03.09.2024, 12:17 Uhr
Der ehemalige deutsche Finanzminister Peer Steinbrück spricht am Finance Forum Zürich 2024 über die Lehren aus der Finanzkrise und blickt versöhnlich auf den Finanzplatz Schweiz. Allerdings sieht er im Interview...
Das Wirtschaftswachstum verlangsamt sich, die Risikoprämien für Aktien sinken, und der Zugang zu Krediten wird schwieriger – das aktuelle Umfeld veranlasst Rothschild & Co Asset Management, sich für das kommende Jahr vorsichtiger zu positionieren. Yoann Ignatiew erläutert im Interview die Anlagestrategie des Asset-Allocation-Fonds R-Co Valor.
Wird die jüngste Aktienrally nach einem negativen dritten Quartal an den Finanzmärkten von Dauer sein?
Yoann Ignatiew: Die Aufholjagd im November hat die Märkte auf ein hohes Niveau getrieben. Ich rate nicht dazu, in grossem Massstab zu investieren, da die Einstiegsniveaus nicht mehr attraktiv sind. Europäische Anleger sind zusätzlich einem Währungsrisiko ausgesetzt. Im Gegensatz zum letzten Jahrzehnt der Nullzinsen werden Anleger dafür belohnt, dass sie auf einen Wachstumsaufschwung warten. Diesem Aspekt kommt besondere Bedeutung zu, da Zeit in der Regel Geld ist. Eine über der Inflationsrate liegende Verzinsung liquider Mittel sorgt auch in Erwartung eines makroökonomischen Wendepunkts weiter für Stabilität. Wir erwarten allerdings nicht, dass dieser Wendepunkt zeitnah eintreten wird, zumal sich die Zinserhöhungen ausserhalb Europas noch nicht auf die Konjunktur ausgewirkt haben. Unter diesen Umständen werden die Aktienmärkte kaum um 10 oder 15% steigen. Nur bestimmte Sektoren bleiben für die Titelauswahl interessant.
Welche Entscheidungen haben Sie in letzter Zeit getroffen?
Wir haben zyklische Sektoren abgebaut und dafür defensive Sektoren aufgestockt. Bei Wachstumswerten mit starker Performance, wie Facebook, Mercado Libre und Uber, haben wir Gewinne mitgenommen.
Wie erklären Sie sich die überdurchschnittliche Wertentwicklung bei Technologiewerten in einem weltweiten Hochzinsumfeld?
Profitable (und weniger profitable) Tech-Aktien waren 2022 – zu einem Zeitpunkt, als man selektiv vorgehen musste – im Sell-Off. Wir haben die Gelegenheit genutzt, um unser Engagement in diesem Sektor zu erhöhen. In diesem Jahr sehen wir aufgrund der Untergewichtung im Vorjahr eine Korrelation zwischen den hohen Zinsen und dem Anstieg der Indizes. Die Zuflüsse bei Tech-Werten stammen hauptsächlich von US-Konsumenten, die in ihnen bekannte Wertpapiere investieren, sowie von passiven Fonds, die das Gewicht einiger weniger Aktien weiter erhöhen: der führenden sieben Tech-Werte. Die Konzentration auf wenige Titel und das Risiko einer Enttäuschung bei den Ergebnissen werden zu einer aggressiven Gegenbewegung führen. Dieses Jahr wird war von der Reduktion des Engagements im Technologiesektor geprägt.
Werden sich die Märkte im Jahr 2024 negativ entwickeln?
Das Potenzial der Märkte nach oben scheint begrenzt zu sein. Da sie mit dem 20-fachen Gewinn bewertet werden, scheinen Neubewertungen wahrscheinlich. Diese Einschätzung wird dadurch bestätigt, dass die Wertentwicklung der US-Indizes von den erwähntne sieben Titeln getrieben wird.
Warum schichten Sie von Anleihen in den Geldmarkt um?
Ich bezweifle, dass wir im Jahr 2024 drastische Zinssenkungen erleben werden. Die Inversion der Zinskurve ist interessant, aber nicht interessant genug, um uns zu einer Verlängerung der Duration zu veranlassen. Liquide Geldmarktinstrumente weisen ein geringeres Risiko auf und bieten gleichzeitig Renditen von rund 4%. Vor diesem Hintergrund haben wir französische Staatsanleihen mit einer Laufzeit von sechs Monaten erworben.
Wie werden Sie sich für das nächste Jahr positionieren?
Wir verfolgen in unserem Investmentansatz eine zurückhaltendere Strategie mit einer Alktienallokation von 68%: der niedrigste Wert seit 20 Jahren. Wir behalten jedoch unser Engagement in China bei, obwohl die Bewertungen ausgesprochen niedrig ausfallen. Der chinesische Verbrauchermarkt als Anlagethema, auf das 20% unserer Aktienkomponente entfallen, dürfte 2024 Früchte tragen. Unser Engagement in Europa beläuft sich auf 21%, und aufgrund der Situation des Yen halten wir keine japanischen Wertpapiere.
Wie positionieren Sie sich bei Rohstoffen?
Wir investieren nicht in physisches Gold, sondern haben ein Engagement in Goldminenaktien aufgebaut, die wir im September und Oktober 2023 gekauft haben. Als die Zinsen bei fast 5% lagen, befand sich der Goldsektor in einer Krise. Dennoch zahlten die großen Goldunternehmen im Durchschnitt Dividenden in Höhe von 4,5%, während die Unternehmen im S&P500 nur 1,5% ausschütteten. Der Abschlag auf Goldminenaktien ist nach wie vor erheblich, und sie haben gegenüber physischem Gold weiterhin ein Aufwärtspotenzial von 25%. Letzteres würde von einem künftigen Rückgang des Dollars profitieren.
Wie sieht Ihre Einschätzung für Schweizer Unternehmen aus?
Wir halten die Aktie von ABB, die sich durch eine überdurchschnittliche Wertentwicklung auszeichnete, und darüber hinaus die Aktie von Roche aufgrund ihrer defensiven Merkmale. Das Wachstumspotenzial der Pharmaindustrie bleibt trotz negativer Überraschungen für Schweizer Konzerne signifikant. Wir nahmen Gewinne bei der Richemont-Aktie nach ihrem ausserordentlichen Anstieg infolge ihrer problematischen Bewertung mit. Wir steigen noch nicht wieder in den Titel ein, da die Umsatzdynamik im asiatischen Luxusgütersektor weiterhin Fragen aufwirft.