Finance Disclosure Regulation, SFDR) insgesamt erschüttert wird.

Der kontroverse Vorstoss zum Jahreswechsel habe aber auch einen positiven Aspekt: Die Debatte über die Gestaltung der schwierigen und heiklen Übergangsphase, bis erneuerbare Energien den gesamten Strombedarf abdecken können, sei damit eröffnet.

"Vor diesem Hintergrund werden wir weiter in Stromversorger investieren, die eine verantwortungsvolle Übergangsstrategie aufweisen. Eine solche Strategie beinhaltet unserer Ansicht nach, den Grossteil der Investitionen (CAPEX) in neue Kapazitäten für erneuerbare Energien fliessen zu lassen und dabei konventionelle Kraftwerke – hauptsächlich Gas und Atomkraft, da Kohlekraft als erste Energieform abgewickelt wird – als notwendige Reserve für einzelne Regionen so lange wie nötig in Betrieb zu belassen", sagt Fawer.

Kein Bedarf an neuen risikoreichen Atomkraftprojekten

Bei Vontobel ist man der Auffassung, dass die Diskussion sich mehr auf die Planung einer sinnvollen und sicheren Abwicklungsphase für Atomkraftwerke konzentrieren sollte als auf die Investition in teure und langwierige neue Projekte. Diese würden ohnehin zu spät kommen, um diverse aktuelle Engpässe zu überbrücken. Als einzige Investitionen machten vielleicht einige Gaskraftwerk-Projekte Sinn, die als Notreserve und zur Deckung von Bedarfsspitzen dienen, gegebenenfalls in Kombination mit der Abscheidung, Nutzung oder Speicherung von CO₂.

"Aus wirtschaftlicher Sicht steht für uns ausser Zweifel, dass es nicht zu einer Renaissance der Atomkraft kommen wird. Das Potenzial zur Kostensenkung und Skalierbarkeit von Solar- und Windenergie ist – auch unter Berücksichtigung von Verbesserungen am Batterie- und Energiemanagement – zu solide und die Projektrealisierung geht viel zügiger voran, weshalb kein Bedarf an neuen risikoreichen Atomkraftprojekten besteht", betont der Vontobel-Experte.

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