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Wie sich die Regulierung von Chinas Tech-Riesen auswirkt

Freude bei Computerspielen: Ja. Aber wenn in China der Regierung die Zügel zu entgleiten drohen, schreitet sie ein. (Bild: Shutterstock.com/aslysun)
Freude bei Computerspielen: Ja. Aber wenn in China der Regierung die Zügel zu entgleiten drohen, schreitet sie ein. (Bild: Shutterstock.com/aslysun)

China will sich verstärkt auf nachhaltiges Wachstum und soziale Gerechtigkeit konzentrieren. Dafür setzt die Staatsführung auf eine immer strengere Regulierung von Unternehmen. Derzeit bekommen das laut Hagen Ernst von DJE Kapital vor allem die inzwischen sehr dominant gewordenen Technologiekonzerne zu spüren.

07.09.2021, 17:36 Uhr

Redaktion: alm

Bereits im November letzten Jahres hatte die Regulierung im chinesischen Fintech-Segment für Aufsehen gesorgt, als eine neue staatliche Massnahme zur Wahrung der Finanzstabilität in Kraft trat. Sie verlangt höhere Einlagen bei Kreditvergaben – mindestens 30% Eigenkaptal – auch bei Kleinstkrediten, was generell das Wachstum im Kreditgeschäft bremst.

Ant Financial, der Finanzarm des E-Commerce-Riesen Alibaba, hatte bis dato grosszügig Kredite vergeben. Die Risiken trugen jedoch die Partnerbanken. Mit der Regulierung musste der bereits angekündigte Börsengang von Ant kurzfristig abgesagt werden.

Daraufhin geriet auch der Mutterkonzern unter Druck und konnte sich seitdem nicht wieder richtig erholen. Das war der Anfang einer mittlerweile breiten Korrektur der zuvor hoch im Kurs stehenden chinesischen Internetwerte.

Legen Alibaba und Tencent Ökosysteme zusammen?

"Übermächtig gewordene IT-Konzerne wie Tencent und Alibaba sollen durch Regulierung geschwächt und der Wettbewerb gefördert werden. Dabei scheut die chinesische Regierung auch nicht vor drastischen Massnahmen zurück", kommentiert Hagen Ernst, stellvertretender Leiter Research & Portfoliomanagement bei DJE Kapital.

Tencent hält mit seiner Kommunikationsplattform WeChat das Monopol in diesem Segment, und die grösste heimische IT-Firmengruppe Alibaba verfügt über einen Marktanteil von über 50% im Onlinehandel.

Im Zuge der Interventionen wurden Alibaba exklusive Partnerschaften mit Einzelhändlern untersagt, und dem Musik-Streaming-Anbieter Tencent Music (60% Marktanteil) exklusive Musikrechte ohne Kompensation entzogen. Auch die Fusion der Tencent-Beteiligungen Douyu und Huya, die zusammen den Markt für Spiele-Streamingdienste mit einem Marktanteil von 70% dominiert hätten, wurde untersagt.

Die Konzerne Tencent und Alibaba haben jüngst reagiert, indem sie ihre "geschlossenen Ökosysteme" nun gegenseitig öffnen wollen. So könnte WeChat Pay auf Alibabas E-Commerce-Marktplätzen Taobao und Tmall eingeführt – und im Gegenzug Alibaba-E-Commerce-Listings auf der WeChat-App gezeigt werden.

Mehr Datenschutz und -hoheit

Wie in den USA und Europa soll auch in China der Datenschutz zukünftig wichtiger, das Sammeln und Auswerten von Daten dagegen restriktiver werden. Zudem will Chinas Führung die volle Kontrolle über alle Daten, die in den Unternehmen gesammelt werden.

"Daher sieht die chinesische Regierung vor allem Börsengänge chinesischer Firmen im Ausland – besonders in den USA – sehr kritisch. Man hat Angst, dass chinesische Daten abgegriffen werden könnten, und will daher die Datenspeicherung im Ausland erschweren bzw. verhindern", so Ernst.

Jüngstes Beispiel ist der Fahrdienstleister Didi, auf den 80% Marktanteil in China entfallen: Kurz nach dem Börsengang in den USA sperrte man die Didi-App für Neukunden, angeblich aus Sicherheitsgründen. Um ein Exempel zu statuieren, kündigten die chinesischen Regulierungsbehörden dem Unternehmen zudem harte Strafen an.

Die Geldstrafe könnte noch höher ausfallen als die jüngst wegen Wettbewerbsverstössen gegen Alibaba verhängte Rekordsumme von rund 2,4 Mrd. USD. Damit wäre ein Grossteil der Einnahmen aus dem Börsengang verloren. Auch WeChat war zuletzt aus Datenschutzgründen eine Zeit lang für Neukunden gesperrt – ist aber inzwischen wieder geöffnet.

Faire Löhne für Essenslieferanten

Soziale Gerechtigkeit und Gemeinwohl: Diesen übergeordneten Zielen will die chinesische Regierung wieder mehr Geltung verschaffen. Die Regulierungen zielen daher darauf ab, die enormen Profite einzelner Konzerne einzudämmen und wenn möglich zu resozialisieren, so dass auch die breite Gesellschaft daran teilhat. So wurde Meituan, der Platzhirsch unter den Online-Essenslieferdiensten in China, dazu aufgefordert, seine Fahrerinnen und Fahrer besser zu vergüten.

Meituan muss ab sofort wenigstens den Mindestlohn bezahlen. "Die Meituan-Aktie gab daraufhin stark nach – im Grunde übertrieben, denn als Marktführer dürfte Meituan die gestiegenen Auslieferungskosten relativ einfach an die Kunden weitergeben können", erklärt der Experte.

Aber nicht nur in China wird dieses Segment zunehmend reguliert: Erst Anfang August befand das oberste Gericht des US-Bundesstaates Kalifornien, dass die Fahrdienstleister Uber und Lyft ihren Fahrern künftig Mindestlohn bezahlen und sie anstellen müssten, statt sie als unabhängige Subunternehmer für sich arbeiten zu lassen.

Nachhilfe – nur noch gemeinnützig

Eine neue Dimension an Regulierungsschärfe erreichte die chinesische Regierung mit ihrer jüngsten Ankündigung zum sogenannten "Edu"-Markt: Nachhilfe- und Fortbildungen für Kinder zwischen Kindergarten und der neunten Schulklasse dürfen nur noch gemeinnützig und nicht mehr profitorientiert angeboten werden.

Damit lösten sich die bis dato erfolgreichen Geschäftsmodelle der chinesischen Bildungsanbieter, darunter die TAL Education Group, Gaotu Techedu oder New Oriental Education, quasi in Rauch auf.

Diese Ankündigung veranlasste ausländische Investoren, chinesische Technologiewerte abzustossen: Mehr als 16 Mrd. USD an Marktkapitalisierung wurden allein bei Education-Aktien ausradiert. Wahrscheinlich hatte niemand derartige Eingriffe auf der Agenda, die zur Verstaatlichung einer ganzen Industrie führen.

Spieleindustrie: Bannmeilen für "geistiges Opium"

Auch die Spieleindustrie, von der chinesischen Regierung ohnehin nur widerwillig toleriert, ist erneut in den Fokus der Regulierung geraten. Die Unternehmen dieses Segments erlebten bereits 2018, dass die Behörden monatelang keine neuen Spiele mehr genehmigten.

Nun übte die Staatsführung wieder harsche Kritik an Computerspielen, diese seien "geistiges Opium" und hätten negative Folgen für Verhalten und Bildung von Kindern. Zukünftig soll vor allem der Zugang von Minderjährigen stärker reguliert werden.

Führende Spieleanbieter wie Tencent und NetEase haben deshalb bereits seit geraumer Zeit diverse Funktionalitäten wie Gesichtserkennung, Spielerregistrierung sowie zeitliche Spieldauerbegrenzungen für Minderjährige eingeführt, diese nach der jüngsten staatlichen Kritik nochmals verschärft.

Die beiden Unternehmen erwirtschaften einen Grossteil ihres Gewinns im Spielesegment. Entsprechend sensibel reagieren diese Werte auf eine derartige Kritik. Aber eine schärfere Regulierung müsse nicht zwangsläufig zu Umsatzrückgängen führen, so Ernst. Massnahmen zum besseren Schutz Minderjähriger könnte die Branche verkraften.

Tencent etwa erzielt nur 1-2% seines Umsatzes bei dieser Altersgruppe. Ernst schätzt jedoch, dass die Dunkelziffer höher liegen dürfte. Sollte es aber zu einer breit angelegten Intervention wie generellen Spieleverboten oder starken Spielzeitbegrenzungen kommen, würden Umsatz und Gewinn von Tencent und NetEase einbrechen.

Plausible Ziele müssen nicht abschrecken

"Die weitere Entwicklung chinesischer Technologiewerte ist schwer einzuschätzen. Zum einen, weil die chinesischen Regulierungsbehörden so hart vorgehen – zum anderen, weil es nicht klar ist, ob und welche Massnahmen noch folgen", so Ernst. Daher sei es auf den ersten Blick nachvollziehbar, dass sich einige ausländische Investoren von diesen Titeln verabschiedet haben.

Die jüngsten Schritte gegenüber Anbietern von Online-Bildungsangeboten haben verdeutlicht, wie hoch das Risiko ist. Im schlimmsten Fall sind Geschäftsmodelle von heute auf morgen nicht mehr existent. Vor allem die Spieleindustrie könnte es mit neueren, noch härteren Regulierungsmassnahmen treffen.

Allerdings seien die Ziele, die Chinas Machthaber mit ihren Interventionen erreichen wollen, durchaus plausibel: Nachhaltigkeit, mehr Datenschutz, mehr Wettbewerb bzw. Machtbegrenzung einzelner Konzerne, gerechtere Löhne, Jugendschutz oder gleiche Bildungschancen für alle.

Die bislang verhängten Regulierungsmassnahmen dürften gemäss der Einschätzung des Experten das Gros der chinesischen Technologiekonzerne nur am Rande betreffen. Das zukünftige Wachstum werde aber nachhaltiger werden müssen: Internetriesen wie Tencent oder Alibaba werden langfristig vermutlich etwas langsamer als der Markt wachsen, damit andere Anbieter Marktanteile gewinnen können. Eine Kurskorrektur von über 40% rechtfertige das aber nicht.

Pessimisten argumentieren, dass die Regulierung zu mächtig gewordener Internetkonzerne erst begonnen habe. Optimisten wiederum betrachten den harten Eingriff im Bildungssektor als Einzelfall und setzen darauf, dass es im Interesse Chinas ist, gute und leistungsfähige Technologiekonzerne im Land zu haben. Zudem sind Onlinedienste wie WeChat und Onlinehandel mittlerweile feste Bestandteile in Gesellschaft und Wirtschaft.

Chancen für kleinere Tech-Unternehmen

"Eine mögliche Strategie wäre, in Unternehmen zu investieren, die von den Regulierungsmassnahmen nicht so stark betroffen sind", sagt Ernst. Die in unserem Alltag nicht mehr wegzudenkende E-Commerce-Sparte sei weniger sensibel als die Computerspielebranche. "Mehr Wettbewerb ist für Alibaba als dominierenden E-Commerce-Anbieter zwar von Nachteil, könnte sich aber für die kleineren Mitbewerber, wie JD.com, Pinduoduo oder Vipshop, in Form von Marktanteilsgewinnen positiv auszahlen", fährt er fort.

Aufgrund ihrer geringen Liquidität seien diese Titel zum Teil sogar stärker gefallen als Alibaba. JD.com und Vipshop treten zudem primär selbst als Verkäufer statt als Market Place für Dritte auf und seien daher von einer möglicherweise strikteren Handhabung von Daten nicht so stark betroffen.

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