02.02.2017, 16:14 Uhr
Neben den starken Wachstumsbranchen der "New Economy" in China könnten sich auch die traditionelle, zyklische Industrie und Betriebsstoffunternehmen über ein gutes Jahr freuen, sagt Laura Luo, Head of Hong Kong...
Es ist kein Geheimnis, dass globale Schwellenländer einen schwierigen Jahresstart hatten. Als Reaktion auf den Kurswechsel bei der Geldpolitik der US-Notenbank Federal Reserve haben sich Investoren, angesichts der zunehmenden Sorgen über Währungen, Leistungsbilanzen und Wirtschaftswachstumsraten der Schwellenländer, für Vermögenswerte der Industrieländer entschieden, die ihnen mehr Sicherheit bieten.
Berücksichtigt man dazu noch die ungewöhnlich hohe Anzahl an Wahlen innerhalb der gesamten aufstrebenden Welt, erscheint das abnehmende Anlegerinteresse nach Vermögenswerten der Schwellenländer verständlich.
Jedoch sollten nicht alle aufstrebenden Länder über einen Kamm geschert werden. Es gibt zunehmende Indizien dafür, dass Investoren zwischen Schwellenmärkten unterscheiden und der Fall von Indien macht dies deutlich. Der indische Aktienmarkt beispielsweise erzielte innerhalb der ersten drei Monate des Jahres 2014, gemessen am MSCI India 10/40 Index, für Anleger einen recht ansehnlichen Ertrag von 8,4% in USD*. Verglichen mit dem Rückgang des MSCI EM Index von 0,4% ist dies eine respektable Performance.
Barings Ansicht nach gibt es eine Reihe von Anzeichen, die Gutes für die Entwicklung der indischen Wirtschaft und den Aktienmarkt des Landes in diesem Jahr versprechen.
Die Wahlen
Der indische Markt konnte dieses Jahr bisher Gewinne verbuchen - und zwar nicht trotz, sondern wegen der im Mai bevorstehenden Wahlen. Es steigen die Erwartungen dafür, dass die wirtschaftsfreundliche Oppositionspartei Bharatiya Janata Party (BJP) als grosse Gewinnerin hervorgeht, wenn die Wähler im April und Mai zur Wahlurne schreiten. Die jüngsten Umfragen zeigen eine zunehmende Unterstützung für die BJP und ihren beliebten Parteichef Narendra Modi.
Obwohl die Märkte jegliche Unsicherheit in Verbindung mit der Wahl scheinbar gelassen hinnehmen, ist Barings Einschätzung nach doch ein gewisses Mass an Volatilität wahrscheinlich, wenn die Erwartungshaltung in den kommenden Monaten zwischen Enthusiasmus und Risikoaversion hin und her schwankt. Auch könnte dies noch im Anschluss an die Wahl, in der Phase der Koalitionsbildung, der Fall sein, da Kongressergebnisse und die Bildung der nächsten Regierung ein wichtiger Teil der politischen Agenda und der Fähigkeit sein werden, wirksame gesetzgeberische Arbeit zu leisten. Barings geht von einer zunehmenden Wirtschaftsaktivität im Jahr 2014 aus, erwarten diesen Anstieg jedoch erst im späteren Jahresverlauf, nachdem die neue Regierung gebildet wurde.
Leistungsbilanz
Indiens makroökonomische Fundamentaldaten sind auf dem Weg der Besserung. Die Ankündigung der Drosselung, also der Hinweis der US-Notenbank auf eine Reduzierung ihres Wertpapieraufkaufprogramms, löste an den Märkten weltweit eine Welle der Volatilität aus, die im Mai des letzten Jahres ihren Anfang nahm und über den Sommer hinweg andauerte. Indien war dagegen zwar nicht gefeit, jedoch ist das Land ihrer Einschätzung nach wirtschaftlich stärker und kann den Auswirkungen jetzt besser trotzen.
Dies spiegelt sich hauptsächlich im geringeren Leistungsbilanzdefizit, das für gewöhnlich eher hoch ausfällt. Nachdem es im Jahr 2012 bei 6,5% seinen Höchststand erreichte, konnte die Zahl in den letzten drei Monaten des Jahres 2013, dank tendenziell stärkeren Exportzuwächsen, der Einführung einer Zollgebühr auf Goldimporte und zunehmenden Einsparungen im privaten und öffentlichen Sektor, auf ein Vier-Jahres-Tief von 0,9% des BIP gesenkt werden.
Stabilität der Rupie
Entsprechend Barings Analyse ist die Rupie auf handelsgewichteter Basis nicht überbewertet. Das geringere Leistungsbilanzdefizit ist einer der Faktoren, die sich stabilisierend auf die Rupie auswirken. Die Währung konnte im Laufe dieses Jahres 3,4% gegenüber dem USD zulegen, nachdem sie im Jahr 2013 eine Abwertung von 12,9% hinnehmen musste*.
Der andere unterstützende Faktor besteht in der umsichtigen Geldpolitik des neuen Präsidenten der Reserve Bank of India, Raghuram Rajan. Unter seiner Führung sank die Inflation im Einzelhandelsbereich im Februar auf ein Zwei-Jahres-Tief von 8,1%.
Zunehmendes Engagement in Indien
Im Jahr 2013 bereitete sich eine Reihe von multinationalen Unternehmen wie Unilever, GlaxoSmithKline, Heineken und Diageo darauf vor, ihre Beteiligungen in börsennotierten indischen Tochtergesellschaften zu erhöhen. Darüber hinaus waren einige ausländische Unternehmen zur Zahlung eines relativ hohen Aufschlags für diese Transaktionen bereit.
Barings Ansicht nach kann dieser Trend als gutes Zeichen für die strategische Bedeutung gewertet werden, die multinationale Konzerne dem indischen Markt beimessen und auch für deren Engagement zur Stärkung ihrer Präsenz im Land. Zusätzlich ist es eine positive Erinnerung, dass Indien nach wie vor vielversprechende langfristige Chancen zu bieten hat, auch wenn es kurzfristig zu Volatilität in Zusammenhang mit den Wahlen kommen kann.
Ausblick und Strategie
Auf der wirtschaftlichen Seite sieht Barings Anzeichen dafür, dass sich die Unternehmenserträge, insbesondere bei grösseren Firmen, nach mehreren Quartalen mit schwacher wirtschaftlicher Aktivität verbessern. Aufgrund des Konjunkturabschwungs wird die Erholung der Investitionstätigkeit ihrer Einschätzung nach nur schrittweise erfolgen, ungeachtet dessen, welche Partei nach den Wahlen an die Macht kommen wird.
Die Reformen, die von der aktuellen Regierung erlassen wurden, könnten bis zu einem gewissen Grad für eine Anregung der Investitionstätigkeit sorgen. Im Einzelnen wurden Genehmigungen für die Erdölförderung und für grosse Investitionsvorhaben verbessert, die in der Vergangenheit zurückgehalten wurden. Darüber hinaus machte die Regierung den Einzelhandel, die Zivilluftfahrt und den Rundfunkt zugänglich für ausländische Direktinvestitionen.
Barings derzeitige Strategie tendiert in Richtung konjunktursensible inländische Industriezweige, wobei die Sektoren Nicht-Basiskonsumgüter, Industrie und Finanzwesen bevorzugt werden, der Bereich Basiskonsum hingegen mit erhöhter Vorsicht betrachtet wird.
Barings Ansicht nach können konjunktursensiblere Sektoren, zumindest teilweise, von der positiven Stimmungslage aufgrund der Wahlen profitieren. Die Entwicklung vor Ort könnte allerdings langsamer voranschreiten als erwartet, betrachtet man den ausserordentlich optimistischen kurzfristigen Ausblick. Barings ist ebenfalls der Meinung, dass die Wirtschaft insgesamt eine positive Entwicklungstendenz aufweist, gehen aber davon aus, dass die Wirtschaftstätigkeit eher gegen Jahresende zunehmen wird.
Sobald dies eintrifft, werden ihres Erachtens nach zuerst Aktien des Finanzsektors profitieren und Barings behält aus diesem Grund ihre positive Ausrichtung für diesen Bereich bei, insbesondere mit Blick auf private Banken. In Abhängigkeit der weiteren Entwicklung im Anschluss an die Wahlen könnte sich auch ihre Einschätzung zu den öffentlichen Banken verbessern.
Innerhalb des Sektors der Nicht-Basiskonsumgüter bevorzugen Barings Medien, da dieses Nischensegment von der Digitalisierung des Kabelfernsehens profitiert - ein Prozess, der zur Hälfte abgeschlossen ist. Im Gegensatz dazu erachten sie den Sektor Basiskonsumgüter als zu teuer und behalten hier aus diesem Grund ihre Untergewichtung bei.
Barings hat eine leichte Untergewichtung im Segment Informationstechnologie, ein Sektor, der in den letzten Jahren eine kräftige Wertentwicklung erlebt hat. Darüber hinaus bevorzugen sie nach wie vor das Gesundheitswesen, da dieser Bereich eine anhaltend attraktive Bewertung sowie vielversprechende Wachstumsaussichten aufweist.