Werbung

Indiens „Goldlöckchen-Moment“

Avinash Vazirani, Fondsmanager des Jupiter India Select SICAV bei Jupiter Asset Management
Avinash Vazirani, Fondsmanager des Jupiter India Select SICAV bei Jupiter Asset Management

Eine stabile Regierung, ein entschlossener Premierminister und die anziehende Konjunktur können sich noch als bestes Rezept für indische Aktien erweisen, meint Avinash Vazirani, Fondsmanager bei Jupiter. Fallende Ölpreise eingerechnet, scheinen Indiens Unternehmen auf einen „Goldlöckchen-Moment“ zugunsten der Wachstumsperspektiven des Landes zu schauen – ohne Gefahr von konjunktureller Überhitzung oder scharfer Abschwächung. Sprich nicht zu heiss, nicht zu kalt, genau richtig.

27.10.2014, 14:40 Uhr

Redaktion: dab

Vor fünf Monaten erlebte Indien einen seltenen Glücksfall: Nach endlosen Streitigkeiten und Lähmungskrisen, die durch die ständigen Koalitionsregierungen verursacht wurden, hat der durchschlagende Wahlsieg für Narendra Modis Bharatiya Janata Party im vergangenen Mai zur Bildung der ersten Parlamentsmehrheit durch eine einzige Partei seit 1984 geführt. Für Anleger besteht der Zusatzbonus darin, dass die indische Bevölkerung seit der Unabhängigkeit des Landes 1947 die erste wirtschaftsfreundliche Mitte-Rechts-Regierung mit absoluter Mehrheit gewählt hat.

Indiens Bürokraten spüren den Druck
Mit der Rückenstärkung seiner Regierungspartei konnte Premierminister Modi entscheidende Massnahmen zur Bekämpfung von Missständen ergreifen, die seit Jahren das Wirtschaftswachstum in Indien hemmen. Modi hat richtig erkannt, dass die Schwäche seines Landes nicht etwa von einem Mangel an Reformen, sondern von mangelnder Reformumsetzung herrührt. Viel zu viele Projekte gehen dabei in Indiens weitläufigem Bürokratielabyrinth schlicht unter. Massnahmen zur Verbesserung der Genehmigungsprozesse haben bislang den Weg für 176 Projekte im Wert von 104 Milliarden US-Dollar frei gemacht – ein Segen für die indische Wirtschaft.

In einem weiteren durchgreifenden Schritt hat Modi die Einführung eines elektronischen Überwachungssystems abgesegnet, mit dem die Arbeitszeiteinhaltung der Regierungsangestellten kontrolliert werden soll. Indiens Beamte gelten in der breiten Bevölkerung gemeinhin als arbeitsscheu. Doch jetzt können sich die Inder über eine spezielle Website ein genaues Echtzeit-Bild davon machen, wie viele Staatsdiener tatsächlich gerade an ihrem Schreibtisch sitzen. Das System wurde wegen der einzuführenden biometrischen Personalausweise entwickelt und ist derart ausgefeilt, dass Benutzer die Anwesenheitsmoral von jedem einzelnen Regierungsangestellten genau nachverfolgen können. Bis zu 100.000 Zentralregierungsbeamte werden schliesslich an diesem Programm teilnehmen, von dem wir die Unternehmen in Indien am Ende profitieren sehen, da es eine Beschleunigung der bürokratischen Abläufe verspricht.

Schützenhilfe seitens der Wirtschaft
Modis vielversprechender Start wurde durch einen Aufschwung der indischen Wirtschaft begünstigt. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat kürzlich seine diesjährige BIP-Prognose für Indien von 5,4 Prozent auf 5,6 Prozent angehoben und sagt weiter eine Wachstumsbeschleunigung auf 6,4 Prozent im Jahr 2015 voraus. Die Inflation, die die Vorgängerregierung nicht zu bändigen wusste, ist jetzt endlich rückläufig. Sie dürfte unserer Ansicht nach schneller fallen als von Analysten erwartet und so den Weg für eine deutliche Zinssenkung ebnen. Bereits nächstes Jahr könnte sich die indische Notenbank in einer positiven Situation befinden, die es ihr erlaubt, ihren Leitzins um bis zu 200 Basispunkte gegenüber dem aktuellen Niveau von 8 Prozent zurückzunehmen.

Auch der jüngste Verfall der Ölpreise könnte sich, sofern er nachhaltig ist, als extrem nützlich für Indiens Wirtschaft erweisen. Die Bruttoeinfuhren von Öl machen 36 Prozent der indischen Gesamtimporte aus. Dabei zeigen Analysen, dass jede Rohölverbilligung um 10 Prozent bis zu 0,25 Prozent zum BIP-Wachstum beisteuern und gleichzeitig das Haushalts- und Leistungsbilanzdefizit des Landes um 0,2 Prozent bzw. 0,5 Prozent mindern könnte. Für die zu erwartende Zinsentwicklung ist noch wichtig, dass ein solcher Preisrückgang bei Öl zudem zu einem Rückgang der Inflation um 0,8 bis 1,0 Prozent beitragen könnte. Da die Rohölnotierungen von ihrem Höchststand Mitte Juni mittlerweile fast 25 Prozent eingebüsst haben, ist der Effekt eindeutig.

Kein Rückzieher bei Reformen
Damit der Aufschwung in Indien von Dauer ist, muss Modi eine Reihe von Reformen, wie etwa die Einführung einer Waren- und Dienstleistungssteuer, durchsetzen – und dies lieber heute als morgen. Unterdessen sind wir zuversichtlich, dass die jetzt vorgenommenen Änderungen am Planungsprozess des Landes ein solides Fundament für die Realisierung einiger der versprochenen Infrastruktur-Grossprojekte schaffen werden. Dazu zählen die Errichtung spezieller Fracht- und Industriekorridore sowie der Bau von 100 neuen zukunftsfähigen Städten („Smart Cities“).

Wir sehen die indische Wirtschaft derzeit in der ungewöhnlichen Situation, dass sie sich in allen Sektoren gut entwickelt. Die Exportwirtschaft – egal ob IT-Dienstleistungen oder Fertigerzeugnisse – profitiert weiter vom kräftigen Wertverlust der Rupie im vergangenen Jahr. Beim Binnenkonsum zeichnet sich eine positive Trendwende ab, nachdem der Absatz von Autos und Zweirad-Fahrzeugen in den letzten zwei Monaten deutlich angezogen hat. Einige der grossen Infrastrukturprojekte, die wegen der Wahlen auf Eis gelegt wurden, sind noch nicht wieder im Gang. Wir sind jedoch überzeugt, dass sich dies bald ändern wird. Zu unseren Sektorfavoriten zählen aktuell Finanz- und Konsumgüterwerte sowie in geringerem Masse auch Technologieaktien. Der indische Aktienmarkt als Ganzes dürfte kurzfristig Auftrieb durch das erneute Interesse der einheimischen Anleger erhalten, da Gold wegen seines Wertverlusts und Immobilien im Zuge des nachlassenden Hauspreiswachstums an Reiz verloren haben.

Obwohl wir die Aussichten für indische Aktien weiterhin positiv beurteilen, ist das Land keineswegs immun gegen die globalen Markttrends. Die indische Wirtschaft unterscheidet sich in ihrer Struktur zwar ausreichend von anderen aufstrebenden Ländern wie China, Russland oder Brasilien, um wirtschaftliche Ansteckungsgefahren abfedern zu können. Sollten die Anleger jedoch plötzlich aus irgendeinem Grund mit den globalen Schwellenmärkten nicht mehr zufrieden sein und deshalb ihr Kapital aus dem Sektor abziehen, ist kaum damit zu rechnen, dass indische Aktien verschont bleiben.

Alle Artikel anzeigen

Diese Website verwendet Cookies, um Ihnen eine bestmögliche Nutzung zu ermöglichen. Mit der Annahme der Cookies bestätigen Sie, dass Sie ein professioneller Anleger mit Sitz in der Schweiz sind.> Datenschutzerklärung