"Das Ende der Welt steht womöglich doch noch nicht bevor"

Axel Botte, Global Strategist, Ostrum AM
Axel Botte, Global Strategist, Ostrum AM

Nachdem die Börsen rund um den Globus ihre höchsten Tagesverluste und die schwärzeste Serie ihrer jüngeren Geschichte verzeichnet haben, macht sich weltweit eine wahre Psychose breit. Axel Botte, Global Strategist bei Ostrum AM gibt dabei zu bedenken, dass die Menschheit seit über einem Jahrhundert mit der Grippe lebt.

17.03.2020, 14:33 Uhr

Redaktion: cwe

Gefangen zwischen der totalen Quarantäne der Volkswirtschaften und einer immer wilder um sich greifenden Epidemie verkaufen die Anleger, was das Depot hergibt. Die angeordneten Einschränkungen des öffentlichen Lebens bewirken eine Vollbremsung der Wirtschaftstätigkeit, das Austrocknen der Kreditquellen und ein jähes Abreissen der Produktionskette. In Mitleidenschaft gezogen wird natürlich auch der Konsum. Die (2019 so gefürchtete) globale Rezession dürfte somit für das erste Quartal, wenn nicht das erste Halbjahr 2020 Realität werden, schreibt Axel Botte, Global Strategist bei Ostrum AM, in einem Kommentar.

Zugleich hat Saudi-Arabien in einem überraschenden, für die auf Energierohstoffimporte angewiesenen Länder jedoch hilfreichen Schritt mit der Steigerung seiner Förderung auf bis zu zwölf Millionen Barrel pro Tag den Barrelpreis um über 25 % absacken lassen. Mit diesem Gegenschock greifen die Ölscheichs den strauchelnden Volkswirtschaften unter die Arme, die nun ihre Produktionskosten senken können.

"In ihrer seismografischen Funktion nehmen die Märkte derzeit also die Auswirkungen des Coronavirus auf die Realwirtschaft voraus, die wir noch vor uns haben", meint Botte. Der Einschlag wird auf makro- wie auf mikroökonomischer Ebene spürbar sein. Noch ist es gemäss Botte zu früh für eine verlässliche Prognose dazu, wie stark der für das laufende Geschäftsjahr bereits antizipierte Gewinnrückgang je Aktie ausfallen wird.

Die Zentralbanken sind mit ihrem Versprechen einer geldpolitischen Schockdämpfung ebenfalls zur Hilfe geeilt. Mit verschiedenen Instrumenten (Leitzinssenkungen der Fed und der BoE, Stützung des Kreditflusses und Liquiditätsspritzen seitens der BCE) haben die wichtigsten Währungshüter beschlossen, die viruskranke Wirtschaft künstlich zu beatmen.

Die Regierungen (Italien, Grossbritannien, Frankreich) haben angekündigt, der Konjunktur wieder auf die Beine zu helfen und den besonders hart getroffenen Sektoren (wie unter anderem dem Einzelhandel, den KMU und dem Tourismus) Unterstützung zukommen zu lassen. Aktuell setzt jedes Land auf das Prinzip der grösstmöglichen gesundheitlichen Vorsicht. Und dies ist verständlich, wenngleich sich sowohl die Anzahl der weltweiten Infektionen als auch die Sterberate im Vergleich zu anderen Viren, Krankheiten oder Risiken des modernen Lebens (wie die Umweltverschmutzung oder Verkehrsunfälle) als sehr niedrig erweisen.

"Ohne in Optimismus zu verfallen, sollte man im Auge behalten, dass das Ende der Welt womöglich doch noch nicht bevorsteht," sagt Botte, "obwohl mangelndes Wissen über die Verbreitung und Mutationen des Virus die Panik verstärken, darf man nicht vergessen, dass die Menschheit seit über einem Jahrhundert mit der Grippe lebt. Sobald die gesundheitliche Situation unter Kontrolle ist, wird die Weltwirtschaft wieder zulegen." Nicht zu unterschätzen sind hingegen die langfristigen Schäden und Änderungen der gesellschaftlichen Verhaltensweisen, zu denen diese weltweite Gesundheitskrise führen könnte.

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