Coronavirus: Der Fed-Zinsschritt ist kein Allheilmittel

Die US-Notenbank begründete die überraschende Leitzinssenkung mit dem Coronavirus. (Bild: Shutterstock.com)
Die US-Notenbank begründete die überraschende Leitzinssenkung mit dem Coronavirus. (Bild: Shutterstock.com)

Die gestrige Senkung des US-Leitzinses um einen halben Prozentpunkt kam für viele Marktteilnehmer zu diesem Zeitpunkt unerwartet. Obwohl die Auswirkungen des Coronavirus auf die Wirtschaft Massnahmen erforderen, befürchten Experten, dass der harsche Zinsschritt auch Panik-Reaktionen nach sich ziehen könnte.

04.03.2020, 15:58 Uhr

Redaktion: rem

"Es scheint, dass das Fed etwas weiss, was sonst niemand weiss, oder sie ist panisch", bringt Keith Wade, Chief Economist und Strategist von Schroders, den Zins-Entscheid der US-Notenbank Fed auf den Punkt. In einem unerwarteten Schritt senkte das Fed am Dienstag nur zwei Wochen vor ihrer nächsten regulären Sitzung die Zinsen um 50 Basispunkte auf ein neues Zielband von 1 bis 1,25%. Dieser ungewöhnlich harsche Schritt erfolgte, obwohl das Fed die amerikanische Wirtschaft aktuell als stark beschreibt. "Unternehmensumfragen deuten zwar auf eine langsamere Aktivität als Folge der schwächeren Nachfrage aus China und der Probleme in der Lieferkette hin, aber es hat keinen Einbruch der US-Aktivitäten gegeben", stellt auch Keith Wade fest. Fed-Chef Jerome Powell sagte, die Ausbreitung des Coronavirus habe jedoch "neue Herausforderungen und Risiken mit sich gebracht". Die Risiken für die Aussichten hätten sich sogar wesentlich verändert, fügte er hinzu.

"Die Risiken, die direkt vom Coronavirus ausgehen, haben das Fed offensichtlich alarmiert, ebenso wie die Panik, die vergangene Woche an den Finanzmärkten grassierte. Wenn das Fed nicht reagiert hätte, hätte das den Konjunkturzyklus schwer belastet. Der Fed-Entscheid sollte wohl die Märkte und Kreditnehmer unterstützen sowie das Vertrauen stärken", kommentiert James McCann, Senior Global Economist bei Aberdeen Standard Investments.

Aktive Diskussion mit anderen Zentralbanken

Paul Brain, Head of Fixed Income bei Newton IM, einer Investmentgesellschaft von BNY Mellon Investment Management, weisst darauf hin, dass der US-Anleihenmarkt bereits Zinssenkungen von 100 Basispunkten eingepreist hatte und die Rendite für zehnjährige US-Zinspapiere sich auf 1% zubewegt. In seinen Augen könnte sich die Massnahme als kurzlebig erweisen, wenn sich Risikoanlagen gut entwickeln oder der Markt erkennt, dass die Zentralbanken langsamer reagieren als erwartet.

Während sich die Auswirkungen der Coronavirus-Krise noch nicht in den Daten zeigen und die USA sich noch in einem frühen Stadium der Virusverbreitung befinden, verwies Powell auf Bedenken beispielsweise aus der Reise- und Hotelbranche. Auf die Frage, ob dies Teil einer koordinierten Aktion sei, antwortete er, dass man sich in einer aktiven Diskussion mit anderen Zentralbanken befinde. Massnahmen, die über die Zinsschritte hinausgehen, wurden nicht diskutiert.

"Andere Zentralbanken werden wahrscheinlich nachziehen, aber im Gegensatz zum Fed haben sie weniger Spielraum - die Europäische Zentralbank und die Bank von Japan beispielsweise haben ausgehend von den gegenwärtig negativen Zinsniveaus weitere Senkungen begrenzt. Andere Massnahmen wie die Bereitstellung von Liquidität für das Bankensystem und eine gewisse fiskalische Unterstützung sollten folgen, wie z.B. Italien, das bereits eine Erhöhung der Ausgaben angekündigt hat", erwartet Paul Brain.

Zinsschritt ist kein Allheilmittel

"Während wir uns eine Zinssenkung um 50 Basispunkte bei der nächsten Sitzung im März gut hätten vorstellen können, stimmt uns die gestrige Aktion etwas bedenklich", sagt Christian Scherrmann, DWS-Volkswirt USA. "Was etwa, wenn die Märkte jetzt den Glauben an die Unabhängigkeit des Fed verlieren, da einige Marktteilnehmer und Präsident Donald Trump zuvor stark auf eine Zinssenkung gedrängt haben? Was, wenn das Fed mehr Risiken sieht als die Märkte? Das würde die vorherrschende Unsicherheit im Grunde noch verstärken", gibt er zu bedenken. Obwohl die Geldpolitik nicht in der Lage sei, Lieferketten zu reparieren, Krankheiten zu heilen oder die Menschen dazu zu bringen, zuvor ausgelassene Restaurant- oder Theaterbesuche nachzuholen, helfe die Zinssenkung der Finanzierung von Verbrauchern und Unternehmen.

Das sei allerdings kein Allheilmittel, findet James McCann. Eine Zinssenkung in der aktuellen Situation sei eine ziemlich stumpfe Waffe und hätte deshalb unbedingt mit fiskalischen Massnahmen der Regierung kombiniert werden sollen. Doch das Handeln des Fed könnte der Regierung auch eine Ausrede liefern, nichts zu tun, fügt er kritisch an.

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