Candriam: «Wird die KI die Welt weiterhin überraschen?»

Artificial intelligence dominierte 2024, wie geht es nächstes Jahr weiter? (Bild Wanan Wanan/Shutterstock)
Artificial intelligence dominierte 2024, wie geht es nächstes Jahr weiter? (Bild Wanan Wanan/Shutterstock)

«Die Leistungsfähigkeit und das Gewinnpotenzial der KI sind faszinierend. Was müssen Anleger im Jahr 2025 beachten?», fragt sich das Investmentteam von Candriam in ihrem Ausblick.

12.12.2024, 07:04 Uhr
Aktien | Anlagestrategie

Seit der Einführung von ChatGPT haben Aktien aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz den breiteren Markt um fast 70 Prozentübertroffen. Der Sweet Spot ist laut Candriam die gesamte Infrastruktur, die Unternehmen unterstützt, die KI-Modelle trainieren, um Vorhersagen oder Schlüsse aus neuen Daten zu ziehen. Diese reichen von Halbleitern für grafische Verarbeitungseinheiten bis hin zu Konnektivität der nächsten Generation im Rechenzentrum.

Zu den weniger offensichtlichen Sweet-Spot-Segmenten gehören Stromgeneratoren, Kühlgeräte für Rechenzentren und Chipdesign. Mit einem Anteil der KI-Einnahmen von 10 bis 80 Prozent an den Gesamteinnahmen hat das bekannteste Unternehmen bereits eine enorme Kursentwicklung hinter sich. Basierend auf den Investitionsplänen der Hyperscaler geht Candriam davon aus, dass dieser Sektor weiterhin ein enormes Umsatzwachstum verzeichnen wird.

Viele neue Fachleute

Die Unternehmen, wie IT-Dienstleister und -Berater sowie andere Datenverwaltungssektoren, beginnen, bei den KI-Umsätzen zuzulegen. Potenzielle Kunden in verschiedenen Sektoren verfügen über grosse Datenmengen, die sie (noch) nicht in einem KI-Rahmen nutzen können. Accenture kündigte kürzlich an, 30 000 Fachleute auszubilden, um Kunden bei der Neuerfindung von Prozessen und der Einführung von KI in Unternehmen zu unterstützen. Einige Softwareunternehmen beginnen damit, bestehende Produkte mit KI-Funktionen auszustatten, die sie möglicherweise im Laufe der Zeit zu Geld machen können, wenn die Kunden spürbare Effizienzgewinne sehen.

Es sei vielleicht zu früh zu wissen, welche Endnutzer in der Lage sein werden, KI zur Verbesserung der Gewinnspanne und zum Wettbewerbsvorteil zu nutzen. Dazu gehören wahrscheinlich die Medikamentenentwicklung, industrielle Produktionsprozesse und Finanzunternehmen. Derzeit sei die Einführung von KI noch kein Grund, von diesen Unternehmen eine überdurchschnittliche Leistung zu erwarten.

Engpässe beim Strom

McKinsey schätzt, dass der Strombedarf für Rechenzentren in den USA bis zu 12 Prozent des gesamten US-Strombedarfs ausmachen könnte. Angesichts der unzureichenden Investitionen in die Stromerzeugungskapazitäten in den letzten zehn Jahren könnte sich dies als der wichtigste Engpass erweisen. Es besteht laut Candriam die Gefahr, dass Modelle mit zunehmender Grösse immer schwieriger zu trainieren, zu optimieren und zu erklären sind. Derzeit gibt es einen Mangel an qualifizierten KI-Experten, was den vollständigen Einsatz von KI ebenfalls behindern könnte. Datenschutz und -sicherheit erfordern einen Rechtsrahmen, der auch ethische Erwägungen berücksichtigt.

Risiko: Missbrauch

«Wir glauben, dass das grösste Risiko für das Wachstum der KI der Missbrauch ist, selbst wenn er unbeabsichtigt ist. Algorithmische oder trainingsbedingte Verzerrungen, die Verbreitung von Fehlinformationen und der Datenschutz verdeutlichen die dringende Notwendigkeit einer verantwortungsvollen KI-Governance, die dafür sorgt, dass die Technologie für uns funktioniert. Eine solide KI-Governance sollte transparente Aufsicht, ethische Rahmenbedingungen und Regulierung umfassen, um eine verantwortungsvolle Entwicklung und Nutzung von KI-Systemen zu unterstützen», schreiben die Experten.

Es sei Aufgabe der Interessengruppen, insbesondere der Investoren, bei der Festlegung der Leitplanken zu helfen. Die Gesichtserkennungstechnologie (FRT) wurde beispielsweise für ihre Rolle bei der Massenüberwachung ohne Zustimmung kritisiert, insbesondere in autoritären Regimen. In den USA gab es eine Reihe von Fällen falscher Verhaftungen und Inhaftierungen, die auf algorithmische Voreingenommenheit, in der Regel aus rassistischen Gründen, zurückzuführen sind. «Da bis Ende 2021 weltweit eine Milliarde Überwachungskameras im Einsatz sein werden, halten wir FRT für die risikoreichste Anwendung von KI

Gemeinsame Erklärung

In diesem Jahr führte Candriam eine von 55 Anlegern unterzeichnete Erklärung an, die ein verwaltetes Vermögen von über 5 Billionen Dollar repräsentieren. Die Gruppe führte einen Dialog mit führenden Vertretern der FRT-Branche, die dies zur Kenntnis nahmen, und einige ergriffen Massnahmen. Da Investoren zunehmend über ihre Verantwortung bei der Finanzierung von KI nachdenken, haben Manager, die 8,5 Billionen Dollar vertreten, die 2024 Investorenerklärung zu ethischer KI unterzeichnet, die von Candriam geleitet wird.

Verzerrungen in Ausbildungsdaten können sich demnach auf Einstellungen, Strafjustiz und Finanzdienstleistungen auswirken. Es habe sich gezeigt, dass KI-gesteuerte Kreditvergabealgorithmen Antragstellern, die einer Minderheit angehören, schlechtere Kreditkonditionen anbieten oder Kredite verweigern. Fehlinformationen können mit Hilfe von KI-gestützten Werkzeugen, wie zum Beispiel «Deepfakes», vervielfacht werden.

Weniger Regulierung?

Die Regulierungsbehörden, ein weiterer Interessenvertreter, ziehen gemäss Candriam in unterschiedliche Richtungen. In der EU führt das Gesetz über künstliche Intelligenz schrittweise einen risikobasierten Rahmen für KI-Anwendungen ein und verbietet Praktiken wie Social Scoring, um ein Gleichgewicht zwischen Innovation und öffentlicher Sicherheit herzustellen. In den USA hat der designierte US-Präsident Donald Trump die Deregulierung von KI zwar nicht ausdrücklich angesprochen, aber vorgeschlagene Mitglieder seiner neuen Regierung wie Elon Musk haben sich bereits für den Abbau regulatorischer Hindernisse im Technologiebereich ausgesprochen.

Da sich die KI in allen Prozessen ausbreitet, sei es wichtig, ihre Leistungsfähigkeit zu nutzen und gleichzeitig ethische und sicherheitstechnische Bedenken zu berücksichtigen. «Der Datenschutz und die Datensicherheit erfordern einen Rechtsrahmen. Anleger können dazu beitragen, gesellschaftliche Risiken zu begrenzen, indem sie bei der Aktienauswahl selektiv vorgehen oder in diese Segmente und Unternehmen investieren, die einen positiven Beitrag zu einem sichereren Einsatz von KI leisten, wie zum Beispiel Unternehmen für Cybersicherheit oder Technologien, die den Datenschutz verbessern. Wir sind der festen Überzeugung, dass unsere positive Einstellung zu Technologie und speziell zu KI mit ethischen Erwägungen in Einklang gebracht werden kann», so das Fazit.

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