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Ukraine-Krieg: Die Folgen für Agrarmarkt und Lebenskosten

Die Preise für Weizen an den Weltmärkten jagen von einem Rekord zum nächsten. (Bild: Shutterstock.com/Vitalii Stock)
Die Preise für Weizen an den Weltmärkten jagen von einem Rekord zum nächsten. (Bild: Shutterstock.com/Vitalii Stock)

Russlands Krieg in der Ukraine sorgt neben allem menschlichen Leid global für grosse wirtschaftliche Herausforderungen – sehr spürbar unter anderem bei den Energie-, Rohstoff- und Agrarpreisen. Jens Ehrhardt von DJE Kapital gibt einen Überblick für Anleger und Konsumenten.

28.03.2022, 11:35 Uhr

Redaktion: rem

Die Inflation steigt unentwegt. Die EZB hat trotzdem entschieden, den Leitzins bei null Prozent zu belassen, die Anleihekäufe aber schneller als geplant zurückzufahren. "Zinssteigerungen sind angesichts der aktuellen Konjunkturrisiken vermutlich eher kontraproduktiv und könnten den Aktienmarkt weiter belasten. Positiv wäre daher, wenn die Politik zügig Massnahmen ergreifen würde, um die inflationsbedingten Kaufkraftverluste zu minimieren. Dabei sind die strategischen Weichenstellungen in der Energie- und Agrarpolitik entscheidend", sagt Jens Ehrhardt, Vorstandsvorsitzender der DJE Kapital. Ohnehin dürfte in diesem Zusammenhang die frühere "Tank oder Teller»-Diskussion wieder in den Fokus rücken, meint er.

Angesichts der Knappheit von Agrargütern und Energie hätten wir heute jedoch eine ganz andere Ausgangslage. Neben Solar- und Windenergie sollten deshalb auch Biomethan aus Gärresten und Gülle wieder stärker gefördert werden. Generell müsse die Nahrungsmittelproduktion in diesem Umfeld massgeblich unterstützt werden. Dies dürfte auch den Aktien aus diesem Bereich Rückenwind verleihen.

Bedeutung für die Lebensmittelpreise

Die Preise für Weizen an den Weltmärkten jagen von einem Rekord zum nächsten. Auch Düngemittel werden teurer. Zudem liest man von Knappheit bei Mais, Raps und Sonnenblumen. Für die Lebensmittelpreise wird laut Ehrhardt in den nächsten Wochen und Monaten entscheidend sein, wie lange der Konflikt in der Ukraine anhält. Aktuell mangele es dort vor allem an Diesel für die Landmaschinen, aber auch an Mitarbeitern, die eigentlich die anstehende Aussaat bewerkstelligen müssten. In der Folge sei ein Rückgang des Erntevolumens von 30 bis 40 Prozent für die Vermarktungssaison 2022/23 nicht unrealistisch.

Saisonal bedingt werde es nicht einfach sein, diesen Ernteausfall zeitgleich durch die Lieferung aus anderen Regionen zu kompensieren. Vor allem die afrikanischen Staaten werden daher versuchen, ihren zusätzlichen Bedarf nun in Australien, Indien, Argentinien oder in den USA zu decken. Preistreibend wirke in diesem Zusammenhang das Verhalten einiger Staaten, den eigenen Getreideexport komplett einzustellen, merkt Ehrhardt an.

Die steigenden Gaspreise verteuerten wiederum Mineraldünger enorm, so dass viele Landwirte in dieser Anbausaison versuchen werden, den Düngemittel-Einsatz einzudämmen beziehungsweise auf organische Stoffe wie Gülle umzusteigen. In der Folge seien selbst hierzulande Ernteeinbussen von bis zu zehn Prozent nicht vollkommen auszuschliessen.

Auswirkungen auf Sektoren und Kapitalmärkte

Die absehbare Verschiebung der Handelsströme bei Agrargütern dürfte letztlich vor allem den international tätigen Agrarhändlern ein gewisses Zusatzgeschäft bescheren. Wie Erhardt weiter ausführt, werden im Düngemittelbereich insbesondere die US-Produzenten von einer vergleichsweise besseren Gasversorgung profitieren. Der Nahrungsmittelsektor habe andererseits mit den steigenden Rohstoffkosten zu kämpfen. Generell würden dadurch die Konsumausgaben für nicht notwendige Güter und Dienstleistungen, zum Beispiel Reisen, tendenziell sinken. Auch werde der eine oder andere sicherlich seinen geplanten Autokauf eher aufschieben. Der Lebensmittelhandel und hier insbesondere die Discounter sollten von dem Kaufkraftverlust hingegen weit weniger betroffen sein.

Value-Titel besser "geschützt" als Growth-Titel?

"Steigende Zinsen sind grundsätzlich negativ für Wachstumsaktien. Wegen der US- Konjunktur und der Zinssteigerungspolitik der US-Notenbank dürften die Zinsen weiter anziehen – was die konjunktursensitiven Value-Aktien mehr begünstigt als Growth-Titel. Allerdings haben die massiven Verluste der Wachstums-Aktien in den Monaten zuvor dazu geführt, dass einige Growth-Titel nicht mehr teuer sind, sondern im Hinblick auf Wachstum und überragende Marktstellung aussichtsreich erscheinen. Solange die Weltkonjunktur sich weiter positiv entwickelt, dürften Value-Aktien aber das bessere Chance-/Risiko-Verhältnis haben. Ganz im Gegensatz zu den vergangenen 13 Jahren", erläutert Ehrhardt.

Gold, Silber oder Platin?

Gold steht heute in Dollar gerechnet nicht höher als 2011. Nach Meinung des Vorstandsvorsitzenden der DJE Kapital sollte Gold im Hinblick auf die jüngste und in den vergangenen elf Jahren zu beobachtende Inflation mittelfristig steigen können. Kurzfristig befänden wir uns zwar im übergekauften Bereich mit zu vielen Optimisten, aber nach dem jüngsten fünfprozentigen Rückschlag erscheine auch Gold wieder aussichtsreich. Generell sollten alle Edelmetalle im Hinblick auf das wachsende Anlegerinteresse, aber auch auf den vermehrten Industrie- und Schmuckbedarf, aussichtsreich sein. Gold sei heute in den Anlegerportfolios im Durchschnitt mit weniger als zwei Prozent vertreten. In der Nachkriegszeit waren diese Prozentsätze durchschnittlich weit höher, oft um zehn Prozent.

Vergleich mit Ölkrise 1973

"Die Abhängigkeit der Weltwirtschaft vom Ölpreis ist in den letzten Jahrzehnten stetig zurückgegangen. Im Moment besteht nicht die Gefahr einer Stagflation", sagt Ehrhardt. Zwar sei die Inflationsrate in den USA und in Europa auf einem Hoch mit Blick auf die vergangenen 40 Jahre, aber die Wachstumsraten dürften hoch bleiben – einerseits wegen der geringeren Ölabhängigkeit, andererseits wegen des real nach wie vor nicht zu hohen Ölpreises. Wenn die US-Zentralbank längere Zeit die Zinsen erhöhe, wachse die Gefahr einer Stagflation – diese sei heute aber noch nicht in Sicht. Tatsächlich seien die US-Zinsen im historischen Vergleich immer noch sehr niedrig. Und auch ein Anstieg um gut ein Prozent in einem Jahr wäre noch immer niedrig, vor allen Dingen vor dem Hintergrund der hohen Inflation.

"Europäische Aktiengesellschaften dürften zum Teil erheblich unter den hohen Energiepreisen leiden. Die USA importierten auch vor dem Embargo weit weniger als ein Prozent ihres Ölbedarfs aus Russland. Die US-Volkswirtschaft profitiert durch die Krise in den Bereichen Rüstung, Ölbranche und Agrarsektor. Die stark gestiegenen Nahrungsmittelpreise und die anziehenden Preise für Kunstdünger lassen erhebliche Gewinnsteigerungen bei den Agrar-Aktien erwarten. Öl- Aktien profitierten schon vor der Krise durch die sehr niedrigen Abschreibungen (wenig Explorationsaufwendungen). Rüstungs-Aktien stiegen seit der Krise um 15 Prozent und profitieren auch von deutscher Aufrüstung", so Ehrhardt.

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