26.05.2023, 09:11 Uhr
Die Zahl der Ansteckungen steigt seit Wochen stetig an. In Peking sei Covid-19 seit vier Wochen wieder das vorherrschende Virus unter allen Infektionskrankheiten, wie die lokale Gesundheitskommission mitteilte.
Die Fieberkurve, welche Corona auf dem gesamten Globus ausgelöst hat, zeigt nun im Westen steil nach oben, und das Börsenbarometer stark nach unten. In China scheint sich die Lage zu beruhigen. Dies verleiht in unseren Regionen einen Hoffnungsschimmer. Einige Analysten geben sich vorsichtig-optimistisch und setzen auf eine Erholung im zweiten Halbjahr.
Weltweit nehmen die bestätigten Coronavirus-Infizierungen drastisch zu und haben jetzt weltweit die 300'000er-Marke deutlich übertroffen. Europa hat die 100'000er-Schwelle durchbrochen und weist inzwischen mehr Erkrankungen auf als China (gut 80'000). Die täglichen neu gemeldeten Fälle stiegen in der vergangenen Woche exponentiell von 15'000 auf über 30'000. Allein Italien, wo das Virus erstmals Ende Januar diagnostiziert wurde, zählt bislang rund 55'000 Erkrankungen, Spanien 30'000, Deutschland 25'000, Frankreich 15'000 und die Schweiz rund 7'000, was angesichts der kleinen Bevölkerung auf eine hohe Virendurchdringung hindeutet. Aus den USA, wo sich das Virus erst etwas später bemerkbar machte als in Europa, dürften bald mehr als 30'000 Coronafälle gemeldet werden. Auch dort sind Behörden wie Bevölkerung von der raschen Ausbreitung überrascht und zu drastischen Massnahmen gezwungen worden.
Die Zahl der Todesfälle, die dem Coronavirus zugeordnet werden können, zeigt markant nach oben: Italien zählt jetzt über 5'000 Todesopfer, mehr als das Riesenreich China bislang beklagen musste (gut 3'000) und in Spanien sind es bereits rund 2'000. Im Rest Europas dürfte diese Ziffer die 1000er-Schwelle überschritten haben. Die USA zählen erst 350 Todesfälle. Doch die Welle läuft dort erst an.
Das Virus hat die Welt auf dem falschen Fuss erwischt. Denn die Behandlung der schwer Erkrankten erfordert wegen der raschen Ausbreitung des Virus mehr Intensivbetten und Beatmungsgeräte als allenthalben vorhanden. Die Zahl der schweren Erkrankungen muss an die Spitalkapazitäten angepasst werden. Das erfordert eine rigorose Entschleunigung von Wirtschaft und Gesellschaft. Was in der breiten Bevölkerung zu Panikreaktionen führt. Auch bei den Anlegern, wie die rekordhohen Verluste an den Aktienmärkten zeigen.
Wie lange wir im Westen durchhalten müssen, könnte China zeigen. Dort sind die aktiven Coronafälle deutlich gesunken. Aus der Region Wuhan, wo vor vier Monaten die ersten Erkrankungen festgestellt worden waren, werden nur noch 5'000 aktive Fälle gemeldet. Insgesamt waren es rund 68'000, davon sind gut 3'000 verstorben. 60'000 gelten also als geheilt und damit als immun gegenüber Corona. Ein wichtiger Faktor, wenn es um die Wiederbelebung der Wirtschaft geht. Die scharfen Massnahmen der Behörden haben also gegriffen. Die Wirtschaft wird langsam wieder angekurbelt, und der Alltag kehrt allmählich wieder ein. Wobei die Bevölkerung auf eine Rückkehr des Virus vorbereitet sein muss. Corona wird sich möglicherweise in die Reihe der bestehenden Virusepidemien einreihen.
Zu hoffen ist, dass sich auch Corona saisonal verhalten wird, also bei steigenden Temperaturen verschwindet, genau wie die gewöhnliche Grippe, an die wir uns leider schon allzusehr gewöhnt haben. In sehr warmen Regionen mit Temperaturen über 30 Grad scheint sich das Virus nicht so schnell auszubreiten wie in kühleren Gebieten. Doch das vorhandene Datenmaterial lässt dazu noch keine schlüssigen Beweise zu. Ausserdem will wohl niemand seine Wohnung oder sein Büro auf über 30 Grad aufheizen.
Haustechniker weisen darauf hin, dass die Luftfeuchtigkeit ebenfalls einen Einfluss auf die Überlebensfähigkeit von Viren haben kann. Demnach sollte die Luftfeuchtigkeit in Räumen mit einer Komforttemperatur von 20 bis 24 Grad gut 50% betragen. die Steigerung der Luftwechselrate und ein erhöhter Frischluftanteil bewirke eine zusätzliche Risikoverminderung. Ob dies auch auf Coronaviren zutrifft, muss sich allerdings erst erweisen.
Ob die Temperatur der verängstigten Bevölkerung und den Anlegern als gutes Barometer dient, um eine Besserung der Lage zu erhoffen, ist zu bezweifeln. Ein zuverlässigerer Indikator ist ein Rückgang der Anzahl Infizierter sowie Verstorbener. Ausserdem dürfte das Virus erst voll unter Kontrolle kommen, wenn Medikamente gegen Corona entwickelt sind und in genügender Menge zur Verfügung stehen. Das Virus wird noch lange die Gemütslagen der Bevölkerung und der Anleger beeinflussen.
Viele Unternehmen der Healthcare- und Biotech-Branche arbeiten momentan mit Hochdruck an der Entwicklung eines Impfstoffes. Bis es soweit ist, werden aber voraussichtlich noch mindestens zwölf bis 15 Monate vergehen. Optimistisch, aber nicht unmöglich sind auch erste Dosen im Dezember diesen Jahres. "Gleichwohl: Die Entwicklung eines Impfstoffes ist nur die eine Seite derselben Medaille. Auch die Herstellung von mutmasslich 100 Millionen Impfdosen für die Bevölkerung bedeutet eine Kraftanstrengung für die Branche. Gut ist, dass nicht nur einzelne Firmen, sondern viele Unternehmen gleichzeitig an Impfstoffen arbeiten, darunter auch die grossen Marktführer, die schnell entsprechende Kapazitäten aufbauen können. Positiv ist auch, dass das neuartige Coronavirus nach derzeitigem Stand und im Unterschied zur saisonalen Grippe kaum mutiert. Die Chancen stehen insofern gut, dass ein Impfstoff auch 2021 noch wirksam wäre", erklärt Rudi Van den Eynde, Head of Thematic Global Equity und leitender Fondsmanager der Biotechnologie-Strategie bei Candriam.
Auch die Entwicklung und der Einsatz von Medikamenten können beim Kampf gegen das Coronavirus helfen. Es gibt zwei Ansätze: In China wird ein Medikament getestet, das ursprünglich gegen Ebola entwickelt wurde. Es hemmt die Replikation des Virus im menschlichen Körper. Eine weitere Idee setzt an einer anderen Stelle an. Bei vielen Patienten richtet nämlich nicht die Infektion mit dem Virus den grössten Schaden an, sondern eine Art Überreaktion des Immunsystems – insbesondere bei älteren Menschen. "Die Hoffnung ist, diese Spirale zu stoppen, was die Krankheit zwar nicht verhindern, aber die Mortalität erheblich senken würde", so Van den Eynde. Solche Medikamente kommen zum Beispiel gegen Arthritis oder das HI-Virus zum Einsatz, und erste Untersuchungen deuten darauf hin, dass sie auch bei Covid-19 helfen könnten. Schnelle Fortschritte sind hier realistisch, weil die Medikamente bereits zugelassen sind. Nötig wären nur noch klinische Studien mit einigen Hundert Patienten in Krankenhäusern. Heilen diese schneller und treten keine neuen Nebenwirkungen auf, könnten schon im September oder Oktober gute klinische Daten vorliegen.
Ein zu lange währender Abschwung muss allerdings vermieden werden, meint Justin Bisseker, European Banks Analyst von Schroders. "Dies würde wahrscheinlich bedeuten, dass viele Banken in die Verlustzone geraten könnten", warnt er, wobei die tiefen Marktbewertungen dies vielleicht bereits zu einem gewissen Grad einpreisen. "Es ist wichtig zu erwähnen, dass Europas Banken in besserer Verfassung in diese Krise eingetreten sind als zu Beginn der globalen Finanzkrise 2008/9. Die Banken verfügen über eine starke Kapitalisierung, starke Liquiditätspuffer, erleben jetzt eher eine Lockerung als eine Verschärfung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen und sind das Medium der staatlichen Unterstützung für betroffene Unternehmen und Einzelpersonen. Unseres Erachtens ist das Risiko, dass die Aktienkurse noch viel weiter einbrechen und den Aktionären eine sektorweite Rekapitalisierung aufgezwungen wird, gering", meint Bisseker vorsichtig-optimistisch.
Noch zuversichtlicher äussern sich die Analysten von Robeco: "Wir halten eine V-förmige Erholung in den nächsten Monaten für möglich. Denn wir glauben, dass es uns gelingen wird, die Ausbreitung des Virus unter Kontrolle zu bringen. Die globalen Lieferketten, die völlig zum Erliegen gekommen sind, werden wieder in Gang kommen. Fabriken in China haben bereits wieder 60 bis 80% ihres vorherigen Produktionsvolumens erreicht. Europa und die USA liegen zurück, was die Ausbreitung des Virus angeht, und werden ein paar Wochen brauchen, um sich zu erholen. Es ist aber wahrscheinlich, dass der BIP-Rückgang in den nächsten Monaten aufgeholt werden wird. Danach – sagen wir im zweiten Halbjahr – erwarten wir die Spätfolgen. Und dann werden die tatsächlichen Schäden sichtbar werden.»