14.11.2024, 15:23 Uhr
Es ist sehr gut möglich, dass sich US-Aktien unter Präsident Donald Trump sowohl gegenüber US-Staatsanleihen als auch gegenüber Aktien der Eurozone und Asien besser entwickeln. Die Gründe dafür erläutert...
«Infrastrukturinvestitionen stützen die wichtigen Megatrends und die wieder grössere Rolle eines Staates, der sich um Versorgungssicherheit bemüht, aber auch auf Protektionismus setzt», schreibt Shannon L. Saccocia, Chief Investment Officer – Private Wealth bei Neuberger Berman.
Gerade erst schrieb Erik Knutzen, CIO Multi-Asset, dass wirtschaftliche und politische Langfristentwicklungen für Anleger wichtiger seien als die Auswirkungen einzelner Wahlen oder weltpolitischer Ereignisse. Die Anleihen-CIOs Brad Tank und Ashok Bhatia erwähnten wiederum, dass das langfristige Zins- und Inflationsniveau wichtiger sei als der Weg dorthin. Er könnte alles andere als stetig sein, je nachdem, wie reaktive, datenorientierte Notenbanken die letzten Konjunkturzahlen bewerten. Das Ziel – weniger Inflation als letztes Jahr, aber wohl mehr als im Durchschnitt der letzten 20 Jahre – scheint hingegen wesentlich klarer und berechenbarer.
Doch wer auf strukturelle Entwicklungen achte, statt zu versuchen, Geschäftsklima, Zinsen und Politik zu erraten, mache es sich nicht unbedingt einfacher. Immer wieder würden neue Megatrends ausgerufen – von der Energiewende bis zur Fragmentierung des Welthandels, von der Rückkehr der Inflation bis zum Internet der Dinge. All das kratze aber nur an der Oberfläche.
«Gibt es ein übergreifendes Thema – oder besser, eine Anlagechance, die alles zusammenführt? Wir meinen, ja. Das Zauberwort heisst Infrastruktur», schreibt Shannon L. Saccocia.
Das Wort sagt es bereits: Infrastruktur ist die Voraussetzung für alle Teile der Wirtschaft: Ohne Brücken, Strassen, Tunnel, Elektrizitätsnetze, Krankenhäuser, Schulen, Datenzentren und Häfen geht nichts. Was auch immer die grossen Wirtschafts- und Anlagethemen der nächsten Generation sein werden und wie komplex sie im Einzelnen sein mögen – sie alle benötigen Infrastruktur.
Häfen und die sie tragende Logistikinfrastruktur verändern sich stark. Wenn die Grenzen undurchlässiger werden und die Zölle steigen, werden Technologien für einen effizienteren und kostengünstigeren Warenumschlag wichtiger. Und wenn Nearshoring und Friendshoring die Handelswege verändern, müssen manche Häfen und ihre Infrastruktur modernisiert werden.
Reshoring wird, wie Erik Knutzen schrieb, für immer mehr Politiker zu einem wichtigen Thema. Oft bedeutet es mehr, als nur im Inland neue Fabriken zu bauen. Neue Fabriken brauchen wiederum mehr Kraftwerke sowie Logistik- und Transportinfrastruktur, um rentabel und effizient arbeiten zu können. Und damit diese Infrastruktur auch umweltfreundlich ist, muss in die Energiewende investiert werden, in Erdgas, erneuerbare Energien und die Elektrifizierung.
Diese Beispiele zeigen, dass bei Infrastrukturinvestitionen viele Megatrends zusammenlaufen: Deglobalisierung, zunehmende (welt-)politische Risiken, die Rückverlagerung des verarbeitenden Gewerbes in die alten Industrieländer, die Energiewende und die Elektrifizierung der Wirtschaft.
Das senkt laut dem Experten die Anlagerisiken: Wenn ein Megatrend endet oder ausläuft, bleiben die anderen bestehen. Das gilt auch für einen neuen potenziellen Megatrend, den viele Aktieninvestoren im letzten Jahr verpasst haben: Künstliche Intelligenz (KI).
Wer in KI-Aktien bislang nicht übergewichtet war, könnte laut dem Chief Investment Officer von Neuberger Berman, «Trost darin finden, dass wohl auch andere Sektoren von der Künstlichen Intelligenz profitieren werden.» Für alle, die aber schon in Telekommunikationsinfrastruktur und Datenzentren investiert haben – um Themen wie Konnektivitätsfortschritte, Mobilität der nächsten Generation, Internet der Dinge, Big Data, Robotik und Automatisierung abzudecken – sei KI einfach nur ein weiterer Wachstumsfaktor.
Im Grunde schafft Infrastruktur seit 200 Jahren die Voraussetzungen für die Industriegesellschaft. Aber sie habe auch viel mit den wichtigsten Investmentthemen unserer Zeit zu tun.
Infrastrukturanlagen können defensiv sein, wenn es sich um Sachwerte mit regulierten und inflationsgeschützten Erträgen handelt. Sie können aber auch sehr wachstumsorientiert sein. Das sei etwa bei neuen und komplexen Aktiva der Fall, ohne die wichtige Megatrends nicht denkbar wären.
Vielleicht am wichtigsten könnte für den Experten aber sein, «dass Infrastruktur in all ihren Formen von einer der zentralen politischen und wirtschaftlichen Tendenzen unserer Zeit profitiert: der Rückkehr von ‘Big Government’.» Also von hohen Ausgaben und Interventionen zur Förderung von Versorgungssicherheit und Stabilität und von neuen Handelsschranken. «Damit all das der Wirtschaft nicht zu sehr schadet, sind hohe strategische Investitionen in eine neue und bessere Infrastruktur nötig, ob börsennotiert oder nicht», so das Fazit.