12.12.2024, 12:27 Uhr
«Privatmarktanlagen bieten nach wie vor Potenzial für höhere Renditen und Erträge, eine grössere Widerstandsfähigkeit des Portfolios und einen differenzierten Zugang zu den wichtigsten globalen Megathemen. 2025...
Im rasanten technologischen Fortschritt einerseits und dem wachsenden Populismus anderseits ortet Keith Wade von Schroders zwei disruptive Trends, die das Jahrzehnt beeinflussen werden. Wade geht der Frage nach, ob Corona diese beiden Entwicklungen gestärkt oder gebremst hat.
Die weltweiten Wirtschaftsaussichten haben sich trotz anhaltender Infektionszahlen verbessert. Keith Wade, Chefökonom bei Schroders, sieht dafür drei Schlüsselfaktoren: Wirksame Impfstoff, ausserordentliche staatliche Hilfsprogramme und bessere Ausrichtung der Volkswirtschaften auf die Online-Arbeit. Im Mittelpunkt standen unlängst nach der Zulassung der Vakzine und der anlaufenden Impfkampagnen die Staatsausgaben. Das Konjunkturpaket von US-Präsident Joe Biden über 1,9 Bio. USD führte zu einer wesentlichen Heraufstufung der Wachstumsprognosen in den USA. Die überbordenden Auswirkungen seien für die Weltwirtschaft nachfragefördernd.
Dem dritten Faktor, der Ausrichtung auf die Online-Arbeit, widmete man nach Ansicht Wades in der jüngsten Konjunkturerholung weniger Aufmerksamkeit. Dieser Faktor werde langfristig betrachtet von grösserer Bedeutung sein. Betriebe jeder Art hatten die Gelegenheit, mit unterschiedlichen Arbeitsmethoden – gezwungenermassen – zu experimentieren. Und viele Firmen haben sich auf die virusbedingten Betriebsbeschränkungen eingestellt. Der generelle Stand der Konjunktur lege darüber Beweis ab: Im ersten Lockdown brach das Bruttoinlandprodukt (BIP) ein, beim zweiten waren die Rückgänge weitaus geringer. Während der ersten Schliessungswelle traf es vorwiegend die schwächsten Betriebe, während die stärkeren überlebt haben.
Ein wesentlicher Motivationsschub, sich auf neue Umstände einzustellen, war der verstärkte Einsatz der Technologie für die Heimarbeit. Damit Unternehmen während des Lockdowns in der Wirtschaft weiter tätig sein konnten, mussten sie digital arbeiten. Das Tempo der Investitionspläne musste deshalb entsprechend angepasst werden. Trotz des konjunkturellen Abschwungs erhöhten sich die Investitionen in IT und Ausrüstung. Damit einher ging der sprunghafte Zuwachs der Online-Umsätze. Laptops und Headsets standen beispielsweise hoch im Kurs. In Grossbritannien entfällt laut Wade mittlerweile ein Drittel der Umsätze auf Online-Käufe.
Wie der Chefökonom erläutert, erhöhte sich durch diese Entwicklung die Leistung pro Mitarbeiterin und Mitarbeiter. Die zahlenmässige Verbesserung gehe jedoch weitgehend auf Darwins Selektionsprozess zurück. Der Leistungsmix der Wirtschaft habe sich von arbeitsintensiven Services hin zu produktiveren Sektoren entwickelt.
Entscheidend dabei sei, ob die Ökonomie dies mittelfristig aushalten könne. Die Pandemie habe quasi disruptiv eine intensivere Nutzung der Technologie ausgelöst und die Betriebe zu einer gesteigerten Produktivität gezwungen. "Die durch Corona ausgelöste Rezession hat momentan wohl erstmals zu einer Produktivitätssteigerung seit über 60 Jahren geführt", sagt Wade.
Dieser Mixeffekt dürfte sich mit der Wiederbelebung des Dienstleistungssektors etwas umkehren. Die künftig vermehrte Anwendung der Technologie werde mittelfristig wahrscheinlich eine Produktivitätsverbesserung mit sich bringen.
Die Nachteile von Corona seien einerseits Entlassungen und andererseits Betriebsschliessungen. Es gebe allerdings viele Unternehmen, die während der Pandemie neue Arbeitsmethoden und -weisen ausprobiert haben. "Die gestiegenen Kapitalausgaben von Unternehmen bilden einen auffallenden Gegensatz zur weltweiten Finanzkrise. Damals belasteten die reduzierten Investitionen ein potenzielles Produktivitätswachstum", erklärt der Experte weiter.
Wichtig sei, dass die Produktivität mit der Wiederbeschleunigung der Wirtschaft besser sei. Dies sollte man zudem im Zusammenhang mit Künstlicher Intelligenz (KI) und Robotik sehen, denn hiervon profitieren Bereiche des Dienstleistungssektors. Die seit Langem herbeigesehnten Vorteile des erhöhten Einsatzes der Technologie im Hinblick auf die Produktivität könnten somit sichtbar werden. Dies würde ausserdem eine Trendwende gegenüber dem vergangenen Jahrzehnt darstellen.
Es besteht nach Einschätzung von Keith Wade die Gefahr, dass die Technologie das Streben der Politiker erschweren könnte, gegen die gesellschaftliche Ungleichheit anzukämpfen. Denn eines ist seiner Ansicht nach gewiss: Die vierte industrielle Revolution wird Arbeitsplätze wegrationalisieren. "Aus der Geschichte wissen wir, dass soziale Unruhen nach einer Pandemie zunehmen und einen fruchtbaren Boden für eine populistischere Politik schaffen», so der Chefökonom.
Die verbesserte Konjunkturlage sollte den Unterschied zwischen Reich und Arm verringern. Die ungleiche Einkommens- und Vermögensverteilung habe während der Pandemie zweifelsohne zugenommen. Verspüre die Bevölkerung, dass die Gewinne der Volkswirtschaft nicht geteilt werden, breite sich Unzufriedenheit aus. Somit setze die Suche nach politischen Alternativlösungen ein. Bei Corona habe sich diese Tendenz bisher noch nicht bewahrheitet. Die Bevölkerung scheine in Krisenzeiten eher Kompetenz und Stabilität zu schätzen.
Sobald die Pandemie in den Hintergrund rücken wird, steigt nach Ansicht des Schroders-Experten die Gefahr von Unruhen. Ehe wir zu dem Fazit kommen, der Populismus sei eine weitere Folge der Pandemie, sollten wir uns im Klaren sein, dass diese Ereignisse über einen langen Zeitraum geschehen, so Wade.
Der Populismus habe möglicherweise eine andere Gestalt angenommen. Die neue US-Regierung habe die Bekämpfung der gesellschaftlichen Ungleichheit ganz oben auf die Agenda gesetzt. Die US-Finanzministerin Janet Yellen wurde zur Weisheit des amerikanischen Rettungsschirms und zum Risiko der Konjunkturüberhitzung befragt. In ihrer Antwort betonte sie, wie wichtig es sei, Vollbeschäftigung so schnell wie möglich zu erreichen. Nur so liesse sich gewährleisten, eine dauerhafte Benachteiligung der Bevölkerung aufgrund der Pandemie zu bekämpfen.
Diese Themen finden auch andernorts Anklang, allen voran in Europa. Hier haben die Staaten stark in die Volkswirtschaft eingegriffen, und die Fiskalpolitik spielt eine Schlüsselrolle bei der Stützung der Nachfrage. Entscheidungsträger*innen sollten nach Ansicht von Wade vorsichtig sein, denn Geringverdiener*innen waren von den wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie überproportional betroffen. Das Problem werde darin bestehen, inwieweit Politiker*innen gegen die Missstände der gesellschaftlichen Ungleichheit vorgehen und der wachsenden Forderung nach höheren Haushaltsausgaben für andere Bereiche wie Gesundheit und Klimaschutz nachkommen.