Stärkere, aber risikoreichere Wirtschaftsentwicklung

Jeremy Lawson, Chief Economist bei Standard Life Investments.
Jeremy Lawson, Chief Economist bei Standard Life Investments.

Chefökonom Jeremy Lawson von Standard Life Investments denkt, dass 2017 eine leichte Abschwächung im Kredit- und Wirtschaftswachstum wahrscheinlich ist, aber in den Wertpapiermarktpreisen nicht berücksichtigt ist.

23.01.2017, 14:03 Uhr

Redaktion: jog

Was für ein Unterschied ein Jahr ausmachen kann. Vor Jahresfrist zeigten die Finanzmärkte nach der Entscheidung der amerikanischen Notenbank (Fed), ihren Leitzinssatz von der Nullgrenze anzuheben, Anzeichen von Stress. Jetzt haben die Finanzmärkte wenig Probleme damit, die zweite Zinserhöhung der Fed zu verarbeiten. Wie ist die unterschiedliche Stimmung an den Märkten zu erklären? Der dominierende Faktor ist der Zustand der Weltwirtschaft. Vor Jahresfrist hat sich die globale Aktivität verlangsamt, während sie aktuell zulegt und sich auch in einem stärkeren Wachstum der Unternehmensgewinne niederschlägt. Auch die Breite der Verbesserung beeindruckt die Anleger. Von den 20 grossen Volkswirtschaften, deren Entwicklung Standard Life Investments verfolgt, hatten 14 einen höheren Stand des Einkaufsmanagerindex der Fertigungsbranche als im Dezember 2015, so auch die Schweiz. Auch die Deflationsängste sind zusammen mit der Erholung der Rohstoffpreise und dem Anstieg der Inflationsraten gesunken. Mit Ausnahme des Angriffs auf den mexikanischen Peso haben die Marktteilnehmer bisher das Potenzial gering eingeschätzt, dass die Handelspolitik der neuen Trump-Regierung das globale Wachstum negativ beeinflusst. Stattdessen haben sich die Marktteilnehmer auf die Vorteile einer möglichen Unternehmenssteuerreform und einer lockereren US-Fiskalpolitik konzentriert. Ebenfalls scheinen sie weniger Bedenken hinsichtlich der Nachhaltigkeit des chinesischen Wachstums zu haben. Dies auch ausgehend von der Entscheidung der Behörden im vergangenen Jahr, auf durch Kredite- und Investitionen induziertes Wachstum zu setzen.

Aber Anleger sollten vorsichtig und nicht selbstzufrieden sein. Trotz der Wahrnehmung, dass die Industriestaaten den globalen Produktionszyklus führen, waren es tatsächlich die Schwellenländer, die den jüngsten Zyklus angeführt haben, zum Teil dank der Unterstützungsmassnahmen Chinas. In der Tat stiegen die umfangreichsten Massnahmen zur Steigerung der Kreditvergabe in China im Jahr 2016 um nahezu 20% und waren damit nicht weit weg von der Zeit nach der globalen Finanzkrise. Mindestens eine leichte Abschwächung im Kredit-und Wirtschaftswachstum ist 2017 wahrscheinlich, aber in den Wertpapiermarktpreisen nicht berücksichtigt. Dasselbe gilt für Trumps "America First"-Wachstumsstrategie, deren negative Auswirkungen auf die globale Produktivität und die Unternehmensmargen von den Marktteilnehmern wahrscheinlich unterschätzt werden. Das bringt uns in eine ungewöhnliche Ausgangslage: Auf der einen Seite deuten die jüngsten, starken Daten darauf hin, dass Risiken bestehen, dass die globalen Wachstumsprognosen von Standard Life Investment für das Jahr 2017 zu tief liegen. Auf der anderen Seite ist auch das Risiko vorhanden, dass das Wachstum niedriger ausfällt. Die ersten 100 Tage von Trump im Amt und die Frühjahreszahlen zu den chinesischen Krediten werden zeigen, welche Kraft die Oberhand gewinnt.

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