02.12.2024, 09:58 Uhr
Sind Alibaba, Samsung Electronics, TSMC und Tencent noch zu stoppen? Die Gefahren der Konzentration auf die «Fab Four» in den Emerging Markets beschreibt Nick Smithie, Head of Thematic Research bei Redwheel.
«Europa steht wirtschaftlich unter Druck und muss seine Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen globalen Wirtschaftsmächten – insbesondere den USA – verbessern», heisst es im neuesten Marktausblick des CIO-Office der Zürcher Kantonalbank.
Obwohl das globale Wirtschaftswachstum auf absehbare Zeit verhalten bleiben dürfte, rechnet das CIO-Office der Zürcher Kantonalbank aktuell nicht mit einer Rezession. Gemäss ihrem Marktausblick sei 2025 in Europa und den Schwellenländern ausserhalb Chinas mit einer graduellen, anhaltenden Erholung zu rechnen. Im Reich der Mitte bleibt das Wachstum tiefer als in der Vergangenheit.
Die Inflation dürfte in den meisten Ländern stabil bleiben, was den Notenbanken Spielraum für weitere Zinssenkungen gibt. Allerdings sorgen geopolitische Spannungen, potenzielle Handelskonflikte und hohe Staatsverschuldungen für eine volatilere Preisentwicklung. Besonders die potenziell inflationäre Politik der neuen US-Regierung könnte weniger Zinssenkungen und wieder steigende Zinsniveaus zur Folge haben.
Auffallend sei: Die volkswirtschaftliche Divergenz zwischen den USA und Europa nimmt weiter zu. In den USA wächst der Privatkonsum kräftig und liegt sogar noch über dem Trend, der sich vor der Pandemie bereits abzeichnete. Ganz anders präsentiert sich die Situation in der Eurozone. Hier liegt der Privatkonsum deutlich unter dem Trend von vor der Pandemie und ist in den vergangenen beiden Jahren kaum noch gewachsen. Während die US-Privathaushalte noch weniger sparen als vor der Pandemie, ist die Sparquote in der Eurozone noch höher als sonst üblich. Trotz steigender Haushaltseinkommen und tiefer Arbeitslosigkeit bleibt die Stimmung gedrückt.
Aber auch auf Unternehmensseite zeigen sich Unterschiede: Die USA stehen laut ZKB «eher für Dynamik und Innovation», während die europäischen Unternehmen mit immer neuen Regulierungen, zunehmender Bürokratie sowie hohen Steuern und Strompreisen zu tun haben. Mit dem latenten Handelskonflikt ist der Druck auf Europa zusätzlich gestiegen. Ein Ende der strukturellen Divergenz ist für die ZKB vorerst nicht zu erwarten. Europa steht unter Zugzwang, denn seine Wettbewerbsfähigkeit steht auf dem Spiel. «Obwohl der US-Markt bereits hoch bewertet ist – im Moment ist es dennoch schwierig, bessere Anlageregionen zu finden», hält Christoph Schenk, Chief Investment Officer bei der Zürcher Kantonalbank, fest.
Die Schweiz sticht seit Jahrzehnten mit einer äusserst wettbewerbsfähigen Wirtschaft hervor, doch diese sollte nicht als selbstverständlich hingenommen werden. Als kleine, offene Volkswirtschaft konnte die Schweiz sich in einem multilateralen Umfeld gut entwickeln. Sollten sich die Marktbedingungen ändern oder die wichtigsten Handelspartner konjunkturell stark unter Druck geraten, stellt sich auch in der Schweiz die Frage nach deren Resilienz.
Während der herkömmliche Schweizer Industriesektor nach wie vor eng mit der EU und insbesondere Deutschland verflochten ist, hat die Schweiz in hochtechnologischen und zukunftsorientierten Branchen auch auf interkontinentale Beziehungen gesetzt. Die Pharmaindustrie sorgt dafür, dass die Schweiz – im Gegensatz zu den meisten anderen Industrieländern – keine Deindustrialisierung kennt. Der Wertschöpfungsanteil des verarbeitenden Gewerbes am BIP hat sich aufgrund der wachsenden Pharmaindustrie in den letzten 30 Jahren kaum verändert. Und da Pharmaprodukte nicht konjunktursensitive Güter sind, ist die Schweizer Konjunktur gegenüber den Schwankungen der Weltkonjunktur resilienter geworden.
Eine Gefahr besteht für 2025 mit «Trumponomics»: Sollten die Medikamentenpreise in den USA gedeckelt werden, wäre die Schweizer Exportindustrie davon überdurchschnittlich betroffen. Mit einem Anteil von 65 Prozent an den gesamten Exporten in die USA könnte der Pharmasektor ins Visier der US-Handelspolitik geraten. Als Gegenmassnahme könnten die vormals weit gediehenen Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit den USA wieder aufgenommen und rasch zu einem Abschluss gebracht werden. Die Schweiz könnte sich so aus der Schusslinie der US-Wirtschaftspolitik nehmen.
Neben der Pharmaindustrie als Klumpenrisiko ist für die ZKB der starke Schweizer Franken die zweite Achillesferse der Schweizer Wirtschaft. Zweifelsohne spiele der Schweizer Franken für das Wachstum der Schweizer Wirtschaft eine wichtige Rolle – aber er verliere an Bedeutung. Zum einen unterliegen innovative, hochwertige Güter wie Präzisionsinstrumente und Medikamente viel mehr dem technologischen als dem preislichen Wettbewerb. Der Export solcher Güter nimmt in der Schweiz zu, daher habe eine Frankenaufwertung nicht mehr die gleiche Bedeutung wie beim Export preissensitiver Güter. Zum anderen würden auch bei den Dienstleistungsexporten andere Faktoren als der Frankenkurs immer wichtiger. So nimmt im Tourismus der Anteil der interkontinentalen Gäste rasch zu, welche weniger preissensitiv sind als europäische Kundengruppen.
Die ZKB rechnet auch im Jahr 2025 mit einem festen Schweizer Franken. In zwölf Monaten wird ein Euro gemäss der Prognose des CIO-Office 0.91 Franken kosten und der US-Dollar wird sich nach dem aktuellen Höhenflug auf 0.87 Franken stabilisieren. Wegen der Euroschwäche stelle sich dennoch die Frage, ob die Schweizerische Nationalbank (SNB) wieder in Richtung Negativzinsen steuert. Die Inflationsraten haben sich zuletzt deutlich reduziert und die bedingte Inflationsprognose der SNB geht von einer mittelfristigen Inflation von rund 0,5 Prozent aus.
Die CIO-Experten der Zürcher Kantonalbank rechnen damit, dass die SNB ihren Leitzins im Dezember 2024 und im März 2025 um je 25 Basispunkte auf dannzumal 0,5 Prozent senken wird. Eine erneute Ära von Null- oder gar Negativzinsen sind bei der globalen wirtschaftlichen Gemengelage nicht das Basisszenario der ZKB-Experten. Dennoch seien auch zukünftig Negativzinsen nicht auszuschliessen. Sollte die US-Regierung beispielsweise die Schweiz erneut auf die Liste der Währungsmanipulatoren nehmen, würde die SNB wohl mehr Frankenstärke zulassen müssen. Dies hätte – nebst den angedrohten Zöllen – zusätzliche negative Auswirkungen auf die exportorientierten Unternehmen, was die Wahrscheinlichkeit für Null- oder Negativzinsen erhöhen würde.
Die wichtigsten Frühindikatoren für die Schweizer Konjunktur zeigen tendenziell weiterhin nach oben. Der private Konsum bleibt für die ZKB auch 2025 eine wichtige Wachstumsstütze, dank Reallohnsteigerungen und hoher Zuwanderung, auch wenn bei Letzterem das Rekordjahr 2023 nicht erreicht werde. «Die Risiken sind – wie immer – vielfältig, aber die Schweizer Wirtschaft hat sich in der Vergangenheit widerstandsfähiger als jene anderer Länder erwiesen», sagt David Marmet, Chefökonom Schweiz bei der Zürcher Kantonalbank. Trotz möglicher Störfaktoren scheine der Weg der Normalisierung – das heisst solides Wirtschaftswachstum, kontrollierte Inflation und leicht positiver Leitzins – das wahrscheinlichste Szenario für 2025 für die Schweiz.
Die Republikaner unter Donald Trump werden die US-Politik in den nächsten zwei Jahren bestimmen. Wirtschaftlich dürften sie weitgehend dem Narrativ von Trumps erster Amtszeit folgen: niedrigere Steuern, weniger Regulierung sowie harte Ansagen an die Handels- und Migrationspolitik. Wie viel davon umgesetzt wird, ist für die ZKB ungewiss, aber anders als 2016 seien Trump und seine Gefolgsleute diesmal besser vorbereitet.
Das Augenmerk der globalen Anleger liegt vor allem auf der Fiskal- und Handelspolitik der neuen US-Administration. Die Aussichten auf Steuersenkungen und einer Deregulierungswelle beflügeln den US-Aktienmarkt. Weniger Bürokratie kurbelt private Investitionen an und Investoren seien bereit für mehr disruptives Engagement der US-Administration. Das steigere somit den Vorsprung insbesondere in den zukunftsträchtigen Branchen. China hält technologisch zwar mit, aber die Immobilienkrise absorbiert Ressourcen und belastet das Vertrauen der Investoren.
Die Europäische Union hat mit 440 Millionen Konsumentinnen und Konsumenten, einem hohen Bildungsniveau sowie einer hochentwickelten demokratischen Identität beste Voraussetzungen für eine wettbewerbsfähige Volkswirtschaft. Doch das Abbröckeln der multilateralen Handelsordnung setzt dem auf Aussenhandel ausgerichteten Wachstumsmodell der EU zunehmend zu. Trumps Zolldrohungen akzentuieren die Zurückhaltung bei Anlagen auf dem alten Kontinent.
Das Timing für Trumps angebotsseitige Reflationierung der Wirtschaft ist für die ZKB allerdings «suboptimal». Ein wirtschaftlicher «Zuckerschub» werde die Inflation anheizen und die Zinssenkungspläne des Federal Reserve System (Fed) möglicherweise einschränken. Ein ausgeprägter Zinsvorteil lässt den US-Dollar erstarken. Das stellt für die USA und den Rest der Welt ein ökonomisches Risiko dar. Ein tendenziell starker US-Dollar verteuert den Welthandel und bedeutet eine erneute Straffung der Finanzierungsbedingungen in und ausserhalb der USA.
Insgesamt geht das CIO-Office der Zürcher Kantonalbank davon aus, dass Trumps Umbaupläne im Vergleich zur aktuellen Politik per Saldo erst mittelfristig zu einem schwächeren Wachstum und einer höheren Inflation führen werden. Längerfristig könnten wirtschaftsfreundliche Elemente des Umbauplans den Privatsektor weltweit stärken, was unter anderem die Produktivität der US-Wirtschaft wieder erhöhen würde. Somit bleibe das wirtschaftliche Umfeld trotz geo- und handelspolitischer Unwägbarkeiten konstruktiv für Anleger.
«Die Bewertungsniveaus an den globalen Aktienmärkten, besonders in den USA, sind allerdings hoch und die Anlageklasse steht in Konkurrenz zu den ebenfalls höheren Anleihenrenditen, was sich in einer bescheidenen Risikoprämie widerspiegelt», sagt Manuel Ferreira, Chefstratege der Zürcher Kantonalbank. Daher werde die Gewinnentwicklung der Unternehmen der Haupttreiber der Aktienperformance sein und der Markt dürfte an Breite gewinnen.
Bei den Obligationen erwarten die CIO-Experten wegen hartnäckiger Inflation und fiskalpolitischem Druck vorerst keine grossen Renditerückgänge. Zinssenkungen seien bereits in den heutigen Renditeniveaus realistisch eingepreist. Folglich werde wieder eine negative Korrelation zwischen Aktien und Obligationen erwartet, was den Diversifikationseffekt in gemischten Portfolios verbessert. Innerhalb der Anlageklassen Aktien und Obligationen sieht die ZKB insbesondere Chancen in einer zunehmenden Marktbreite der Aktienmärkte. Dabei werde die Diversifikation innerhalb der Regionen und Sektoren entscheidend sein.
Der US-Markt werde seine Wettbewerbsvorteile nicht schnell verlieren, Europa müsse «den Stimmungsschalter auf positiv stellen, um den Anschluss nicht zu verpassen». China werde punktuell fiskal- und geldpolitische Massnahmen einsetzen, aber keinen Befreiungsschlag erreichen. Bei den Obligationen favorisieren die CIO-Experten Regionen mit höheren Renditen und Überraschungspotenzial bei Zinssenkungen. Bei Schweizer Obligationen fokussieren sie auf Unternehmensanleihen mit guter Qualität. Der Schweizer Franken und der US-Dollar bleiben sichere Werte im Portfolio – zumindest zu Jahresbeginn.
Obligationenmärkte: Die Notenbanken setzen den Zinsnormalisierungszyklus behutsam fort. Trotzdem dürften die stabile Konjunktur und die Budgetdefizite der Staaten für anhaltend hohe Verfallsrenditen von Obligationen sorgen. Eine Konsolidierung des US-Staatshaushalts ist auch unter der neuen Regierung nicht zu erwarten, so dass die Kursgewinne von Staatsanleihen zumindest zu Jahresbeginn noch verhalten ausfallen dürften. Ausgeprägtere Obligationenerträge erwartet das CIO-Office der Zürcher Kantonalbank erst bei einer Eintrübung der Konjunktur.
Aktienmärkte: Die Aktienrisikoprämie bleibt dank der Zinsneutralisierung positiv, aber historisch niedrig. Solange sich die Gewinnerwartungen stabil entwickeln, werden die Anleger den niedrigen Renditepuffer relativ zum Obligationenmarkt in Kauf nehmen. Der US-Markt verteidigt seinen strukturellen Vorteil. Potenzielle Steuersenkungen und eine Deregulierungswelle bieten gute Aussichten für den US-Aktienmarkt. Insbesondere die Senkung der Unternehmenssteuern verbessert die Gewinnerwartungen der US-Unternehmen. Auch die Schwellenländer profitieren von einem höheren Gewinnwachstum, während Europa zuerst die Flaute im verarbeitenden Gewerbe überwinden muss.
Währungen: Die neue US-Regierung wird mit höheren Zöllen und tieferen Steuern assoziiert. Damit wäre tendenziell mit höheren US-Renditen, einer Verbesserung der unmittelbaren Konjunkturperspektiven der USA relativ zum Rest der Welt und generell mit einer höheren globalen Unsicherheit zu rechnen, was zunächst mit einem stärkeren Dollar einhergeht. Aus längerfristiger Perspektive ist die US-Währung allerdings hoch bewertet. Dies im Gegensatz zum japanischen Yen, bei welchem sich aufgrund der tiefen Bewertung und bei Fortsetzung der Zinsnormalisierung der Notenbanken im Zeitverlauf Chancen ergeben dürften. Ein sinkender Zinsnachteil wird auch den Schweizer Franken stützen.
Indirekte Immobilien Schweiz: Es herrscht auch im nächsten Jahr ein Nachfrageüberhang auf dem Schweizer Wohnungsmarkt. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) wird die Zinsen auf ein tiefes Niveau senken. Niedrige Erträge bei festverzinslichen Anlagealternativen, günstige Finanzierungskosten und tiefe Diskontierungsraten der künftigen Mieterträge wirken sich positiv auf Immobilienwerte aus.
Rohstoffe: Die konjunkturelle Schwäche in der Industrie wird zu Beginn des Jahres die Rohstoffnachfrage hemmen. Die Preise bei den zyklischen Rohstoffen widerspiegeln bereits eine gewisse Nachfrageschwäche. Und bei einer Erholung der Industrietätigkeit im Jahresverlauf ergeben sich auch wieder Chancen. Strukturell besteht aufgrund der Thematik rund um die Energiewende überdurchschnittliches Potenzial bei Industriemetallen.
Gold: Aufgrund der hohen Opportunitätskosten gegenüber festverzinslichen Anlagen erscheint die Bewertung von Gold als hoch. Zinssenkungen der wichtigen Notenbanken werden Gold im Jahresverlauf 2025 jedoch stützen und die Zentralbanken der Schwellenländer werden ihre Goldbestände weiter ausbauen.