„Vorsicht, Ketchup-Effekt“

Die Euro-Obligationenmärkte haben im ersten Halbjahr 2014 die meisten Anleger auf dem falschen Fuss erwischt. Mit einem Plus von 4,14% lag der Euro-Anleihenmarkt nicht wesentlich unter der Wertentwicklung des Aktienmarkts der Eurozone.

02.07.2014, 11:52 Uhr

Redaktion: jf

Franck Dixmier, Chefanlagestrategie Europäische Anleihen bei Allianz Global Investors, führt dies auf das anhaltend schwache makroökonomische Umfeld und die äusserst geringe Inflation in der Eurozone zurück: Ein derartiges Umfeld ist grundsätzlich günstig für die Obligationenmärkte, und das deutliche Bekenntnis der Europäischen Zentralbank zu einer noch expansiveren Geldpolitik hat dies noch verstärkt. Mit den jüngsten Entscheidungen der EZB vor allem dem negativen Einlagenzins beginnt eine neue Phase der finanziellen Repression.

Vor Journalisten betonte Dixmier in Paris, dass das Umfeld für Anleihen aus fundamentaler Sicht günstig bleibt. Es sei aber sehr unwahrscheinlich, dass das zweite Halbjahr eine ähnlich positive Wertentwicklung zeigen wird. Bei den aktuellen Bewertungsniveaus muss man sich fragen, inwieweit Investoren Risiken ausblenden. Ein Zeichen dafür ist die extrem niedrige Volatilität in allen Anlageklassen. Die daraus resultierende Lethargie an den Obligationenmärkten hat dafür gesorgt, dass Nachrichten, die sonst zu deutlichen Kursausschlägen geführt hätten, an den Märkten abperlten, meint Dixmier und nennt Frankreich als Beispiel. Obwohl sich der Haut Conseil des Finances Publiques Ende Mai kritisch zur Entwicklung des Haushaltsdefizits und den zu optimistischen Wachstumsprognosen der Regierung geäussert hatte, hat sich das Land noch nie so günstig refinanziert.

Was heisst das für die Anlagepolitik? Da sich das Umfeld in den kommenden Monaten kaum ändern werde, geht Dixmier davon aus, dass die Jagd nach Rendite weiter Spread-Produkte und Anleihen aus Peripherie-Ländern begünstigen wird. Risikoseitig solle man sich vor dem "Ketchup-Effekt" in Acht nehmen, da sich der latente Druck im Markt sehr plötzlich entladen kann. Auch wenn diese Gefahr nicht akut ist, bleibt Dixmier zufolge die Absicherung gegenüber Extrem-Risiken Pflicht, zumal die Absicherung über Optionen aufgrund der aktuell niedrigen Volatilität vergleichsweise günstig ist.

Unternehmensanleihen
Die anhaltende Rallye bei Unternehmensanleihen sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass einige Unternehmen hohe Verschuldungsquoten aufweisen und sich die Ausgestaltung einiger Anleihen zu Ungunsten der Anleger entwickelt hat. Zwar haben sich die operativen Ergebnisse europäischer Unternehmen erwartungsgemäss entwickelt, ihre Bilanzen sind solide und ihre Finanzierungsstrategien im Allgemeinen vorsichtig. Jedoch stellt die wachsende Aktivität bei Unternehmensübernahmen und -zusammenschlüssen ein potenzielles Bonitätsrisiko dar. Neue Emittenten im High-Yield-Segment weisen vermehrt gehebelte Finanzierungsstrukturen und ungünstigere Bedingungen für Investoren (Covenants) auf. Die hohe Nachfrage nach Unternehmensanleihen stellt insbesondere für schwache Emittenten zwar kurzfristig eine fundamentale Absicherung dar, eine Normalisierung des Zinsniveaus dürfte jedoch die Zahl der Insolvenzen in die Höhe schnellen und die Verwertungsrate unter den historischen Durchschnitt fallen lassen.

Banken
Von dem allgemein positiven Umfeld profitieren auch europäische Bankanleihen, sodass selbst schwächere Institute ihre Bilanzen verbessern konnten. Die jüngsten EZB-Entscheidungen und die verbesserten Finanzierungskonditionen für Banken werden unserer Ansicht nach nicht zu einer nennenswerten Kreditausweitung an mittelständische Unternehmen führen, da die Kreditnachfrage von bonitätsstarken Unternehmen nicht besonders hoch ist. Mit Blick auf die Asset Quality Review und die Stresstests durch die EZB setzt sich allmählich die Meinung durch, dass dies nicht für negative Schlagzeilen sorgen dürfte. Denn selbst die hierdurch am stärksten herausgeforderten Banken dürften die Anforderungen der EZB erfüllen, ausserdem werden nationale Regulierungsbehörden in Peripherieländern im Vorfeld eigene Stresstests durchführen. Darüber hinaus dürfte die Nachfrage nach Bankaktien den Instituten ermöglichen, die notwendigen Eigenkapitalanforderungen zu erreichen. Jedoch darf man nicht vergessen, dass sich die Branche vor dem Inkrafttreten der zentralen Bankenaufsicht durch die EZB im November 2014 nach wie vor erheblichen regulatorischen Unwägbarkeiten gegenübersieht. Viele Fragen hinsichtlich Bankenunion, Liquiditätsstandards, möglicher zusätzlicher Kapitalreserven oder der Bewertung von Aktiva sind nach wie vor offen. Und schliesslich lastet auch die gerichtliche Aufarbeitung vergangener Fehlverhalten einzelner Häuser zumeist solcher mit starken Investmentbanking-Aktivitäten auf der Branche.

Fazit
Dixmier mahnt gerade wegen der niedrigen Volatilität den Märkten und historisch niedrigen Ausfallraten zu Wachsamkeit: Der Analyse der spezifischen Risiken im Rentenmarkt wird im aktuellen Umfeld zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Zwar macht es keinen Sinn gegen den Strom anzuschwimmen, aber wir sind ausserordentlich wachsam in Bezug auf die spezifischen Risiken im europäischen Rentenmarkt, die soviel ist sicher früher oder später zutage treten werden.

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