18.12.2024, 08:38 Uhr
Raiffeisen-Schweiz-Chef Heinz Huber nimmt bereits zum Jahreswechsel seinen Hut. Ab Juli soll er Präsident der Graubündner Kantonalbank (GKB) werden.
Adrian Schneider, Leiter Investment Center bei der Graubündner Kantonalbank, spricht im Interview über ESG-Kriterien und die Kundenbedürfnisse im Bereich Nachhaltigkeit.
ESG spielt eine zunehmend grössere Rolle im Anlageuniversum. Wie erleben Sie das Interesse an Anlagemöglichkeiten und das Fachwissen auf der Kundenseite?
Adrian Schneider: Wir sehen vor allem eine steigende Nachfrage von institutionellen Kunden wie z.B. Pensionskassen. Diese fordern immer stärker den Einbezug von Nachhaltigkeitskriterien. So hat beispielsweise das Thema "Carbon Footprint" (CO2-Fussabdruck) in den letzten Monaten deutlich an Wichtigkeit gewonnen. Insgesamt kommt dem institutionellen Markt eine Vorreiterrolle zu, doch das Thema gewinnt auch bei Privatanlegern an Bedeutung. Wir sehen ein steigendes Interesse an nachhaltigen Anlagelösungen und Kompetenz im Bereich des nachhaltigen Anlegens. Eine kürzlich publizierte Studie der Hochschule Luzern zeigt, dass nachhaltige Anlagefonds im letzten Jahr deutliche Mittelzuflüsse verzeichnen konnten - obwohl der Markt insgesamt geschrumpft ist (investrends.ch berichtete).
Wie positioniert sich die Graubündner Kantonalbank (GKB) beim Thema nachhaltiges Anlegen?
Die GKB geht hier keine Kompromisse ein. Aus Überzeugung implementieren wir den Nachhaltigkeitsansatz in allen Anlagelösungen. Dies bedeutet, dass sowohl die von der GKB verwalteten Aktien- und Obligationenfonds als auch Anlageberatung und Vermögensverwaltungslösungen nachhaltig verwaltet werden. In den Vermögensverwaltungslösungen investieren wir zudem in thematische nachhaltige Anlagen. Wir positionieren uns somit klar und empfehlen unseren Kunden ab 2020 nur noch Anlagen, die gewissen Nachhaltigkeitskriterien entsprechen.
Welche Chancen sieht die GKB in Bezug auf nachhaltige Anlagen für das eigene Geschäft und den Finanzplatz Schweiz?
Beim Thema Nachhaltigkeit möchten wir den gesellschaftlichen Wandel mit unserem Angebot an Anlagelösungen berücksichtigen. Durch direkten Einfluss auf Anbieter von Fondslösungen, die wir in der Vermögensverwaltung und in der Anlageberatung einsetzen, leisten wir einen aktiven Beitrag zur Förderung der Nachhaltigkeit in der Finanzindustrie. Wir wollen eine aktive Rolle in der Gestaltung des Themas einnehmen, z.B. über die Mitgliedschaft in unterschiedlichen Organisationen. Wir sehen auch Chancen für die GKB, denn nachhaltige Anlagen sind eindeutig auf dem Vormarsch und ein Kundenbedürfnis, das wir adressieren möchten.
Was fordern Ihre Kunden in Sachen ESG und wie weit sind Sie bereit, ESG-Faktoren in ihrem Portfolio zu berücksichtigen?
Institutionelle Kunden fordern vor allem Transparenz über gewisse Geschäftstätigkeiten und wollen bestimmte Bereiche gänzlich ausschliessen. Hier ist zum Beispiel der Ausschluss von Unternehmen, die kontroverse Waffen herstellen, zu nennen. Der GKB Ansatz geht jedoch deutlich weiter. Nebst reinen Ausschlüssen setzen wir auch auf "Best in Class"-Ansätze. Ein wichtiger Treiber ist zudem die Integration in unsere eigenen Selektionsmodelle, beispielsweise für die Aktienselektion. Dort werden wir zukünftig die Attraktivität einer Unternehmung auch mittels ESG-Faktoren beurteilen. Wir sehen besonders im Bereich einer guten Corporate Governance, also dem G-Faktor, einen positiven Zusammenhang mit der Entwicklung von Unternehmen. Haben Kunden eigene oder noch weitergehende Anforderungen, können wir diese in individuellen Lösungen berücksichtigen.
Welche verschiedenen Ansätze gibt es?
Eine globale, allgemein gültige Definition der verschiedenen Ansätze ist nur vage vorhanden. Es gibt jedoch eine Vorstellung von Ansätzen, die sich inhaltlich ähnlich ist. In der Schweiz spricht man insbesondere von folgenden fünf Ansätzen:
1. Einerseits werden über "Ausschlusskriterien" umstrittene Branchen und Produkte aus dem Anlageuniversum ausgeschlossen.
2. Beim "Best in Class"-Ansatz geht es darum, die besten Unternehmen einer Branche aus Nachhaltigkeitssicht auszuwählen.
3. Die "ESG Integration" fokussiert sich darauf, die Kriterien Environment/Umwelt, Social/Soziales und Governance/Unternehmensführung in die Auswahl von Anlagen einzubeziehen.
4. Die "Aktive Stimmrechtsausübung" bezeichnet die Stimmabgabe nach Nachhaltigkeitsrichtlinien.
5. Mittels "Impact Investing" wird in bestimmte Themen investiert, die eine positive Wirkung erzielen.
Bei der GKB setzen wir auf eine Kombination dieser fünf Ansätze, um einen möglichst umfassenden und robusten Nachhaltigkeitsansatz anzuwenden.
Worauf gilt es beim nachhaltigen Investieren besonders zu achten?
Das ist stark abhängig von der persönlichen Situation des Anlegers und dessen Wertvorstellungen. Wir legen den Fokus auf jene Faktoren, welche empirisch gesehen einen Mehrwert schaffen können. Unser Ziel ist es, verantwortungsbewusst eine gute Performance zu erzielen.
Welche Kriterien sind bei der Auswahl des Produkts wichtig?
In einem ersten Schritt gilt es zu definieren, ob der Kunde oder die Kundin das Vermögen durch die GKB nachhaltig verwalten lassen möchte oder ob die eigenen Vorstellungen im Rahmen einer Anlageberatung umgesetzt werden sollen. Die Anlagelösungen, die wir in der Vermögensverwaltung einsetzen oder unseren Kunden empfehlen, werden nach einem systematischen Titelselektionsprozess ausgewählt. Auf diese Weise sind die sorgfältige Auswahl sowie eine regelmässige Überprüfung gewährleistet.
Wie funktioniert die nachhaltige Anlagestrategie bei der GKB?
Der Nachhaltigkeitsansatz der GKB kombiniert folgende fünf Ansätze: "Ausschlusskriterien", "Best in Class", "ESG Integration", "Stimmrechtsausübung" und "Thematisches Investieren". Am besten kann man unseren Ansatz anhand der eigenen Aktien- und Obligationenfonds beschreiben. Dort schliessen wir im Anlageuniversum Unternehmen, die kontroverse Waffen herstellen, vollumfänglich aus. Weiter gelten prozentuale Schwellenwerte für Unternehmen, die einen Umsatzanteil mit Waffen (5%), Tabak (5%), Kohle (5%) und Atomenergie (20%) erzielen (wertebasierte Ausschlüsse). Verstossen Unternehmen gegen geltende UN-Konventionen oder Normen (bspw. Menschenrechte, Korruption usw.), werden Investitionen temporär vermieden, bis das Unternehmen wieder im Einklang mit den internationalen Standards und Normen ist (normenbasierte Ausschlüsse).
Das Ziel der Titelselektion besteht zudem darin, Unternehmen mit besseren ESG-Ratings zu bevorzugen. Ausserdem üben wir über unsere Fondsleitung (Zürcher Kantonalbank) die Stimmrechte nach ESG konformen Richtlinien aus. Bei Drittfonds, die wir in unserer Vermögensverwaltung einsetzen, verlangen wir einen ähnlichen Prozess. Dieser wird regelmässig überprüft. Ausserdem setzen wir uns bei Drittfondsanbietern verstärkt für nachhaltige Anlagelösungen ein.
Welchen Mehrwert bieten nachhaltige Anlagen für Kunden?
Wir sind überzeugt, dass verantwortungsbewusstes Anlegen die Chance auf eine bessere Performance hat. Dazu kommt die emotionale Rendite. Das heisst, die Kunden wissen, dass keine Investitionen in schädliche Geschäftsfelder fliessen. Durch die Berücksichtigung von ESG-Kriterien bei der Selektion von Finanzanlagen können sogenannte ESG-Risiken ausgeschlossen und somit Verluste vermieden werden. Es gibt hier unterschiedliche Fallstudien, wie z.B. die Öl-Katastrophe von BP, welche für Anleger zu hohen Verlusten geführt hat. Durch den Fokus auf nachhaltige Unternehmen können diese Verluste vermieden werden.
Welchen Einfluss hat die Berücksichtigung von ESG-Faktoren auf die Rendite?
Wir gehen davon aus, dass der Einfluss über einen Zyklus positiv sein wird. Den Einbezug von ESG-Faktoren sehen wir jedoch wie erwähnt auch als Risikomanagement-Instrument. Wer möchte denn schon in ein Unternehmen investiert sein, dessen Geschäftsmodell nicht zukunftsfähig ist?