Home Bias kostet Rendite

Britische Anlegerinnen und Anleger, die vor allem in den lokalen Aktienmarkt investierten, mussten 2020 Renditeeinbussen in Kauf nehmen. (Bild: Shutterstock.com/QQ7)
Britische Anlegerinnen und Anleger, die vor allem in den lokalen Aktienmarkt investierten, mussten 2020 Renditeeinbussen in Kauf nehmen. (Bild: Shutterstock.com/QQ7)

Die Neigung von Anlegerinnen und Anlegern, hauptsächlich in inländische Anlagen zu investieren, ist für Colin Fitzgerald von Invesco rätselhaft. Denn eine Fokussierung auf den Heimmarkt bedeute ein erhöhtes Klumpenrisiko und resultiere nicht selten in Renditeeinbussen. Die Lösung liege in der Stärkung des Finanzwissens von Anlegerinnen und Anlegern.

23.11.2021, 11:40 Uhr
Finanzplätze

Redaktion: alm

Eine Anfang dieses Jahres durchgeführte Umfrage unter britischen Investoren zeigte auf, dass fast die Hälfte der befragten Anlegerinnen und Anleger mehr als 50% ihres Anlagevermögens in britischen Aktien hielt, obwohl 2020 kaum ein anderer bedeutender Aktienmarkt so schlecht abgeschnitten hat wie der britische. Eine Fokussierung auf den dortigen Markt sei deshalb eine "unglaublich eingeschränkte Sichtweise", so Colin Fitzgerald, Head of Distribution EMEA bei Invesco.

Zu den spezifischen Problemen des britischen Aktienmarktes zählt der Invesco-Manager den relativen Bedeutungsverlust der Londoner Börse, die heute nur noch 3,6% des weltweiten Aktienmarktes ausmacht, verglichen mit mehr als 10% im Jahr 2006. Darüber hinaus spiegelt die unterdurchschnittliche Wertentwicklung britischer Aktien im Jahr 2020 seiner Ansicht nach auch den Mangel an Technologieunternehmen wider: So mache der Technologiesektor weniger als 2,5% am Gesamtwert des FTSE 100 aus, verglichen mit einem Anteil von rund 30% am S&P 500. Unterdessen sei auch die Zahl der Börsengänge in London in den letzten 15 Jahren drastisch zurückgegangen. Anlegerinnen und Anlager würden deshalb "eher ein über hundert Jahre altes Unternehmen als ein dynamisches Start-up" finden.

Nicht alles auf eine Karte setzen

Das bedeute allerdings nicht, dass Anleger grundsätzlich einen Bogen um britische Aktien machen sollten, betont Fitzgerald. Tatsächlich sieht der Invesco-Manager auch an diesem Markt weiterhin viele attraktive Anlagemöglichkeiten: "Trotz der zusätzlichen Komplikation durch den Brexit zeigt die wachsende Zahl vielversprechender junger Unternehmen und der zunehmende Einfluss von Venture-Capital-Gebern, dass der Markt noch lange nicht am Ende ist. Auch könnte der britische Aktienmarkt gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis, das derzeit unter dem vergleichbarer Aktienindizes liegt, unterbewertet sein." Trotzdem verdeutlicht das britische Beispiel seines Erachtens die Gefahren einer allzu engen Fokussierung auf einen einzigen Markt und das rätselhafte Phänomen, dass viele Anleger weiterhin zögern, über ihren Heimatmarkt hinauszublicken, selbst wenn dieser über längere Zeit unterdurchschnittlich abschneidet.

Einer der Schlüssel zum Anlageerfolg liegt laut Fitzgerald darin, das grosse Ganze zu erkennen – also langfristig, thematisch und global zu denken. "Selbst wenn Ihr Heimatmarkt die stärkste Wirtschaft der Welt sein sollte, sind Sie als Anleger gut beraten, nicht alles auf eine Karte zu setzen", betont er. Schliesslich reduziere eine gute Diversifikation potenziell das Gesamtrisiko und könne helfen, längerfristig höhere Renditen zu erzielen.

In der heutigen Investmentwelt könnten Anleger aus einem riesigen globalen Anlageuniversum schöpfen und feststellen, dass es sich oft lohnt, global zu denken. "Genauso wie die Diversifikation über verschiedene Anlageklassen ist auch die regionale Diversifikation keine abstruse Theorie, sondern entspricht einfach dem gesunden Menschenverstand", so Fitzgerald.

Auch Fondsmanager sind anfällig

Wie diverse Studien zeigen, hat sich diese Erkenntnis unter den Anlegern jedoch immer noch nicht durchgesetzt. Ganz im Gegenteil zeigt sich immer wieder, wie viele Anleger ihren Heimatmarkt in den Portfolios nach wie vor überproportional gewichten. Vor fast einem Jahrzehnt veröffentlichte Studien haben sogar gezeigt, dass einige Fondsmanager genauso anfällig für den Home Bias sind wie einzelne Anleger.

Die Marktpsychologie hilft, dieses Phänomen zu erklären: Zum einen fühlen sich Anleger in der Regel wohler mit Vermögenswerten, die sie gut kennen – oder von denen sie zumindest glauben, dass sie sie gut kennen – und halten das, was vermeintlich unbekannt ist und in weiterer Ferne liegt, für riskanter. Genauso bevorzugen einige Investoren vermeintlich absehbare Ergebnisse gegenüber dem, was sie glauben, nicht abschätzen zu können. In der historischen Betrachtung ist der Home Bias auch darauf zurückzuführen, dass Anleger die Schwierigkeiten scheuten, die traditionell mit Anlagen in ausländische Aktien verbunden waren, vor allem den vermeintlichen schwierigen Zugang zu diesen Märkten und die zusätzlichen Transaktionskosten.

Für Fitzgerald verdeutlicht das Phänomen des Home Bias, wie wichtig es ist, das Finanzwissen vieler Anleger zu stärken – vor allem in einer Zeit, in der die Investmentwelt zunehmend digitalisiert und damit demokratisiert wird. "Die Investmentindustrie muss ihren Teil dazu beitragen, die Lücke zwischen dem enorm erleichterten Marktzugang für Anleger und einer immer noch weit verbreiteten Uninformiertheit zu schliessen, die dem Anlageerfolg ganz sicher nicht zuträglich ist", betont Fitzgerald.

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