Auf Engpässe vorbereitet sein: Liquiditätsrisiken bergen vor allem nicht-kotierte Titel. (Shutterstock.com/grafisphos)
Wer zweidimensional denkt und nur auf Ertrag und Volatilität achtet, kann wichtige Anlagerisiken übersehen. Davor warnen Peter von Lehe, Head of Investment Solutions and Strategy, und Stephen Smith, Head of Insurance Analytics, des US-Asset Managers Neuberger Berman. Sie zeigen auf, wie man Liquiditätsrisiken in der Anlagestrategie berücksichtigt.
21.12.2022, 16:42 Uhr
Redaktion: hf
Die Finanzpresse berichtete in letzter Zeit viel über Schwierigkeiten von Investoren, die sich nur für Ertrag und Volatilität interessieren, aber die Marktliquidität ignorieren. Problematisch war das vor allem bei oft illiquiden nicht-kotierten Anlagen. Ihre mangelnde Liquidität kann leicht zu einer bösen Überraschung werden, obwohl sich das verhindern liesse.
In den 1880ern schrieb der englische Lehrer Edwin Abbott die satirische Erzählung "Flatland", zu Deutsch "flaches Land". Darin haben alle maximal zwei Dimensionen. Das gilt auch für den Erzähler, oder genauer: für das Quadrat. In einem Traum verschlägt es das Quadrat ins eindimensionale "Lineland" – Linienland –, wo alles eine Linie ist. Das Quadrat kann die Bewohner nicht davon überzeugen, dass es mehr ist als vier Striche.
Die Sicht erweitern
Aber auch das Quadrat hat eine beschränkte Sicht. Als die Kugel aus dem dreidimensionalen "Spaceland" – Raumland – zu Gast ist, hält das Quadrat sie für eine Scheibe. Eine dritte Dimension kann sich das Quadrat nicht vorstellen.
Nicht viel anders dürfte es vielen Investorinnen und Investoren ergehen, schreiben Peter von Lehe und Stephen Smith in den jüngsten "Weekly Perspectives" von Neuberger Berman. Wenn die Anleger es gewohnt sind, an liquiden Märkten zu investieren, würden sie illiquide Anlagen nicht immer vollständig erfassen, erklären die beiden.
"In der Welt dieser Anleger ist Risiko gleichbedeutend mit der annualisierten Volatilität des Marktwerts", kritisieren sie. Auch bei nicht-kotierten Titeln – von denen man sich meist erst nach mehreren Jahren wieder trennt und die einmal pro Quartal bewertet werden, allerdings nicht vom Markt – bestimmten sie eine annualisierte Volatilität, damit es ins Schema passt.
"Volatilität ist nicht der passende Indikator"
"Meist ermitteln sie dann eine höhere Volatilität als bei vergleichbaren liquiden Papieren. Dadurch kommen nicht börsennotierte Anlagen in der Asset-Allokation mitunter zu kurz, zum Nachteil der Investoren", fahren vo Lehe und Smith fort.
Die beiden Finanzspezialisten halten die Volatilität daher auch nicht für den passenden Indikator für illiquide Titel. Viel wichtiger scheint ihnen die vierteljährliche Bewertung und vor allem der erwartete Verkaufserlös.
Zudem lenke der Versuch, eine rechnerische Volatilität zu bestimmen, oft von den wahren Risiken ab. "Die wichtigsten Risiken nicht-börsennotierter Titel sind das Liquiditäts- und das Rückzahlungsrisiko, das heisst die Schwierigkeit eines Verkaufs, wenn man sein Geld braucht, und die Unsicherheit über den Rückfluss beim planmässigen Ende des Investitionszeitraums", führen sie aus.
So wie das Quadrat das Wesen der Kugel nicht erfasst, verkenne ein klassischer Risiko-Ertrags-Optimierer das Wesen einer nicht-kotierten Anlage.
Um der Versuchung von "Flatland" zu widerstehen, "muss die Asset-Allokation die Liquidität und das Verbindlichkeitenprofil des Anlegers berücksichtigen", betonen von Lehe und Smith: "So lässt sich das Risiko berechnen, dass die Barmittel am Ende nicht reichen – sei es, weil die Anlage zwar werthaltig, aber illiquide ist, oder weil sie liquide ist, aber zu wenig zurückgezahlt wird.".
Nehmen wir an, eine Anlegerin oder ein Anleger legt heute 100 Euro beiseite und braucht in zehn Jahren 200 Euro, nennen sie ein Beispiel. Sinnvoll könnte in diesem Fall ein Investment mit mehr als 10% Jahresertrag bei einer durchschnittlichen Volatilität von jährlich 6% sein. "Und doch halten wir eine solche zweidimensionale Sicht für unvollständig", warnen sie.
Ergänzt wird das Beispiel um die zweite Dimension, die Volatilität, um Extremrisiken, um das Risiko hoher Verluste. Bei einem ungewöhnlich starken Verlust könnte der jährliche Durchschnittsertrag unter 10% fallen, sodass am Ende weniger als 200 Euro übrigbleiben. Mit welcher Wahrscheinlichkeit kann die Anlegerin oder der Anleger damit leben? Diese Frage müsse man zu Beginn beantworten können.
Die dritte Dimension nicht verpassen
Dann nehmen von Lehe und Smith eine dritte Dimension hinzu, die Liquidität. Durch Diversifikation lässt sich das Verlustrisiko zwar auf ein akzeptables Niveau senken, allerdings mitunter zulasten der Ertragserwartungen. Mit illiquiden Anlagen kann man den erwarteten Ertrag zwar wieder auf das gewünschte Niveau steigern, und das ohne zusätzliche Volatilitäts- und Extremrisiken. Man müsse aber das Liquiditätsrisiko beachten. Wie wahrscheinlich ist es, dass man sein Geld vor Ablauf der zehn Jahre braucht? ist dazu die entscheidende Frage.
Der Abschied aus dem zweidimensionalen Flatland fällt schwer, "aber die Mühe lohnt sich", geben die Anlageexperten von Neuberger Berman zu bedenken. Sonst ergeht es ihnen wie dem Quadrat, das der Besuch der Kugel ratlos zurücklässt. "Wenn ein Fonds seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen kann", erklären sie, "erfüllt er auch sein Anlageziel nicht. Umso wichtiger ist eine vollständige Analyse aller Risiken."
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