11.11.2024, 16:30 Uhr
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«Die Wahlen in Japan führten zu einer Pattsituation: Bisher konnte weder die bisherige Regierung noch die Opposition Mehrheiten bilden», schreibt Luca Castoldi, Senior Portfolio Manager bei REYL Intesa Sanpaolo Singapore.
Zum ersten Mal seit 2009 hat Japans Regierungskoalition, angeführt von der Liberaldemokratischen Partei (LDP) und der Komeito, keine Mehrheit im Unterhaus des Parlaments. Bei den Wahlen Ende Oktober sank die Zahl der Sitze der LDP von 279 auf 215 und damit deutlich unter die für eine Mehrheit erforderlichen 233 Sitze, was laut Castoldi «die weit verbreitete Unzufriedenheit der Öffentlichkeit mit dem Umgang der Regierung mit den jüngsten Skandalen und dem wirtschaftlichen Druck widerspiegelt.»
Die Probleme der LDP verschärften sich 2022, nachdem die Ermordung des ehemaligen Premierministers Abe Shinzo enge Verbindungen zwischen LDP-Funktionären und der umstrittenen Vereinigungskirche aufgedeckt hatte. Im Jahr 2023 kam ein Steuerskandal hinzu, der zu mehreren Anklagen gegen Parteimitglieder führte und den Ruf der Partei beschädigte.
Der neu an die Spitze der Partei berufende Premierminister Shigeru Ishiba, 67, weckte in der Öffentlichkeit zunächst Hoffnungen auf Reformen. Doch schon bald enttäuschte er die Wähler, weil er von seinen Versprechungen abrückte und sich den traditionellen Positionen der Partei anpasste. Ishibas Aufruf zu vorgezogenen Neuwahlen, mit dem er seine Unterstützung festigen wollte, ging nach hinten los: Die LDP versäumte es, sich von den in Skandale verwickelten Kandidaten zu distanzieren, was das Vertrauen der Öffentlichkeit weiter untergrub.
Die wichtigste Oppositionspartei, die Konstitutionelle Demokratische Partei (CDP) des ehemaligen Premierministers Yoshihiko Noda, gewann 148 Sitze hinzu. Sie verfügt noch nicht über eine Regierungsmehrheit. Sieben kleinere Oppositionsparteien gewannen zwar Sitze, sind aber laut Castoldi nach wie vor stark gespalten und haben keine einheitliche Haltung.
Dadurch sei ein gemeinsames Regieren unwahrscheinlich. Viele Wähler zögerten auch noch, die Opposition zu unterstützen, da sie in der Vergangenheit unter Regierungen Schwierigkeiten hatten, die nicht der LDP angehörten. War nach den Wahlen der rote Teppich für Oppositionschef Yuichiro Tamaki bereits ausgelegt, kann sich der 55-Jährige das Amt «nun ziemlich sicher abschminken»: Eine japanische Zeitung deckte nämlich auf, dass der verheiratete Tamaki eine Affäre mit einem 39-jährigen Modell hatte. «In der sonst so anständigen japanischen Kultur ist das ein fast unverzeihbarer Skandal.»
Die Wahlergebnisse haben zu einem gespaltenen Parlament geführt, so dass die Bildung einer Koalition für Stabilität notwendig sei. Die CDP prüft die Bildung einer Regierung ohne die LDP und die Komeito. Sie bräuchte aber die Unterstützung aller Oppositionsgruppen, um eine Mehrheit zu erhalten. Das sei angesichts der erheblichen politischen Differenzen eine schwierige Aufgabe, insbesondere in den Bereichen Sicherheit und Energie. Daher sei es wahrscheinlicher, dass die LDP an der Macht bleibt, wenn sie sich mit einer Oppositionsgruppe zusammentut, die eine gewisse gemeinsame politische Basis hat.
Um seine Regierung zu stabilisieren, hat Ishiba Verhandlungen mit der Demokratischen Partei für das Volk (DPP) aufgenommen. Die Gespräche zwischen der LDP und der DPP konzentrieren sich auf die Wirtschaftspolitik und andere wichtige Themen. Eine Koalition mit der DPP und den der LDP angehörenden Unabhängigen würde die Zahl der Sitze des regierenden Blocks auf 249 erhöhen und damit genügend Druckmittel bieten, um Haushaltsvorschläge zu verabschieden und ein Misstrauensvotum zu vermeiden.
Im Mittelpunkt der Koalitionsgespräche stehen die wirtschaftspolitischen Vorschläge der DPP, darunter die Aufhebung des Einfrierens der Benzinsteuer und die Erhöhung der Einkommenssteuerbefreiung zur Erleichterung der Lebenshaltungskosten. Diese Massnahmen zielen auch darauf ab, Teilzeitbeschäftigte zu ermutigen, ihre Arbeitszeit zu erhöhen, ohne steuerliche Nachteile hinnehmen zu müssen.
Diese Vorschläge bergen jedoch finanzielle Risiken. Die Anhebung der Steuerbefreiungsgrenzen könnte die Staatseinnahmen um schätzungsweise 7,6 Billionen Yen verringern, was etwa 6,5 Prozent der nationalen und lokalen Steuereinnahmen entspricht. Während zeitlich begrenzte Subventionen zur Bewältigung spezifischer wirtschaftlicher Herausforderungen beitragen könnten, führen breit angelegte Steuersenkungen zu dauerhaften Einnahmeausfällen.
Die LDP-Komeito-Koalition bevorzugt gezielte Leistungen für Haushalte mit geringem Einkommen und für Rentner als nachhaltigere Lösung. Die Erzielung eines Konsenses in diesen Fragen werde für die Stabilität der Koalition entscheidend sein.
Wenn die Koalitionsgespräche nicht bis zum 31. März zu einer Einigung über den Haushalt führen, könnte Japan ab dem 1. April mit einem «Haushaltsloch» konfrontiert sein. Bis dann muss der Haushalt für das Jahr 2025 verabschiedet sein. Obwohl Japan in der Vergangenheit Haushaltslücken immer schnell behoben hat, könnte jede Verzögerung zu einer Unterbrechung der staatlichen Dienstleistungen führen und öffentliche Kritik hervorrufen.
Ein weiteres Risiko sei ein Misstrauensvotum, das die Opposition nutzen könnte, um Ishibas Führung in Frage zu stellen. Sollte dies gelingen, könnte Ishiba gezwungen sein, das Repräsentantenhaus aufzulösen und Neuwahlen auszurufen - ein Ergebnis, das die Regierungskoalition unbedingt vermeiden möchte.
In den kommenden Monaten wird sich laut dem Experten zeigen, ob die LDP, die von der Öffentlichkeit erwartete Stabilität liefern kann oder ob ungelöste Meinungsverschiedenheiten Japan auf der Suche nach einer dauerhafteren Lösung erneut an die Urnen schicken werden. Ungeachtet dessen werde es nach diesen Ergebnissen immer schwieriger, eine der wichtigsten Säulen des «optimistischen Japan» zu verteidigen - Japans Ruf für politische Kontinuität.
Die Zustimmungswerte für Ishibas Regierung liegen nur knapp über 30 Prozent. Aber Umfragen deuteten darauf hin, dass eine Mehrheit der Öffentlichkeit der Meinung ist, dass er Premierminister bleiben sollte. Analysten haben Bedenken geäussert, dass mögliche neue US-Zölle auf chinesische und japanische Waren unter Donald Trump die Inflation anheizen könnten. In dieser Situation müsse auch die Bank of Japan angesichts der innen- und aussenpolitischen Probleme höchstwahrscheinlich an der Seitenlinie bleiben.