12.12.2024, 09:19 Uhr
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Die Bankiervereinigung sieht Open Banking als Chance für den Finanzplatz Schweiz, da es den Kunden konsequent in den Mittelpunkt setzt. Für ein erfolgreiches offenes Finanzökosystem brauche es aber standardisierte Schnittstellen und das Vertrauen der Kunden.
"Open Banking wird die Bankenbranche nachhaltig beeinflussen und verändern", schreibt Richard Hess, Leiter Projekte Digitalisierung und wissenschaftlicher Mitarbeiter Wirtschaftspolitik der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg) im hauseigenen Online-Magazin "insght". Die Kooperation mittels offener und standardisierter Programmierschnittstellen (APIs) werde regelmässig als einer der wichtigsten Trends für die Banken bewertet, insbesondere im Retail Banking. "In einer Welt mit zunehmender Fragmentierung der Wertschöpfungskette und der Bedienung des Kunden über eine Vielzahl unterschiedlicher Finanzdienstleister – Banken, Fintechs, Neobanken, branchenfremde Dienstleister wie BigTechs – stellt sich daher nicht die Frage, ob sich Open Banking etablieren wird, sondern in welcher Form", so Hess.
Hess hebt die Vorteile von Open Banking sowohl für Kunden, als auch für Banken und Drittanbieter hervor: So wird beispielsweise mittels der Verknüpfung mehrerer Bankverbindungen eine Gesamtsicht auf die eigene finanzielle Situation ermöglicht. Weiter können die Kunden aus einer Vielzahl an verschiedenen Angeboten die Produkte und Dienstleistungen auswählen, die am besten ihren eigenen Bedürfnissen entsprechen, ohne dabei die Bankbeziehung jedes Mal zu wechseln.
Für Banken bietet die Kooperation mit Drittanbietern mittels standardisierter Schnittstellen wiederum Effizienzsteigerungen, zusätzliche Einkommensquellen und ein verbessertes Kundenerlebnis dank nahtlosem Übergang zwischen unterschiedlichen Angeboten. Darüber hinaus bietet Open Banking die Chance, sich als zentraler Bestandteil einer Plattformökonomie zu positionieren und dadurch neue Ertragskanäle zu erschliessen und eine grössere Kundenbasis zu erreichen.
Drittanbietern wie Fintechs bietet Open Banking schliesslich die Möglichkeit, ihre Produkte und Dienstleistungen grundsätzlich mit geringerem regulatorischem Aufwand (z.B. keine Banklizenz) an den Kunden zu bringen. Durch die Kooperation mit etablierten Finanzdienstleistern haben sie zudem Zugriff auf eine breite Kundenbasis, welche die rasche Skalierung ihres Geschäftsmodells erlaubt. Es besteht zudem die Möglichkeit, sich durch innovative Produkte direkt an der Kundenschnittstelle zwischen Bank und Kunde zu positionieren, was die Erweiterung des Produktportfolios erleichtert.
Mit der Öffnung der Schnittstellen und dem verstärkten Austausch von Daten gehen allerdings auch neue Risiken und Herausforderungen einher. Vor allem im Bereich des Datenschutzes, der Aufsicht und der Cyber Sicherheit. So stellt sich beispielsweise die Frage, wer der Eigentümer der Daten ist und damit die Kontrolle über die Daten hat. Je nach Land liegt dieses Recht vollständig beim Kunden oder mit der Einwilligung des Kunden bis zu einem gewissen Grad bei den Banken oder gar Drittanbietern. Auch die Weitergabe und der Weiterverkauf von Kundendaten an Dritte erfordert eine Einwilligung des Kunden. "Banken und die Aufsichtsbehörden müssen diesen neuen Risiken mehr Aufmerksamkeit schenken, zum Beispiel durch ein effektives Datenmanagement oder eine Registrierung der Drittanbieter", so Hess.
Der rasant steigende Austausch von Daten bietet auch eine grössere Angriffsfläche für Cyber-Angriffe – die gesammelten Daten können gestohlen oder kompromittiert werden. Neben den rechtlichen Herausforderungen gibt es daher auch technische Hürden, die noch überwunden werden müssen. Der Digitalexperte hebt hervor, dass standardisierte Schnittstellen, welche einen effizienten und sicheren Austausch von Daten ermöglichen, hierbei eine zentrale Voraussetzung seien. "Der Zeit- und Kostenaufwand für die Entwicklung und die Wartung von APIs, die von allen Akteuren akzeptiert werden, ist aber hoch, insbesondere, wenn sie auf bilateraler Basis mit mehreren Organisationen entwickelt werden", fügt er an.
Um die Entwicklung eines offenen Finanzökosystems voranzutreiben, haben internationale Finanzplätze verschiedene Massnahmen ergriffen. Diese reichen von regulatorischem Zwang bis hin zu marktwirtschaftlichen Lösungen. Am bekanntesten ist wohl die zweite Zahlungsdirektive PSD2 in Europa, welche seit Mitte Oktober 2019 produktiv angewendet wird. Diese zwingt Banken in der EU dazu, Drittanbietern unentgeltlichen Zugang zu Bankkonten zu gewähren. Diese Regulierung findet in der Schweiz als Nicht-EU-Mitglied keine Anwendung.
Die Schweiz setzt hingegen auf marktwirtschaftliche Lösungen, wie Hess weiter ausführt. Entsprechende Entwicklungen in der Schweiz gibt es demnach einige: Sowohl bei der Infrastruktur, beispielsweise die Connectivity Plattform der SIX, wie auch hinsichtlich konkreter Standardisierungsinitiativen. Neben der SIX sind dies namentlich die Common-API Initiative von SFTI (Swiss Fintech Innovations), der Swisscom Open Banking Hub und openbankingproject.ch (investrends.ch berichtete). Kernbankenprovider wie Avaloq und Finnova bauen wiederum an konkreten Marktplätzen für APIs in der Schweiz.
"Für die SBVg hat das Thema Open Banking Priorität", betont Hess. Zu diesem Zweck habe sie Mitte 2019 eine Arbeitsgruppe mit Finanzexperten ins Leben gerufen, um die erwähnten offenen Fragen rasch zu klären. Dies geschehe in offenem Dialog mit allen wichtigen Akteuren im Markt.
Die Schweizerische Bankiervereinigung definiert Open Banking als Geschäftsmodell, das auf dem standardisierten und gesicherten Austausch von Daten zwischen der Bank und anerkannten Drittanbietern basiert. Die offene Standardisierung von Schnittstellen (Application Programming Interface, kurz API) ist eine Voraussetzung, damit Banken und Drittparteien fehlerfrei und reibungslos Daten austauschen können. Internationale Standards spielen dabei eine wichtige Rolle. Mit technologischen Sicherungsmassnahmen sollen Datenvertraulichkeit und -sicherheit jederzeit gewährleisten werden. Der Anspruch an die Systemintegrität erfordert schliesslich, dass nur Drittparteien, die gewissen Qualitätskriterien entsprechen, Zugang zur Schnittstelle erhalten.