Wie sollte das Portfolio vor den US-Wahlen aufgestellt sein?

Nadège Dufossé, Global Head of Multi-Asset bei Candriam. (Bild pd)
Nadège Dufossé, Global Head of Multi-Asset bei Candriam. (Bild pd)

Am 5. November ist es so weit: Amerika wählt einen neuen Präsidenten. Je nachdem, wer am Ende ins Weisse Haus einzieht und wie die Sitzverteilung im Kongress aussieht, müssen Anleger auf unterschiedliche Szenarien vorbereitet sein. Hier erläutert Nadège Dufossé, Global Head of Multi-Asset und Member of the Executive Committee bei Candriam, wie sich Anlegerinnen und Anleger am besten auf die unterschiedlichen Ausgänge einstellen.

17.10.2024, 10:11 Uhr
Aktien | Anlagestrategie

Im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen werden zwar zahlreiche Statistiken über die Entwicklung der Finanzmärkte veröffentlicht, doch diese Wahlen finden nicht oft genug statt, um statistisch aussagekräftige Daten zu erhalten. «Normalerweise nimmt die Volatilität im Sommer vor den Wahlen deutlich zu. In der Regel lassen die Sorgen nach der Wahl allerdings wieder nach und die Versprechen des neuen Präsidenten können sogar eine Jahresendrallye auslösen», heisst es bei Candriam.

Auch die diesjährige Wahl sei hier keine Ausnahme. Seit der Nominierung von Kamala Harris als Kandidatin der Demokraten sei der Ausgang der US-Präsidentschaftswahlen alles andere als gewiss. Die Gesellschaft ist zunehmend gespalten: Demokraten und Republikaner streiten sich um Kernthemen wie die Einwanderungs-, Steuer- und Wirtschaftspolitik sowie die Regulierung in Bereichen wie beispielsweise Umwelt und Künstliche Intelligenz. Das heisst, die US-Wählerinnen und Wähler müssen nun zwischen zwei grundverschiedenen Programmen entscheiden. Und auch Anleger stehen vor der Frage: «Sollten sie sich in ihren Portfolios stark positionieren oder weiterhin auf gute Fundamentaldaten bei gleichzeitiger Absicherung vor Extremszenarien setzen?»

Günstiges Verhältnis zwischen Wachstum und Inflation

Die Federal Reserve (Fed) hat den Leitzins im September um 50 Basispunkte gesenkt und damit nicht nur das Rezessionsrisiko gedrückt, sondern «auch das Momentum aller risikobehafteten Vermögenswerte angefacht – und damit verdeutlicht, dass statt der Inflation nun Wachstum sowie Beschäftigung im Mittelpunkt ihrer Überlegungen stehen». Im Gegenzug haben die chinesischen Behörden ein koordiniertes geld- und fiskalpolitisches Konjunkturprogramm aufgelegt, das von einer Rekapitalisierung der sechs wichtigsten Geschäftsbanken sowie von direkten Stützungsmassnahmen für die Immobilien- und Aktienmärkte begleitet wird.

Insgesamt bieten laut Dufossé die proaktiven Massnahmen der Zentralbanken, die sich an einem neuen Zyklus der geldpolitischen Lockerung beteiligen, die Aussicht auf ein günstigeres Verhältnis zwischen Wachstum und Inflation. Natürlich seien nicht alle Risiken damit vom Tisch. Der US-Wahlkampf dürfte sich in den kommenden Wochen noch intensivieren. Auch würden die chinesischen Konjunkturmassnahmen die strukturellen Probleme des Landes nicht lösen. Dennoch hat Candriam das Engagement in chinesischen und Schwellenländer-Aktien in den ausgewogenen Portfolios vorübergehend erhöht. Gleichzeitig gewichtet der Vermögensverwalter Aktien generell über und bleibt in europäischen Anleihen mit langer Duration investiert. «Vorerst sollten Anleger sich an den sich verbessernden Fundamentaldaten orientieren. Dabei dürfen sie nicht vergessen, sich vor den wirtschaftlichen und politischen Auswirkungen der US-Präsidentschaftswahlen zu schützen», so das Fazit.

Höhere Zölle, höhere Inflation

Ein Sieg der Republikaner bei der Präsidentschaft und im Kongress wäre das «beunruhigendste Szenario» bei der aktuellen Positionierung Candriams. Gerade die Pläne für strengere Einwanderungsbeschränkungen und die Androhung höherer Zölle – zehn Prozent auf alle Importe, mit 60 Prozent auf Waren aus China sind im Gespräch – wirkten sich doppelt auf die Inflation aus und seien daher günstig für die US-Zinsen und den US-Dollar. Allerdings würde sich ein solches Szenario negativ auf das Wachstum in den von Einfuhrbeschränkungen betroffenen Ländern auswirken, weshalb es als nachteilig für den Rest der Welt gilt.

Sollten US-Aktien also weiterhin übergewichtet werden? Die Einführung von Zöllen benachteiligt nicht nur Amerikas Handelspartner, sondern auch bestimmte US-amerikanische Unternehmen, deren Margen unter einem Anstieg der Beschaffungskosten leiden würden. Die Verlängerung des «Tax Cuts and Jobs Act», der mit einem Unternehmenssteuersatz von 21 Prozent einhergeht, wird hingegen als positiv für Firmen aus den USA angesehen, insbesondere für die Nebenwerte des inländischen Segments.

Eine vollständige Umsetzung der republikanischen Programme würde sich insgesamt negativ auf das Wachstum in den USA sowie weltweit auswirken. Die Fed würde infolgedessen erneut in eine schwierige Lage gebracht, da die Inflation wieder steigen wird. Angesichts höherer Zinsen und Abwärtskorrekturen beim Wirtschaftswachstum sehe dieses extreme und relativ unwahrscheinliche Szenario weder für Aktien noch für Anleihen gut aus. Der Rest der Welt wäre wahrscheinlich noch stärker benachteiligt als die USA selbst.

Mittelweg möglich

Eine republikanische Präsidentschaft und ein gespaltener Kongress würden einen Mittelweg darstellen, bei dem das Wachstum gegenüber dem derzeitigen Szenario mehr oder weniger unverändert bliebe, aber die langfristigen Zinssätze höher wären und die Geldpolitik unter dem Druck der wiederauflebenden Inflation weniger locker wäre. In diesem Szenario wird der internationale Handel erneut Präsident Trumps favorisiertes Thema sein. Für US-Aktien wäre dies wahrscheinlich positiver als für den Rest der Welt, da Unternehmen von den verlängerten Steuersenkungen profitieren. Ein solcher republikanischer Wahlsieg würde die Inflationserwartungen sofort in die Höhe treiben. In Anbetracht des starken Rückgangs der Zinssätze für US-Staatsanleihen im letzten Sommer sollten Anleger bei der US-Duration vorsichtig sein und stattdessen inflationsgebundene US-Anleihen kaufen. In diesem Fall würde Candriam zudem «das starke Engagement in Schwellenländern und die Positionen in Europa überprüfen.»

Betrachte man die Sektoren, sei Punkt vier der republikanischen Agenda relevant: «Machen wir Amerika zum mit Abstand führenden Energieproduzenten der Welt!». Die US-Öl- und Gasproduktion soll gesteigert werden, was die Preise einem Abwärtsrisiko aussetzt. Ebenso könnten Investitionen im Zusammenhang mit dem «Inflation Reduction Act» abgeschafft werden und so Elektrofahrzeuge sowie die Produzenten sauberer Energie benachteiligen.

Einfacher Sieg der Demokraten bedeutet Beständigkeit

Ein Sieg Kamala Harris‘ mit gespaltenem Kongress sollte kaum Überraschungen für Anleger bereithalten, denn ihre Politik in den Bereichen Einwanderung und internationaler Handel deckt sich mit der der aktuellen Regierung. Daher scheint dieses Szenario laut Dufossé auch für den Rest der Welt vorteilhafter zu sein. Aus innenpolitischer Sicht geht es bei dieser Wahl jedoch um Steuern. Einige der Massnahmen, die auf der Agenda der Demokraten stehen, könnten sich negativ auf US-Aktien auswirken: Das Ende des «Tax Cuts and Jobs Act» geht mit einer Erhöhung des Unternehmenssteuersatzes von 21 auf 28 Prozent einher, sowie einer höheren Steuer auf Aktienrückkäufe. Die von Kamala Harris vorgeschlagenen Massnahmen zielen auf die Unterstützung der Mittel- und Arbeiterklasse ab. Dazu gehören eine Verlängerung der Steuersenkungen für Einkommen unter 400 000 US-Dollar, eine Verlängerung der Steuergutschrift für Kinder und Unterstützung für Erstkäufer von Eigenheimen.

Die Wirtschaft dürfte sich wie erwartet verlangsamen, genauso wie die Inflation, und die Fed dürfte ihre geplanten geldpolitischen Lockerungen weiter fortsetzen. Eine solche «sanfte Landung» sei für die USA, aber auch den Rest der Welt, ausgewogener, wirke sich einigermassen positiv auf alle risikoreichen Anlagen aus. Die genauen Massnahmen im Bereich Umwelt sind noch nicht bekannt, aber ein Sieg der Demokraten gilt grundsätzlich als positiver für die «Grünen Energien».

Extremszenarien beim doppelten Sieg der Demokraten

Ein vollständiger Sieg der Demokraten stellt gemäss der Expertin ein steuerliches Risiko für US-Unternehmen dar und würde vom dortigen Markt negativ aufgenommen werden, insbesondere für inländische Unternehmen. «Kleine und mittlere Unternehmen wären stärker von diesen Problemen betroffen.»

Für den Fall eines knappen demokratischen Präsidentschaftssiegs ohne Kongressmehrheit besteht auch die Gefahr, dass Donald Trump und seine Anhänger das Ergebnis anfechten. Die folgende politische und soziale Instabilität, auch wenn sie nur vorübergehend ist, würde die Finanzmärkte am stärksten belasten und die Volatilität stark steigen lassen. «In diesem Fall wäre eine optionale Absicherung die beste Möglichkeit für den Schutz eines Portfolios, bis Stabilität und Regierungsfähigkeit wiederhergestellt sind.»

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