Die EZB steht gleich vor mehreren Herausforderungen. (Bild: Shutterstock.com/Design Gertect)
Am Donnerstag dürfte die Europäische Zentralbank erstmals seit 2011 ihre Leitzinsen erhöhen. Das Augenmerk wird sich aber auch auf den Zinsausblick sowie das angekündigte "Anti-Fragmentierungsinstrument» richten. Angesichts gleich mehrerer Herausforderungen stehe die EZB vor einer Quadratur des Kreises, meint Ann-Katrin Petersen von BlackRock.
20.07.2022, 11:27 Uhr
Redaktion: rem
"Wir rechnen mit einer Erhöhung aller drei Zinssätze um 25 Basispunkte. Angesichts von Inflationsraten nördlich von 8%, weit oberhalb der 2%-Preisstabilitätsmarke der EZB, hat die Erwartungshaltung der und an die Währungshüter, die Abkehr von der ultra-expansiven Geldpolitik beschleunigt vorantreiben zu müssen, zugenommen", sagt Ann-Katrin Petersen, Senior Investment Strategist bei BlackRock.
Andere Notenbanken sind vorausgeeilt, haben bereits frühzeitiger und vehementer ihre Zinswende eingeläutet, und zwar selbst um den Preis einer wirtschaftlichen Abschwächung. Darunter die US-Notenbank Fed, die auf ihrer letzten Sitzung im Juni einen Zinsschritt in Höhe von 75 Basispunkten vornahm, den grössten seit dem Jahr 1994, aber auch die kanadischen Notenbanker mit einer Erhöhung um sogar 100 Basispunkte. "Nicht ausgeschlossen, dass die Fed, wie aktuell an den Obligationsmärkten gepreist, Ende des Monats ebenfalls derart kräftig ihre Zinszügel strafft, was dem US-Dollar weiteren Aufwind verleihen könnte", so Petersen.
Augenmerk auf Zinsausblick und "Anti-Fragmentierungsinstrument»
Während ein erster zinspolitischer Normalisierungsschritt der EZB bereits auf der Juni-Sitzung signalisiert wurde und den Markt für sich genommen wenig bewegen dürfte, richtet sich das Augenmerk vielmehr auf den Zinsausblick sowie die Details zur Ausgestaltung des angekündigten "Anti-Fragmentierungsinstruments» angesichts gleich mehrerer Herausforderungen.
Nach Meinung Petersens steht die EZB mitunter vor einer Quadratur des Kreises: "1. einem Zielkonflikt von Inflations- und Konjunktursorgen (einer beschleunigten Verbraucherpreisinflation, die massgeblich auf Angebotsknappheiten und Produktionshemmnisse zurückzuführen ist), 2. einem schwachen Euro-Wechselkurs, der erstmals seit fast zwei Dekaden auf Parität zum US-Dollar fiel, was den Inflationsdruck nur noch verstärkt, 3. ausgeprägten Renditeunterschieden im Währungsgebiet und der Sorge vor 'fundamental nicht gerechtfertigten Renditeunterschieden' bei 4. erhöhter politischer Unsicherheit im hochverschuldeten Italien."
Entscheidender für Marktbeobachter als der erste Zinsschritt werden aus Sicht der Investmentstrategin daher zwei andere Fragestellungen sein:
"Welchen Zinserhöhungspfad stellt die EZB angesichts von konjunkturellen Abwärtsrisiken einerseits und Euro-Schwäche andererseits in Aussicht?" Um die Euro-Schwäche, die Güter und Waren aus dem Ausland verteuert, nicht weiter zu befeuern, könnte Präsidentin Christine Lagarde die Entschlossenheit der EZB bekräftigen, ungeachtet der zunehmenden Konjunkturrisiken an ihrem Normalisierungskurs festzuhalten, meint Petersen.
"Und wie vehement gedenkt der Rat, mit den rasch gewachsenen Renditeabständen (Spread) zwischen dem als risikolos eingestuften Staatsschuldner Deutschland und als verwundbarer geltenden Euro-Mitgliedsstaaten umzugehen?" Im Nachgang einer ausserordentlichen Sitzung im Juni hatte der Rat seine Einschätzung bekräftigt, dass die Pandemie zu Verwerfungen geführt habe, die zu einer ungleichmässigen Übertragung der EZB-Geldpolitik in den einzelnen Mitgliedsländern beitrage. Auf der Grundlage dieser Auffassung hatte der Rat beschlossen, bei der Wiederanlage von fällig werdenden Wertpapieren im Rahmen des PEPP (Pandemie-Notfallankaufprogramms) flexibel vorzugehen, d.h. bei Bedarf verstärkt Obligationen von Ländern wie Italien zu erwerben, die unter Druck stehen. Wie Petersen weiter erläutert, könnte darüber hinaus ein neues Anti-Fragmentierungsinstrument – anders als das 2012 angekündigte, aber nie aktivierte "OMT"-Programm ("Outright Monetary" – geldpolitische Outright-Geschäfte an den Sekundärmärkten für Staatsobligationen) – weitgehend auf Reformauflagen verzichten, aber womöglich Nettoobligationskäufe in spezifischen Ländern bzw. Marktsegmenten vorsehen. Seine Wirksamkeit werden Marktbeobachter wohl letztlich anhand des diskretionären Spielraums und der Flexibilität der EZB bewerten. Mit anderen Worten: Je weniger zeitlich befristet, je weniger begrenzt die mögliche Grössenordnung der Wertpapierkäufe, je eingeschränkter der Konditionalität, desto "effektiver". Die Schwierigkeit nach Ansicht Petersens: "Je effektiver, desto unrechtmässiger. Denn liegt es an der EZB, den Markt über Obligationenneukäufe zu stabilisieren, wenn die Spreads nicht wegen allgemeiner Marktverwerfungen, sondern wegen landesspezifischer politischer und fundamentaler Risiken steigen?"
Somit bleibe mit einem Fragezeichen behaftet, so die Investmentstrategin, in welchem Ausmass und wie lange Hoffnungen auf Unterstützung durch die EZB das Aufwärtspotenzial bei den Risikoaufschlägen der Euro-Staatsobligationen begrenzen. Die Hürde, dass die EZB die Märkte im Rahmen ihres geldpolitischen Mandates positiv überrasche, liege hoch.
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