19.11.2024, 09:12 Uhr
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Während in den Städten das Bauen trotz anhaltend hoher Mietwohnungsnachfrage immer schwieriger wird, weichen Investoren im Anlagenotstand mit Neubauprojekten in die Peripherie aus und verschärfen dort die Problematik der leeren Mietwohnungen weiter.
Im zweiten Halbjahr 2018 hat bei den Baubewilligungen für Mietwohnungen ein kräftiger Rückgang eingesetzt. Allein im vierten Quartal 2018 bekamen rund 20% weniger Mietwohnungen grünes Licht zum Bau als noch im letzten Quartal des Vorjahres. Wie die Analysen des Immobilien Research der Zürcher Kantonalbank (ZKB) zeigen, bedeuten die rückläufigen Baubewilligungen jedoch keine Entschärfung der Leerstandsproblematik.
Im Gegenteil steigt gemäss Prognosen der ZKB die Anzahl leerstehender Mietwohnungen in der Schweiz von 59'700 im Jahr 2018 auf knapp 72'000 im Jahr 2020. Und dies trotz einer insgesamt abnehmenden Bautätigkeit. So rechnet die Zürcher Kantonalbank mit einem Rückgang des Mietwohnungsbaus von 53'900 im Jahr 2018 auf 52'600 im Jahr 2019 respektive auf 50'400 im Jahr 2020.
Grund für diese Entwicklung ist, dass sich die Bautätigkeit vor allem auf Regionen konzentriert, in welchen bereits viele Mietwohnungen leer stehen. Es entstehen also Mietwohnungen an Lagen, an denen sie gar nicht nachgefragt werden. So sind gemäss ZKB zum Beispiel im Unterwallis die Baubewilligungen für Mietwohnungen auch im vergangenen Jahr erneut in die Höhe geschnellt (+230% in Martigny bzw. +37% in Sion) und Jura (+158%), obwohl bereits sehr viele Mietwohnungen verfügbar sind und die Bevölkerung in der Vergangenheit kaum gewachsen ist oder sogar rückläufig war. Dasselbe gilt in Olten (+6%), Solothurn (+30%) und Grenchen (+72%), wo sich die Spannungen am Mietwohnungsmarkt nicht so rasch legen werden.
Weiterhin gross ist die Nachfrage nach Mietwohnungen hingegen in den Städten. Gerade dort war 2018 der Rückgang der Baubewilligungen jedoch besonders ausgeprägt. So sanken die Baubewilligungen in der Stadt Zürich um 36%, in Basel um 19%, in Genf um 67% und in Lausanne um 23%.
Die Zurückhaltung der Investoren dürfte damit zusammenhängen, dass in städtischen Gebieten die Möglichkeiten mittlerweile begrenzt sind, neue Grossprojekte umzusetzen. Der Anlagenotstand aufgrund der tiefen Zinsen besteht bereits seit mehreren Jahren und damit drängt schon seit längerer Zeit sehr viel Kapital in den Immobilienmarkt. Entsprechend wurden die Baulandreserven in den Städten vielfach bereits genutzt und einfach zu realisierende Umnutzungen vollzogen. Neue Mietwohnungsprojekte sind nun mit einem immer grösser werdenden Aufwand verbunden. Diesen Aufwand scheuen die Investoren offenbar und suchen stattdessen Bauprojekte in der Peripherie.
Ursina Kubli, Leiterin Immobilien Research der Zürcher Kantonalbank, sagt: "Da es in den Städten immer schwieriger wird zu bauen, weichen die Investoren aufgrund des anhaltenden Anlagenotstands in die Peripherie aus und verschärfen dort die Problematik der leerstehenden Mietwohnungen. So lange die Zinsen auf dem tiefen Niveau verharren, wird die Schmerzgrenze bei Investoren bezüglich Leerständen aber hoch bleiben. Wir gehen deshalb davon aus, dass auch in Zukunft nicht da am meisten Wohnraum entsteht, wo die meisten Personen wohnen möchten."
Nicht überall wird jedoch an der Nachfrage vorbei gebaut. So kann es gute Gründe geben, warum Investoren trotz hoher Leerstände nicht auf die Bremse treten. Zu nennen sind hier vor allem Infrastrukturprojekte, die einen erheblichen Einfluss auf die räumliche Entwicklung einer Region haben. Aktuell zu beobachten am Beispiel von Bellinzona und Locarno im Kanton Tessin, wo die Baubewilligungen im vergangenen Jahr trotz relativ hoher Leerstände um 600% respektive 47% anstiegen. Mit der Ende 2020 geplanten Eröffnung des Ceneri-Basistunnels halbiert sich die Fahrzeit von Bellinzona und Locarno in das wirtschaftliche Zentrum Lugano. Damit wird es für in Lugano Beschäftigte attraktiver, in Bellinzona oder Locarno zu wohnen, wo die Mieten derzeit noch um über zwanzig Prozent günstiger sind. In Lugano wiederum dürfte die Mietersuche schwieriger werden als sie ohnehin schon ist – dennoch wurden auch in Lugano im Jahr 2018 nochmals 9% mehr Mietwohnungen zum Bau bewilligt.
Es gibt aber auch Beispiele von Regionen, in denen sich die Problematik hoher Leerstandsquoten in den nächsten Jahren etwas entspannen dürfte, da 2018 weniger Baubewilligungen für Mietwohnungen erteilt wurden. Dazu gehören die im Zusammenhang mit der Leerstandsproblematik viel zitierten Regionen Aarau (-35%) und Oberaargau (-25%). Auch in den Regionen St. Gallen (-16%), und Glarnerland (-83%) sowie in den meisten Regionen im Oberwallis (-80% in Sierre bzw. -64% in Leuk) bekamen deutlich weniger Mietwohnungsprojekte grünes Licht zum Bau.
Bis anhin haben die Mieten nur wenig auf die zunehmenden Leerstände reagiert. Schweizweit rechnet die Zürcher Kantonal-bank für 2019 und 2020 mit einem geringen Rückgang der Angebotsmieten von jeweils 0,5%. Im Kanton Zürich dürften sich die Mieten 2019 seitwärts bewegen und 2020 mit einer Zunahme von 0,5% bereits wieder leicht anziehen. Demgegenüber steigen die Preise für Eigenheime weiterhin an; im vergangenen Jahr betrug das Wachstum in der Schweiz 2,8%. Auch für 2019 und 2020 prognostizieren die Experten der Zürcher Kantonalbank einen Anstieg der Eigenheimpreise von 2,0% respektive 1,5%. Im Kanton Zürich entwickeln sich die Preise noch dynamischer. Nach einem Wachstum von 3,7% im Jahr 2018 rechnet die Zürcher Kantonalbank mit einem Preisanstieg im Jahr 2019 von 3,0% und im Jahr 2020 von 2,5%.
Bemerkenswert ist laut ZKB die Entwicklung der Eigenheimpreise, wenn sie in den Kontext der Einkommens- und Vermögensentwicklung gesetzt wird. 2018 sind die Reallöhne gesunken, und das Vermögen zahlreicher Bürger dürfte im enttäuschenden Anlegerjahr ebenfalls gelitten haben.
Die Gründe für die robuste Preisdynamik bei Eigenheimen sind auf der Angebotsseite zu suchen. So setzten Investoren in den letzten Jahren vor allem auf den Bau von Mietwohnungen, weil sich in diesem Segment mehr Rendite erwirtschaften liess. Demgegenüber wurden weniger Eigenheime gebaut. Diese Entwicklung illustrieren auch die Zahlen der Freihandtransaktionen im Kanton Zürich: Wurden in den vergangenen Jahren bei Stockwerkeigentumswohnungen durchschnittlich 1'100 Kaufabschlüsse pro Quartal getätigt, sind es aktuell 900. Die Angebotsverknappung kombiniert mit den tiefen Zinsen dürfte bei Eigenheimen weiterhin für ein kräftiges Preiswachstum sorgen – im Kanton Zürich sogar noch etwas stärker als in der restlichen Schweiz, erwartet das Immobilien Research der Zürcher Kantonalbank.