14.11.2024, 15:23 Uhr
Es ist sehr gut möglich, dass sich US-Aktien unter Präsident Donald Trump sowohl gegenüber US-Staatsanleihen als auch gegenüber Aktien der Eurozone und Asien besser entwickeln. Die Gründe dafür erläutert...
«Im Hochsommer lässt man es meist langsamer angehen. Man will loslassen und neue Kräfte sammeln. Mit etwas Glück bleiben die Märkte ruhig und lassen das zu. Angesichts der allgegenwärtigen Unsicherheit und der immer schwierigeren Weltlage fällt Entspannung dieses Jahr aber nicht leicht», schreibt Joseph V. Amato, CIO Equities bei Neuberger Berman.
Nach dem plötzlichen Volatilitätsanstieg vor zwei Wochen haben sich die Aktienmärkte zwar wieder beruhigt. Dennoch rechnet Neuberger Berman bis zu den US-Präsidentschaftswahlen im November «mit weiterem Auf und Ab». Die Kriege im Nahen Osten und der Ukraine könnten eskalieren und für Unruhe am Energiemarkt sorgen. Die Risikoprämien von Aktien könnten steigen, zumindest kurzfristig.
Andererseits scheint die niedrigere Inflation der Fed weitere Argumente für eine Zinssenkung Mitte September zu liefern. Wenn die US-Notenbank auf Kurs bleibt und die Zinsen senkt, sollten Anleger ihre niedrig verzinslichen Geldmarktanlagen vielleicht in ertragreichere Titel umschichten.
Anfang August stieg die Volatilität kräftig. Nach der lange erwarteten Zinserhöhung in Japan und dem schwachen US-Arbeitsmarktbericht wickelten Anleger in grossem Umfang Carry Trades ab. Sie hatten sich Yen geliehen, um US-Aktien zu kaufen. Internationale Aktien fielen kräftig – auch die Magnificent 7, deren Höhenflug lange keine Grenzen zu kennen schien. Der VIX legte deutlich zu.
«Schnell wiesen meine Kollegen Robert Surgent und Shannon Saccocia darauf hin, dass die US-Konjunktur zwar nachlassen könne, sich an den ordentlichen Fundamentaldaten der USA aber kaum etwas geändert habe. Tatsächlich dürften die Zweitquartalsgewinne der S&P-500-Unternehmen um fast 11 Prozent zum Vorjahr steigen, wobei die grossen Technologieaktien noch immer vorn liegen, schreibt Amato Auch der Konsum ist alles in allem stabil, wie die hohen Einzelhandelsumsätze im Juli zeigen. Und ein genauerer Blick auf den jüngsten US-Arbeitsmarktbericht zeigt, dass die Schwäche vor allem vorübergehenden Entlassungen und nicht strukturellem Stellenabbau geschuldet ist.
Was sich also erst wie ein echter Sturm anfühlte, erwies sich bald als laues Lüftchen: So war der VIX wieder unter 20 gefallen und lag nur noch knapp über seinem Langfristdurchschnitt. Der S&P 500 hatte seine Verluste vollständig wieder wettgemacht. Nur der Nikkei 225 lag noch immer unter seinem Höchststand vom Juli.
Der NFIB Small Business Optimism Index – der Unternehmen abbildet, die immerhin die Hälfte der US-Arbeitsplätze stellen – ist letzten Monat gestiegen und hat die Erwartungen übertroffen. Das ist nicht zu unterschätzen, haben doch gerade kleinere Unternehmen unter den höheren Zinsen und den strafferen Finanzbedingungen gelitten. Ausserdem legten die Verbraucherpreise nur um 2,9 Prozent zu, was eine Zinssenkung im September wahrscheinlicher mache und wohl auch dem Aktienmarkt helfe.
«Allerdings zeigt sich gerade wieder aufs Neue, wie gefährlich die Welt ist. Da überrascht es, dass die Märke kaum auf die jüngsten Eskalationen reagiert haben», schreibt Amato. Der Krieg zwischen Israel und der Hamas, mittlerweile in seinem zehnten Monat, könne sich nach ausweiten. Gerade erst haben israelische Kommandos Hamas-Anführer in Gaza und dem Iran und einen Hisbollah-Kommandeur in Beirut getötet. Im August hat Fitch wie zuvor bereits S&P und Moody’s Israels Länderrating herabgestuft. «Wir meinen, dass der Konflikt im Gazastreifen mindestens bis 2025 dauern kann und eine Ausweitung mit neuen Fronten möglich ist», schrieb die Agentur Fitch.
Der jüngste Vormarsch der Ukraine auf russisches Territorium zeigt, wie hart der blutige Krieg, der Anfang 2022 begann, noch immer geführt wird. «Von Friedensverhandlungen sind wir weiter entfernt denn je», schreibt Amato., «trotz des enormen menschlichen Leids glauben wir, dass sich die wirtschaftlichen Folgen beider Kriege im Wesentlichen auf die Energiemärkte beschränken werden. Bei einer weiteren Eskalation, ob in der Ukraine oder im Nahen Osten, könnten die Benzinpreise steigen. Zinssenkungen der Fed würden dann unwahrscheinlicher.»
Anleger tun laut Amato gut daran, sich in den nächsten Wochen nicht allein mit der amerikanischen Innenpolitik zu befassen. Weltpolitische und wirtschaftliche Entwicklungen seien nicht minder wichtig. Eine unsichere Weltlage und der Regierungswechsel in den USA könnten die Risikoprämien von Aktien steigen lassen, zumal der Markt noch immer verunsichert ist.
«Wir glauben aber auch, dass Anleger, die während der massiven Straffung der US-Geldpolitik grosse Geldmarktpositionen gehalten haben, jetzt neu nachdenken sollten. Die Kurzfristzinsen fallen. Nach dem jüngsten Ausverkauf scheinen vor allem japanische Aktien eine langfristig attraktive Alternative», so das Fazit.