China bewegt sich auf vertrautem schmalem Grat zum Aufschwung

Der breit angelegte, bauabhängige Stimulus, den Peking in den letzten zwei Jahren zu vermeiden suchte, ist plötzlich wieder im Kommen. (Bild: ZVG)
Der breit angelegte, bauabhängige Stimulus, den Peking in den letzten zwei Jahren zu vermeiden suchte, ist plötzlich wieder im Kommen. (Bild: ZVG)

Für globale Anleger könnten die Kontraste im Wachstumszyklus zwischen China und dem Rest der Welt derzeit nicht schärfer sein, meinen die Expertinnen von Fidelity. Während die meisten anderen grossen Volkswirtschaften die Zinssätze anheben und die Konjunkturmassnahmen auslaufen lassen, setzt Peking plötzlich wieder auf bauabhängige Projekte.

02.03.2022, 05:00 Uhr

Redaktion: rem

"Chinas politische Entscheidungsträger stehen vor einem alten Dilemma in einem neuen Abschwung. Es wird immer deutlicher, dass die zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt einen Anschub braucht, aber keinen, der zu einer erneuten Verschuldungsexplosion führt", sagen die China-Expertinnen und Experten von Fidelity.

Angesichts der Wachstumsverlangsamung hat die chinesische Zentralbank seit Juli 2021 eine Reihe von Zinssätzen gesenkt, um die Liquidität im Bankensystem des Landes zu erhöhen. Die jüngste Welle von Lockerungsmassnahmen erfolgte Ende Januar, und wir halten weitere Senkungen für wahrscheinlich.

Wie Claire Xiao, Credit Analyst, Lucette Yvernault, Head of Systematic Fixed Income und Chuin Wei Yap, Investment Writer, betonen, könnten die Kontraste für globale Anleger im Wachstumszyklus zwischen China und dem Rest der Welt nicht schärfer sein. Die meisten grossen Volkswirtschaften, darunter die USA und Europa, seien dabei, die Zinssätze zu erhöhen und die Konjunkturmassnahmen auslaufen zu lassen, um die Inflation zu bekämpfen. In China, wo die Inflation nach wie vor lau sei, werde die Politik gelockert, und der breit angelegte, bauabhängige Stimulus, den Peking in den letzten zwei Jahren zu vermeiden suchte, sei plötzlich wieder im Kommen.

Die Risiken politischer Fehlentscheidungen seien überall gross. In den USA werde darüber diskutiert, ob die US-Notenbank zu wenig tue und zu spät sei, um die Inflation zu zügeln. In China stehe Peking vor einem ähnlichen Dilemma: Es bestehen weiterhin Zweifel, ob die politischen Entscheidungsträger schnell und effektiv genug handeln können, um wichtige Wachstumsfaktoren wiederzubeleben – insbesondere im Immobiliensektor, der zusammen mit dem Baugewerbe und verwandten Branchen mehr als ein Drittel der Wirtschaftsleistung ausmache. Andererseits habe ein zu weites Öffnen des Geldhahns die Wirtschaft in der Vergangenheit mit anhaltenden Überkapazitäten in der Industrie, uneinbringlichen Schulden und anderen systemischen Ungleichgewichten belastet, die das Finanzsystem längerfristig noch destabilisieren könnten, so die China-Expertinnen und der Experte.

Immobilieninvestitionen in China brechen ein

"Der Zeitpunkt der jüngsten Massnahmen der Regierung zeigt, wie sie versucht, die Initiative zu ergreifen, ohne sich zu übernehmen. Die Zinssenkungen von Mitte Januar wurden zwar allgemein erwartet, kamen aber früher als angenommen. Die Zentralbank, die eher für ihre ruhige Kommunikation bekannt ist, erklärte am nächsten Tag, sie werde handeln, um einen 'Kreditkollaps' zu verhindern. Diese deutliche Sprache sollte offenbar das Vertrauen in die Art und Weise stärken, wie Peking mit dem Konjunkturrückgang umgehen wird", erklären Xiao, Yvernault und Yap weiter.

Abschwächung des Immobilienmarktes

Da der Rückgang des Immobilienmarktes und der Grundstücksverkäufe zum Jahresende auf das Wachstum drückte, erhielten die chinesischen Banken die Anweisung, die Hypothekengenehmigungen zu beschleunigen. Sie würden sich daran halten. Doch die Immobilienverkäufe seien nach wie vor schwach, was auf ein tiefer liegendes Problem hinweise, nämlich die nachlassende Nachfrage. Die jüngste chinesische Politik, wie z. B. das harte Durchgreifen gegen den Besitz von mehreren Häusern, könnte den Kaufappetit zu stark gebremst haben. Das Wachstum der Anleiheemissionen lokaler Regierungen zur Finanzierung der Infrastrukturentwicklung habe sich deutlich verlangsamt.

Die politischen Entscheidungsträger erwägen laut den Expertinnen nun umfassendere Massnahmen zur Unterstützung von Bauträgern, wie z.B. die Freigabe des Zugangs zu den bisher auf einem Treuhandkonto gesperrten Vorverkaufsgeldern. Einige dieser Massnahmen erforderten eine ausserordentlich enge Koordinierung zwischen Zentral-, Lokal- und Stadtregierungen, um wirksam zu sein. "Sollten solche regulatorischen Anpassungen nicht ausreichen, halten wir weitere Zinssenkungen in der ersten Jahreshälfte für wahrscheinlich. Die durch den Immobilienmarkt bedingte Verlangsamung verdeutlicht jedoch, dass die chinesische Wirtschaft in einigen Bereichen wie dem Export, dem verarbeitenden Gewerbe und dem Dienstleistungssektor durchaus widerstandsfähig ist, um nur einige Bereiche zu nennen", sagen Xiao, Yvernault und Yap.

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