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Weichenstellung nutzen statt Trübsal blasen

Bild: Pixabay
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Anfang 2020 treten die lange debattierten Gesetzeswerke FIDLEG und FINIG in Kraft. Damit wird vor allem der Anlegerschutz gestärkt. Für die Finanzinstitute heisst das, die Prozesse im Umgang mit ihren Kunden anzupassen und ihre Geschäftsmodelle zu hinterfragen.

13.02.2019, 10:39 Uhr
Regulierung | Finanzplätze

Redaktion: rem

Ursprünglich sollte das Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG) im Hinblick auf den Marktzugang von Schweizer Finanzinstituten in die EU-Länder möglichst die Anforderungen eines gleichwertigen Gesetzes zur europäischen Richtlinie MiFID II erfüllen. Jetzt regelt das FIDLEG, das Anfang 2020 in Kraft treten wird, den Anlegerschutz in verschiedenen Punkten weniger streng und detailliert als MiFID II. Parallel dazu regelt das Finanzinstitutsgesetz (FINIG) die tatsächlich vorgenommene, gewerbsmässige Tätigkeit der Finanzinstitute, wobei Banken und Versicherungen nach wie vor über die Spezialgesetzgebung reguliert werden.

Mikrostruktur der Schweizer Finanzbranche berücksichtigt
Nebst dem Kundenschutz, der auf die Kundenrechte und die Rechtsdurchsetzung sowie die Qualität und Transparenz der Finanzdienstleistungen abzielt, geht es auch darum, die Funktionsfähigkeit des Finanzmarktes sicherzustellen und die Attraktivität des Finanzplatzes zu erhöhen. Für die Schweiz stand beim Gesetzgebungsprozess besonders die Schaffung eines Level Playing Fields für alle Finanzinstitute und damit die Berücksichtigung der Mikrostruktur der Schweizer Branche und die Verhinderung einer regulatorischen Arbitrage im Zentrum.

Die in der Finanzbranche und insbesondere bei unabhängigen Vermögensverwaltungsfirmen sehr umstrittene ursprüngliche Vorlage des FIDLEG wurde in einem jahrelangen Hin und Her im politischen Prozess auf die hiesigen Bedüfnisse der heterogenen Marktteilnehmer zurechtgestutzt und im Juni 2018 vom Parlament verabschiedet. Bis zum 6. Februar 2019 lief noch ein Vernehmlassungsverfahren zu drei Verordnungen.

Freiere Ausgestaltung in der Schweiz
"Die Ausgestaltung des Anlegerschutz-Gesetzes ist in der Schweiz in der Tat viel freier als in der EU", sagt Marco Chinni, CEO von Primecoach, einer unabhängigen Beratungsfirma mit Fokus auf die Finanzindustrie. Er ist der Meinung, dass der Anlegerschutzzweck aber auch beim FIDLEG durchaus erfüllt sei. Es gebe bezüglich der Gesetzgebung in der Finanzbranche eine diametral entgegengesetzte Geisteshaltung zwischen der Schweiz und der EU. "In der EU geht man in Bezug auf Anlagegeschäfte von nicht-mündigen Bürgern aus, während in der Schweiz die Haltung grundsätzlich viel liberaler ist", bemerkt Chinni.

Die Anerkennung des FIDLEG als gleichwertig zu MiFID II und der EU-Marktzugang hänge davon ab, wie wohlgesonnen Brüssel gegenüber der Schweiz sei, meint der Experte. Aber solange das Rahmenabkommen zwischen der Schweiz und der EU nicht stehe, sei der Marktzugang ohnehin kein Thema.

Die Frage der Aufsicht
Im Zusammenhang mit der geforderten Äquivalenz zu MiFID II war unter anderem die Anerkennung der Schweizer Aufsicht und insbesondere die Selbstregulierung der unabhängigen Vermögensverwalter (UVV) ein Knackpunkt, denn Selbstregulierungsorganisationen in der Finanzbranche kennt man im Ausland nicht. Das FINIG fordert nun den Anschluss der UVV an eine Aufsichtsorganisation und die Ombudsstelle. Hier soll ein "verlängerter Arm" der Finanzmarktaufsicht (Finma) die prudentielle Aufsicht der UVV sicherstellen. Allerdings ist eine solche Organisation noch nicht bestimmt. Naheliegend ist, dass bestehende Selbstregulierungsorganisationen wie VQF und/oder VSV diese Rolle übernehmen könnten.

Weitere Unterschiede des FIDLEG zu MiFID II finden sich unter anderem bei vorvertraglichen Pflichten, Warnpflichten, Informationspflichten, bei der Kundensegmentierung (opting-in/opting out Privatkunde/professioneller Kunde) sowie bei Retrozessionen, welche in der EU im Rahmen von Vermögensverwaltungsaufträgen verboten sind.

Für Finanzinstitute und Vermögensverwalter, die ausländische Kunden haben, empfiehlt der Experte, die MiFID II-Richtlinie zum Massstab zu nehmen. Dies auch wegen des Lugano-Abkommens, das den EU-Kunden von Schweizer Finanzinstituten das Recht gibt, vor Gerichten in ihrem Heimatland zu klagen. Sodann würde ein Fall nach dem Heimrecht (also MiFID II) beurteilt werden.

Geschäftsmodelle hinterfragen
Jetzt geht es darum, dass sich die betroffenen Marktteilnehmer auf die Einführung des FIDLEG und des FINIG konzentrieren und sich dafür fit machen wenn sie es noch nicht sind. Chinni betonte an einem Anlass von Primecoach Anfang Februar in Zürich die positiven Auswirkungen, welche das FIDLEG und das FINIG auf die Arbeit der Finanzinstitute, unabhängigen Vermögensverwalter und Asset Manager haben werde. Er erklärte den Besuchern gemäss dem Veranstaltungstitel nichts weniger, als "Warum Sie FIDLEG und FINIG lieben sollten".

Seine These, was die neuen Gesetzeswerke bewirken werden: Die Finanzinstitute werden Ihre Kunden besser kennenlernen; sie werden ihre Produkte und Dienstleistungen besser planen und gezielter investieren; die Dokumentation wird sich wesentlich verbessern und die Kunden werden besser informiert sein. Dies alles führe dazu, dass FIDLEG und FINIG eine Firma als Institution verbessere und erfolgreich mache. "Es drängt sich für die Finanzinstitute zum jetzigen Zeitpunkt auf, die zunehmend uniformierteren Geschäftsmodelle kritisch zu hinterfragen, die Eigenständigkeit auszubauen und sich weiter zu differenzieren", empfiehlt Chinni.

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