05.07.2024, 10:08 Uhr
«Chinesische Zustellunternehmen sind grosse Profiteure des E-Commerce-Booms in China, aber ihre Aktien spiegeln den sprunghaften Anstieg der Liefermengen nicht wider. Diese Diskrepanz ist eine wichtige Lektion für...
«Asien ist weiterhin der Lichtblick in einem düsteren Weltwirtschaftsumfeld. Die wirtschaftliche Erholung Chinas verlauft jedoch langsamer als erwartet. Dies erfordert einen selektiveren Investitionsansatz», schreibt Victoria Mio, Head of Equity Research Asia Pacific bei Fidelity.
In einer Weltwirtschaft, in der eine sanfte Landung das bevorzugte Szenario ist, sehe Asiens Story des wiederauflebenden Wachstums vielversprechend aus. Die steigende Flut werde allerdings nicht alle Boote heben. «Es gibt mindestens drei Faktoren mit Einfluss auf die regionale Erholung: der Konsum, die Unterstützung der politischen Entscheidungsträger und das schwächere externe Umfeld», weiss Mio.
Die chinesische Wirtschaft sei nach Jahren der Covid-Beschränkungen zurück. Die Erholung sei allerdings nicht homogen. Im Wohnungsbau konzentrieren sich die Verkäufe auf die Städte der obersten Ebene. Bei den Verbrauchern konzentrieren sich die Ausgaben entweder auf billige Waren oder Luxusprodukte und die Industrietätigkeit sei schwächer als erwartet. Die Jugendarbeitslosigkeit in den Städten hat mit 20 Prozent ein Rekordhoch erreicht.
Dies sei für die politischen Entscheidungsträger inakzeptabel. Sie haben seit April ihre wachstumsfördernde Haltung bekräftigt. Die People's Bank of China hat in letzter Zeit die Geldpolitik weiter gelockert, nachdem die grössten staatlichen Banken ihre Zinsen gesenkt hatten. Weitere Lockerungsmassnahmen könnten folgen, zumal die niedrige Inflation Peking einen gewissen Handlungsspielraum bietet.
Andere Risiken bleiben bestehen. Schwache Lokalregierungen, die mit der Rückzahlung von Schulden kämpfen, könnten die Hilfe der Zentralregierung in Anspruch nehmen. Ein etwas schwächerer Renminbi spiegelt die sanfte Erholung und die jüngsten Zinssenkungen wider, unterstützt aber auch die angeschlagenen Exportfirmen. Positiv zu vermerken sei, dass die privaten Haushalte weiterhin ihre Ersparnisse auf nahezu Rekordniveau aufstocken, was auf Vorsicht, aber auch auf einen künftigen Nachholbedarf hindeutet. Überall in der Wirtschaft gibt es Anzeichen für eine gewisse Widerstandsfähigkeit. Die Fahrt werde zwar holprig, das BIP-Wachstumsziel von 5 Prozent für das Gesamtjahr dürfte jedoch erreicht werden.
Im ganzen Land zeigte sich, dass die Behörden privaten Unternehmen mehr Unterstützung zukommen lassen. Dies widerspiegle das Wachstum in der Halbleiter- und Elektrofahrzeugindustrie und stärke das Vertrauen aus Fundamentalsicht, auch wenn die Märkte weitere Enttäuschungen einpreisen. «Chinesische Aktien sind günstig. Sie werden mit einem Abschlag von etwa einem Fünftel gegenüber den Schwellenländern gehandelt. Dieser Preis ist aber nicht in allen Teilen des Marktes ungerechtfertigt», folgert Mio.
Paradoxerweise gehörten die Aktien, die aufgrund der jüngsten makroökonomischen Bedenken abverkauft wurden, zu den vielversprechendsten. Qualitativ hochwertige Wachstumsunternehmen, darunter solche aus dem Konsum- und Internetsektor, seien gut aufgestellt, um eine schwächere Konjunktur zu überstehen. Sie seien auch Nutzniesser der laufenden Branchenkonsolidierung.
Japans neuer Zentralbankgouverneur Kazuo Ueda führt eine mehrmonatige Inflationsprüfung durch. Dies könnte den Ausstieg der Bank of Japan aus der Zinskurvenkontrolle (YCC) verzögern – jedoch nicht verhindern – und schliesslich zur Umkehrung der seit mehr als einem Jahrzehnt anhaltenden ultraniedrigen Zinsen führen.
Die langfristige Entwicklung Japans sieht laut der Expertin in mehrfacher Hinsicht vielversprechender aus. Der Aufschwung bei den Einzelhandelsumsätzen und Reformen der Unternehmensführung könnten jene Aktienwerte beflügeln, bei denen globale Anleger untergewichtet seien. Ein Ende der deflationären Mentalität würde Raum für eine rationellere Kapitalallokation der Unternehmen schaffen und die Tür für mehr Aktienrückkäufe und Dividendenausschüttungen öffnen.
In Südostasien profitiere die Region weiterhin von der Umgestaltung der Lieferketten. Um geopolitische Risiken auszugleichen, investieren Unternehmen nicht mehr ausschliesslich in China. Indonesien zeigt in der globalen Lieferkette für Elektrofahrzeuge Flagge, und Malaysia und Vietnam tun dasselbe in der Elektronikbranche. Thailand, Macau, Japan und andere regionale Reiseziele werden von der Wiedereröffnung des chinesischen Festlands profitieren.
Indiens Wachstum hält nach einer Beschleunigung im ersten Quartal an, unterstützt durch stärkere Exporte und Staatsausgaben. Die Auslandsnachfrage könnte jedoch nachlassen, wenn sich die Weltwirtschaft verschlechtert. Insbesondere dann, wenn die USA, der grösste Handelspartner des Landes, in eine Rezession abrutscht. Dann könnte die indische Zentralbank unter Druck geraten und die Zinsen senken.