China und USA fahren gegensätzlichen geldpolitischen Kurs

Die beiden grössten Volkswirtschaften verfolgen zum ersten Mal unterschiedliche Ziele bei der Geldpolitik. (Bild: Shutterstock.com)
Die beiden grössten Volkswirtschaften verfolgen zum ersten Mal unterschiedliche Ziele bei der Geldpolitik. (Bild: Shutterstock.com)

Derzeit zeichnet sich laut Vontobel eine beispiellose Entkopplung der Geldpolitik zwischen China und den USA ab. Unternehmensanleihen aus Schwellenländern verzeichnen hohe Anfangsrenditen. Chancen bieten stark diversifizierte globale Schwellenländer-Portfolios in China und Indien wie auch in Lateinamerika.

15.02.2022, 11:32 Uhr

Redaktion: rem

"Nachdem auf breiter Basis Impfprogramme eingeführt wurden und von Omikron offensichtlich eine geringere Gefahr als gedacht ausgeht, könnten in diesem Jahr Zinssätze, Devisen, Inflationsraten und geldpolitische Risiken in höherem Masse für Marktschwankungen verantwortlich sein als die Pandemie", sagt Cosmo Zhang, Research Analyst, Vontobel.

Der Marktkonsens erwarte für 2022 in den meisten Ländern Zinserhöhungen aufgrund eines starken Inflationsanstiegs in den USA und den meisten Industrieländern. Die kurzfristige Volatilität (mit einem Zeithorizont von drei Monaten) könnte höher als in der Vergangenheit ausfallen, was teilweise auf den Kurswechsel der Fed sowie auf anhaltende Lieferkettenstörungen bedingt durch die Situation in den Häfen der US-Westküste zurückzuführen sei. Dies werde sich weiterhin auf den Verbraucherpreisindex (CPI) auswirken.

Geldpolitik China und USA erstmals entkoppelt

"Darüber hinaus sehen wir eine beispiellose Entkopplung der Geldpolitik zwischen China und den USA: China steht derzeit vor dem Beginn einer Desinflation und einer Verlangsamung des BIP-Wachstums, das im Jahr 2022 rund 5% betragen könnte und damit den niedrigsten Stand seit 1991 erreicht", so Zhang. Infolgedessen lasse die People’s Bank of China (PBOC) die Zügel locker und habe einen expansiven geldpolitischen Kurs eingeschlagen. Seit Anfang 2022 senkt sie den Mindestreservesatz (RRR) und die Zinsen, während die Fed Tapering und Zinserhöhungen ankündigt. Die PBoC werde dem chinesischen Onshore-Markt Liquidität zuführen, und zwar über den Zinssatz für mittelfristige Kreditfazilitäten (MLF), die Zinssätze für die Weitervergabe, Rediskontierung, das spezielle Kreditinstrument zur Reduzierung von CO2-Emissionen und Devisenkäufe.

"Die beiden grössten Volkswirtschaften verfolgen zum ersten Mal einen gegensätzlichen geldpolitischen Kurs, was unserer Einschätzung nach sehr grosse Auswirkungen auf den Markt haben wird. Es wird zu einer Senkung der chinesischen Onshore-Zinssätze und einer Abwertung des Renminbi gegenüber dem US-Dollar kommen. Dies wird sich unmittelbar auf die Asset Allokation der Anleger und die Kapitalflüsse auswirken. Vor dem Hintergrund verschärfter geopolitischer Konflikte wird die Marktvolatilität in den nächsten zwölf Monaten erheblich zunehmen", betont der Research Analyst.

Unternehmensanleihen aus Schwellenländern im Vorteil

Die anhaltend hohen Inflationszahlen seien eine schlechte Nachricht für Fixed-Income-Anleger, so Zhang. Fixed-Income-Anlagen hätten jedoch den Vorteil, dass die Erträge fest sind: Sofern ein Emittent nicht ausfällt, erhalten Anleger den vereinbarten Betrag zurück, sofern die Inflation den Realwert der Cashflows nicht aufzehrt.

"Für Anleger mit mittel- bis langfristigem Anlagehorizont stellen Emerging-Markets-Anleihen attraktive Chancen dar. Insbesondere Unternehmensanleihen aus den Schwellenländern haben unserer Ansicht nach einen klaren Vorteil. Im Gegensatz zu Industrieländern verzeichnen sie relativ hohe Anfangsrenditen. Bei höheren Renditen steigt die Wahrscheinlichkeit, dass auch bei steigender Inflation positive Realrenditen erzielt werden. EM-Unternehmensanleihen haben zudem den Vorteil einer eher kurzen Laufzeit im Vergleich zu vielen anderen Fixed-Income-Anlageklassen. Das gibt Anlegern die Möglichkeit, die Erlöse bei Laufzeitende mit höheren Renditen zu reinvestieren", erläutert Zhang.

Er nennt drei Gründe, warum Emerging-Markets-Unternehmensanleihen nach seiner Ansicht im derzeitigen Umfeld eine attraktive Anlageklasse darstellen:

  1. Kurze Laufzeit: Durch die kurze Laufzeit reagieren sie deutlich weniger sensibel auf weitere Renditesteigerungen bei US-Treasuries.
  2. Diversifizierung: EM-Unternehmensanleihen bilden ein sehr breites Spektrum von Unternehmen ab, die in unterschiedlichsten Branchen und Ländern angesiedelt sind.

Attraktive Risikoprämien: "Wir vertreten die Auffassung, dass EM-Unternehmensanleihen die Anlageklasse mit dem niedrigsten Risiko darstellen, da sie bei geringem Zinsrisiko breit diversifiziert sind. Auch wenn EM-Unternehmensanleihen häufig als riskant betrachtet werden, sind die Risikoprämien äusserst attraktiv", betont der Research Analyst von Vontobel.

Wo bieten sich 2022 Chancen?

Zhang sagt, dass Anleger oft die Vorteile von Titeln aus Schwellenländern weltweit unterschätzen. Beispielsweise böten stärker diversifizierte globale EM-Portfolios insbesondere über Zyklen hinweg eine attraktivere risikobereinigte Rendite als asiatische Anleihenmärkte aufgrund ihrer Volatilität und Zyklizität. Auf regionaler Ebene geht Vontobel davon aus, dass Lateinamerika Anlegern attraktive Chancen bietet. Dazu zählen beispielsweise ausgewählte Unternehmen in Ländern wie Brasilien, Kolumbien und Mexiko.

"In Asien können im Hochzinsbereich chinesische Immobilienunternehmen attraktive Renditen bieten. Im Investment-Grade-Bereich sind Finanzierungsvehikel der chinesischen Kommunalbehörden (Local Government Financing Vehicles, LGFVs) mit kurzer Laufzeit sowie Hybridanleihen von Banken (Tier 2/AT1) unserer Auffassung nach gute Optionen. Zudem dürften in China Sektoren mit hohen Anlageinvestitionen, z. B. die Baustoffbranche und der Maschinenbau, von den staatlichen Investitionen in die Infrastruktur profitieren. Auch indische und chinesische Unternehmen im Bereich erneuerbare Energien bieten attraktive Anlageoptionen", sagt Zhang.

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