KI: Die Karten im Technologiesektor werden neu gemischt

Vor allem die Chiphersteller von Hochleistungsprozessoren sollten durch KI einen Wachstumsschub erzielen, schreibt Hagen Ernst, stellvertretender Leiter Research & Portfoliomanagement bei DJE. (Bild pd)
Vor allem die Chiphersteller von Hochleistungsprozessoren sollten durch KI einen Wachstumsschub erzielen, schreibt Hagen Ernst, stellvertretender Leiter Research & Portfoliomanagement bei DJE. (Bild pd)

«Die rasante Entwicklung von Künstlicher Intelligenz (KI) dominiert den Technologie-Sektor. Die Branche hat sich dank neuer Hochleistungsprozessoren und dem Durchbruch von ChatGPT rasant weiterentwickelt», schreibt Hagen Ernst, stellvertretender Leiter Research & Portfoliomanagement bei DJE. Wie geht es weiter und welche Technologie-Unternehmen profitieren?

14.08.2023, 09:37 Uhr

Redaktion: sw

Spätestens seit dem jüngsten Ausblick des US-Chipherstellers NVIDIA ist klar, dass KI inzwischen auch in den Geschäftszahlen der Unternehmen angekommen ist: Für das zweite Quartal hat NVIDIA, mit einem Börsenwert von inzwischen weit über 1100 Milliarden US-Dollar, einen Umsatz von 11 Milliarden US-Dollar in Aussicht gestellt. Dies liegt deutlich über dem Vorquartal mit 7,19 Milliarden und ist als 50 Prozent mehr als von Analysten erwartet wurde. «Das zeigt, dass KI schon jetzt zu massiven Investitionen führt. Ungeachtet dessen dürfte es bei den meisten Technologie-Unternehmen allerdings noch ein paar Jahre dauern, bis signifikante Umsätze aus KI erzielt werden», folgert Hagen Ernst von DJE.

Ohne Halbleiter geht bei KI nichts

Am stärksten profitieren sollte der Halbleitersektor. Um die Fähigkeiten von KI gänzlich zu entfalten, sind enorme Investitionen in den Aufbau neuer und vor allem schneller Daten- und Rechenzentren erforderlich. Neue Hochleistungschips (GPU) sind die Voraussetzung für KI-Anwendungen. Hier ist NVIDIA mit einem Marktanteil von 84 Prozent führend. Produzenten herkömmlicher Chips wurden an der Börse schon lange von NVIDIA überholt. Denn erst mit den hohen Rechenleistungen der GPUs von NVIDIA und Co. ist es möglich, eine nahezu unbegrenzte Datenmenge schnell auszuwerten. Die jüngste Entwicklung von KI erfordert allerdings nicht nur GPUs, sondern sollte auch allgemein für eine Nachfragebelebung im Halbleitersektor führen. So werden etwa spezielle Speicherchips, benötigt -sogenannte DDR5-DRAM-Chips. Für Datenzentren in der Cloud sind zudem für KI-Workloads sogenannte High-Speed-Switching-Lösungen, wie solche von Broadcom, erforderlich.

Dennoch befindet sich der Halbleitersektor aktuell noch im Abschwung: So revidierte erst kürzlich der weltweit grösste Auftragsfertiger für Halbleiterprodukte TSMC, der unter anderem mit NVIDIA und Apple zwei Grosskunden im Portfolio hat, den Ausblick für das laufende Jahr mit Blick auf den Umsatz nach unten und erwartet nun einen Rückgang von rund zehn Prozent. Investitionen werden nun am unteren Ende der Planungen von 32 bis 36 Milliarden US-Dollar liegen. Laut TSMC sind die Kunden weiter vorsichtig und erwarten, dass sich die Lagerbestandskorrektur bis ins vierte Quartal des aktuellen Geschäftsjahrs hinzieht. Viele Experten rechnen aber bereits wieder mit einem KI-bedingten Aufschwung im nächsten Jahr.

Hyperscaler - die neuen Gatekeeper?

Während im Halbleitersektor die neuen Hochleistungschips von NVIDIA und Co. eine Schlüsselrolle bei KI einnehmen, sei zu erwarten, dass die grossen US-Cloudanbieter ihre Marktmacht weiter ausbauen und eine entscheidende Rolle beim Aufbau schneller KI-Rechenzentren spielen werden. Es gibt in diesem Bereich kein einziges europäisches Unternehmen: Der Markt wird von US-Unternehmen dominiert. Marktführer ist AWS von Amazon mit einem Marktanteil von 32 Prozent, gefolgt von Azure von Microsoft mit 23 Prozent Marktanteil sowie Google Cloud mit zehn Prozent Marktanteil.

Viele neue, auf «Large Language Modelling» (grosse generative Sprachmodelle mit künstlicher Intelligenz, am bekanntesten unter den generativen Sprachmodellen ist derzeit wohl ChatGPT) spezialisierte Start-ups nutzen diese Cloud-Dienste. Bislang wuchs Microsofts Azure deutlich schneller als vergleichbare Produkte am Markt und auch der aktuelle Marktführer AWS von Amazon. Zudem könnte Azure aufgrund der Integration von ChatGPT in das Cloudgeschäft, in Office-Programme von Microsoft und in die Suchmaschine Bing einen Vorsprung bei KI gewinnen.

Jenseits der USA gibt es zwar in China grosse Cloud-Anbieter. Sie sind Platzhirsche auf dem chinesischen Heimatmarkt sind, spielen aber ausserhalb Chinas kaum eine Rolle. Derzeit haben die chinesischen Unternehmen auch nur bedingt Zugang zu wichtigen Technologien wie GPUs. Hier greifen aktuell die Handelsbeschränkungen der US-Regierung, die GPU-Exporte nach China unterbinden. Somit ist wahrscheinlich, dass einige wenige US-Unternehmen den Markt für schnelle KI-Rechenzentren dominieren werden. Ausserdem ist zu erwarten, dass sich hier neue Gatekeeper herauskristallisieren werden, die entscheiden, wer Zugang zu KI bekommt und wer nicht.

Nutzen für Softwarefirmen

Doch nicht nur Halbleiterhersteller und Cloudanbieter sollten von der jüngsten Entwicklung im Markt für KI profitieren, sondern auch Softwarefirmen. «Hier ist aber wichtig, dass dies wohl nicht flächendeckend gilt: Eine spezielle KI-Lösung muss einen echten Mehrwert bieten, während gleichzeitig der Mehrwert grösser sein muss, als der negative Effekt bedingt durch eine geringer ausfallende Nutzung der Software aufgrund von weniger benötigten Mitarbeitenden», schreibt Hagen Ernst. Die Softwarekosten richten sich in der Regel danach, wie viele Mitarbeitende die Lösung nutzen. Microsoft ist dank der Nutzung von ChatGPT gut positioniert. Das generative Sprachmodell hat mittlerweile über 100 Millionenm Nutzer und ist somit die erste breit genutzte KI. Die Strategie von Microsoft besteht darin, ChatGPT im Clouddienst Azure, in der Suchmaschine Bing und in den Office-Programmen zu integrieren. Andere Anbieter arbeiten beispielsweise mit staatlichen Behörden, unter anderem dem Militär, zusammen. Solche KI-Lösungen sollen etwa verdächtige Aktivitäten frühzeitig erkennen können.

Newcomer oder etablierte Technologie-Konzerne?

Generell ist Grösse ein entscheidender Wettbewerbsvorteil, da Investitionen in KI-Lösungen oftmals sehr langwierig sind und enorme Ressourcen für Forschung und Entwicklung erfordern. Jedoch steigt mit KI das Risiko, dass grosse etablierte Unternehmen verdrängt werden und ihre Marktmacht verlieren könnten. Das zeigt das jüngste Beispiel anhand von ChatGPT. Jahrelang galt Google-Mutter Alphabet im Bereich KI als führend und entwickelt sogar zusammen mit Broadcom eigene Hochleistungschips. Nun allerdings könnte das Unternehmen ihre Vorherrschaft in diesem Bereich verlieren. Erst durch ChatGPT und deren verblüffend gute Ergebnisse gelang der Durchbruch von KI auf breiter Front. Aktuell scheint es so, dass ChatGPT mindestens ebenbürtig, wenn nicht sogar besser ist als BARD von Google.

Wo Licht ist, ist auch Schatten: Risiken von KI

Neben zahlreichen Chancen birgt KI aber auch viele Risiken. So lassen sie beispielsweise Bilder bereits jetzt so manipulieren, dass nicht mehr erkennbar ist, ob es sich hierbei um Fälschungen handelt oder nicht. Weiterhin kann KI auch zu zerstörerischen Zwecken wie zum Beispiel der Kriegsführung genutzt werden. Eine einheitliche Regulierung wäre hier nötig die in der Ausgestaltung aber extrem schwierig umsetzbar sein dürfte.

Fazit

«Interessant wird sein, wer künftig von der rasanten Entwicklung von KI profitieren kann. Vor allem der Halbleitersektor und hier vor allem die Chiphersteller von Hochleistungsprozessoren sollten durch KI einen Wachstumsschub erzielen. Doch auch Cloudanbieter, die massiv in KI-Rechenzentren investieren, dürften zu den Gewinnern zählen. Neue Gatekeeper könnten entstehen. Im Softwaresektor dürften hingegen Unternehmen mit Fokus auf Datenanalyse und Auswertung profitieren.»

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