«Energiewende in Europa – Es braucht mehr Zuckerbrot statt Peitsche»

Europa brauche radikal vereinfachten Genehmigungsverfahren, stärkeren Subventionen oder einer Kombination aus beidem, schreibt Michael Rae, Fondsmanager des M&G (Lux) Climate Solutions Fund.(Bild pd)
Europa brauche radikal vereinfachten Genehmigungsverfahren, stärkeren Subventionen oder einer Kombination aus beidem, schreibt Michael Rae, Fondsmanager des M&G (Lux) Climate Solutions Fund.(Bild pd)

«Was funktioniert besser: Zuckerbrot oder Peitsche? Wenn es um die Energiewende geht, führen politische Entscheidungsträger auf der ganzen Welt ein Experiment in Echtzeit durch», schreibt Michael Rae, Fondsmanager des M&G (Lux) Climate Solutions Fund.

17.07.2023, 13:15 Uhr
Nachhaltigkeit

Redaktion: sw

Am 19. Juli veranstaltet der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss in Brüssel seine dritte Konferenz zum Thema «Bekämpfung der Energiearmut für einen gerechten Übergang». Dort wird man sich unter anderem mit der aktuell wichtigsten Massnahme, dem REPowerEU-Plan, befassen, die starke Preisschwankungen vermeiden soll und eine erschwingliche Energieversorgung und einen gut funktionierenden Energiemarkt erreichen möchte. Michael Rae, Fondsmanager des M&G (Lux) Climate Solutions Fund meint, dass Europa auf jeden Fall mehr Zuckerbrot braucht, um bei der Energiewende international nicht ins Hintertreffen zu geraten – sei es in Form von radikal vereinfachten Genehmigungsverfahren, stärkeren Subventionen oder einer Kombination aus beidem.

USA schnürt riesiges Steuer-Subventionspaket

Auf der einen Seite stehe die USA, die mit dem Inflation Reduction Act von 2022 ein Steuer-Subventionspaket für erneuerbare Energien, Wasserstoff, Biokraftstoffe, Kohlenstoffabscheidung, Batteriematerialien, Hardwarekomponenten, Elektrofahrzeuge, Netzausbau und andere wichtige Mineralien eingeführt haben. «Die USA verteilen also offensichtlich Zuckerbrot. Europa auf der anderen Seite ist seit langem weltweit führend bei der Formulierung von Rahmenbedingungen, koppelt diese nun aber auf ungeschickte Weise mit Übergewinnsteuern und einer Reform des Strommarktes», folgert Rae. Kern des europäischen Konzepts sei seit jeher ein System der Emissionsbegrenzung und des Emissionshandels, welches an einen CO2-Preis für die Verursacher gebunden ist – und dieser steigt per Definition immer weiter. «Anders ausgedrückt: Europa schwingt die Peitsche.»

Sowohl in den USA, Europa als auch China, den drei aktivsten Weltregionen in Bezug auf die Energiewende, werden die Kapazitäten für erneuerbare Energien in den kommenden Jahren weiter ausgebaut. Auf den zweiten Blick offenbarten sich allerdings unterschiedliche Entwicklungen. So zeige eine Datenreihe von Bloomberg New Energy Finance, wie sich Erwartungen für das Aktivitätsniveau im Laufe der Zeit verändern. «Auf diese Weise können wir beobachten, wie sich die Genehmigungen von Projekten, die Lieferketten, die Kosteninflation und die Risikobereitschaft der Unternehmen in der Realität darstellen – im Vergleich zu dem, was nach den theoretischen Prognosen passieren sollte», schreibt der Fondsmanager.

Weniger Onshore-Windkraftanlagen

Für 2024 hat Bloomberg New Energy Finance die Prognosen für die Umsetzung von Onshore-Windkraftanlagen in Deutschland, Frankreich, Spanien und dem Vereinigten Königreich zusammen um insgesamt fast 10 Prozent nach unten korrigiert (siehe Grafik). Für die USA wurden die gleichen Prognosen dagegen um beachtliche 30 Prozent nach oben angepasst. In China fiel die Anhebung bescheidener aus.

Veränderung der für 2024 erwarteten Onshore-Windkraftanlagen, im Vergleich zum letzten Jahr

Quelle: Bloomberg New Energy Finance


M&G beobachte weltweit mehr als 200 Unternehmen, die man als bedeutende Anbieter von Klimalösungen betrachte. Für diese Gruppe ergebe sich für 2024 ein durchschnittliches Kurs-Gewinn-Verhältnis von 21 für US-Unternehmen und von 17 für europäische Unternehmen. «Dies ist zugegebenermassen eine niedrigere Prämie als für die breiteren regionalen Aktienmärkte – der Stoxx 600 etwa wird mit dem 13-fachen der zukünftigen Gewinne gehandelt, der S&P500 mit dem 20,6-fachen. Zu bedenken ist jedoch, dass Unternehmen im Bereich ‘Clean Technology’ grundsätzlich denselben strukturellen Wachstumsfaktoren ausgesetzt sein sollten, was wiederum einen regionalen Abschlag weniger rechtfertigt», führt der Fondsmanager aus.

USA rentierte mehr

Der Markt insgesamt scheine also eher bereit zu sein, für das Wachstum von US-Unternehmen zu zahlen, als für das von europäischen Unternehmen. Es überrasche nicht, dass sich die Aktienkurse im Bereich der sauberen Technologien in den USA auch in der Vergangenheit besser entwickelt haben. Über drei Jahre liegt der Medianwert der US-Aktien im M&G Anlageuniversum bei +14,6 Prozent, im Vergleich zu +9,8 Prozent in Europa.

«Möglich, dass Europa mit dem Net Zero Industry Act, der derzeit verhandelt wird, das Gleichgewicht zwischen den Blöcken wiederherstellen kann», hofft Rae. Dieser Vorschlag sei weitreichend und ziele darauf ab, Vorschriften zu vereinfachen, die Herstellung von Netto-Null-Technologien zu steigern und Wettbewerbsfähigkeit und Widerstandsfähigkeit der Netto-Null-Branchen zu verbessern. «Alles lobenswerte Ziele, aber die erste Reaktion der Industrie auf den Umfang und den Ehrgeiz des Gesetzes war nicht übermässig begeistert. Wenn man sich am Erfolg der USA orientiert, sind Tempo, Vereinfachungen und die Beibehaltung vieler Steuererleichterungen für zehn Jahre der Schlüssel zum Aufbau eines attraktiven Investitionsumfelds.»

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