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«Emerging Markets-Fundamentaldaten werden sich bezahlt machen»

Die Inflation ist in den Schwellenländern deutlich niedriger als in den Industrieländern, was ihnen Spielraum gibt, die Zinssätze früher zu senken, schreibt Wim-Hein Pals, Head of Emerging Markets bei Robeco. (Bild pd)
Die Inflation ist in den Schwellenländern deutlich niedriger als in den Industrieländern, was ihnen Spielraum gibt, die Zinssätze früher zu senken, schreibt Wim-Hein Pals, Head of Emerging Markets bei Robeco. (Bild pd)

Wim-Hein Pals, Head of Emerging Markets bei Robeco, hält die Wirtschaft der Schwellenländer heute für viel stabiler und das Bewertungsniveau für sehr attraktiv. «Als Aktienanleger zahlt man in den EM 30 Prozent weniger für dieselben Unternehmensgewinne wie in den Industrieländern.»

11.07.2023, 17:50 Uhr
Notenbanken | Konjunktur

Redaktion: sw

Ein viel beachtetes Anlagethema ist in diesem Jahr die Hinwendung zu den Emerging Markets (EM) wegen der Erwartung ihrer Outperformance, wenn die Fed ihren Kampf gegen die Inflation beendet und die Zinssätze in den USA allmählich zurückgehen. «Das ist nicht passiert, und der US-Aktienmarkt ist wegen des Themas künstliche Intelligenz bei Large-Cap-Technologieaktien kräftig gestiegen. Dass die EM starke Fundamentaldaten besitzen, gilt aber unverändert», schreibt Wim-Hein Pals.

«Für die nächsten Jahre sind wir mit Blick auf die EM wegen mehrerer günstiger Faktoren sehr optimistisch. Generell ist die Inflation in den Schwellenländern deutlich niedriger als in den Industrieländern, was ihnen Spielraum gibt, die Zinssätze früher zu senken als Letztere», sagt er.

Historisch erstaunlich günstig

Pals nennt China, dass seine Geldpolitik bereits lockert, und Brasilien als Länder, die den globalen Lockerungszyklus anführen werden. Die Realzinssätze liegen in Brasilien bei 8 Prozent, sodass reichlich Spielraum für eine Lockerung der Geldpolitik vorhanden ist. Andere lateinamerikanische und asiatische Länder würden folgen. Laut Pals sind riesige Devisenreserven, Handelsüberschüsse und eine umsichtige Finanzpolitik für fast alle grossen Schwellenländer wie Thailand, Südkorea, Taiwan und China charakteristisch. Ausserdem hätten die Unternehmensgewinne die Talsohle durchschritten und würden jetzt wieder steigen.

Sein Fazit: «Was die Bewertung in diesen Märkten angeht, muss man nicht lange überlegen. Historisch betrachtet sind die EM im Vergleich zu den Aktienmärkten der Industrieländer erstaunlich günstig. Und auch gemessen an den Zinssätzen sind sie ganz klar unterbewertet.»

Pals erwartet, dass die EM im nächsten Zyklus die Führung übernehmen werden, sobald die Fed die Zinssätze nicht weiter erhöht; denn die Faktoren, die in den letzten zehn Jahren zur Outperformance der Aktienmärkte der Industrieländer geführt haben, fehlten jetzt.

«Die quantitative Lockerung ist beendet oder verschwindet, die realen Zinssätze werden normaler, und es gibt EM mit sehr guten Fundamentaldaten. Die Ausgangssituation ist sehr klar.»

EM-Bewertungsabschläge ergeben keinen Sinn mehr

Ein weiterer Faktor, der das Bewertungsniveau in den EM relativ zu den Industrieländern nach unten drückt, seien die gefühlten Risiken in Bezug auf die Unternehmensführung. Dies ist laut Pals aber nicht mehr gerechtfertigt.

«Es gibt die irrige Vorstellung, dass es in Bezug auf die Unternehmensführung in den EM deutliche höhere Risiken gäbe als in den Industrieländern. Ich bezweifle das, weil es in beiden Gruppen von Ländern die gleiche Art von Risiken gibt. Bei den aktuellen Bewertungskennzahlen bestehen meiner Meinung nach für Aktienanleger in den USA deutlich grössere Risiken in Bezug auf die Unternehmensführung als beispielsweise in Südkorea.»

Pals verweist auf mehrere Unternehmensskandale wie Wirecard und Credit Suisse, die in den letzten Jahren in den Industrieländern hohe Wellen geschlagen haben.

«Verstehen Sie mich nicht falsch: Es gibt auch Beispiele in China, Indien und anderen Ländern. Als Aktienanleger zahlt man aber in den EM 30 Prozent weniger für dieselben Unternehmensgewinne wie in den Industrieländern», sagt er.

Und er fügt hinzu, dass bei Robeco die Fokussierung auf nachhaltiges Investieren mit einem Team von 50 Analysten und Spezialisten für aktive Einflussnahme die Aktienauswahl in den EM anspruchsvoller macht. «Es gibt eine sehr starke Fokussierung auf Unternehmensführung und Transparenz, die Qualität der Rechnungslegung und zunehmend auf ökologische und soziale Aspekte», sagt er.

Wie sollte man bei der Türkei vorgehen?

Nicht alle EM besitzen solide Fundamentaldaten. Ausnahmen sind beispielsweise die Türkei und Argentinien, die beide hohe Inflationsraten und schwache Währungen haben.

«Ich achte immer sehr auf die Inflation, die die Rendite von Aktienanlegern zunichte machen kann. In der Vergangenheit gab es mehrere solche Fälle, und zurzeit ist die Türkei das perfekte Beispiel. Sie ist das Paradebeispiel für eine ausser Kontrolle geratene Inflation und eine Politik, die keinen Sinn ergibt, wie etwa eine Senkung der Zinssätze bei steigender Inflation – wie in den letzten vier oder fünf Jahren geschehen.»

Laut Pals steht der Türkei eine gewaltige Anpassung bevor. Denn Vertreter einer orthodoxen Geldpolitik sollen jetzt helfen, die Wirtschaftslage durch Zinserhöhungen zu verbessern.

«Das wird im Ausland wieder Vertrauen schaffen und die Stimmung mit Blick auf türkische Vermögenswerte verbessern. Und es könnte zu mehr ausländischen Direktinvestitionen in der Türkei führen. Sie ist für viele multinationale Unternehmen ein sehr interessanter Wirtschaftsstandort und besitzt Potenzial für massive Investitionen ausländischer multinationaler Unternehmen», sagt er.

Geduld haben und die Fed beobachten

Insgesamt – so Pals – hält die immer noch klare Anti-Inflationshaltung der Fed potenzielle EM-Anleger trotz der historischen Bewertungsabschläge vom Aufbau allzu grosser Positionen ab. «Wenn die Fed die Zinssätze aber nicht mehr erhöht, könnten die Zentralbanken der Schwellenländer beginnen, diese zu senken. Das könnte der Auslöser für eine längerfristige Outperformance der EM gegenüber den Aktienmärkten der Industrieländer sein. Die Zinskosten vieler Unternehmen sind hoch, sodass sich auch die Unternehmensgewinne erholen könnten.»

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