Neue Marktphase – was das für Ihr Aktienportfolio bedeutet

Anthony Bailly, Portfolio Manager des Rothschild & Co Asset Management Europe Equity Value Fund
Anthony Bailly, Portfolio Manager des Rothschild & Co Asset Management Europe Equity Value Fund

Nach Jahren beispielloser finanzieller und fiskalischer Unterstützung sehen wir uns mit der Rückkehr einer strukturell höheren Inflation, einer Normalisierung der Zinssätze, strengeren Finanzierungsbedingungen und einem wahrscheinlich begrenzteren langfristigen Wachstum konfrontiert. Rothschild & Co Asset Management zeigt auf, welcher Stil und welche Faktoren in diesem neuen Zyklus zu bevorzugen sind.

21.06.2022, 08:37 Uhr

Autor: Anthony Bailly und
Vincent Iméneuraët,
Rothschild & Co Asset Management

Der Markt erwies sich trotz der anhaltenden Unsicherheit im Mai als relativ widerstandsfähig: So legte der Eurostoxx (bei Wiederanlage der Dividenden) 0,4% zu. Für Unsicherheit sorgten die festgefahrene Situation in der Ukraine und die anhaltende "Null-Covid"-Politik in China, wodurch die Schwierigkeiten entlang der Lieferketten weiterhin in die Länge gezogen wurden, sowie die angespannte Lage an den wichtigen globalen Märkten für Energie- und Agrarrohstoffe wie Weizen und das schwache Vertrauen der privaten Haushalte.

Hauptsorge Inflation

Verstärkt wurden diese Unsicherheitsfaktoren durch die Inflation, die noch immer die Hauptsorge der Zentralbanken und Anleger ist. In den USA erreichte die Inflation offenbar ihren Höchststand und ging im Mai nach 8,3% im April und 8,5% im März erstmals seit November 2020 zurück, markierte dagegen in Europa neue Rekordwerte: 9% in Grossbritannien im April und 8,1% in der Eurozone im Mai.

Unter diesen Rahmenbedingungen leiteten die Zentralbanken dies- und jenseits des Atlantiks die Zinswende ein: Die US-Notenbank hat ihre Leitzinsen um 50 Basispunkte (bp) angehoben und die Reduzierung ihrer Bilanz um 95 Mrd. US-Dollar pro Monat bestätigt, wobei sie sich die Möglichkeit weiterer Zinserhöhungen um 50 bp vorbehält, solange keine "eindeutigen und überzeugenden Beweise» für den Rückgang der Inflation vorliegen.

In Europa reagierte die BoE auf die hohe Inflation mit einer vierten Zinserhöhung in Folge, während die EZB einen kämpferischen Ton anschlug und die wahrscheinliche Beschleunigung ihres Zinserhöhungszyklus in Aussicht stellte, der im Juli beginnen dürfte. Selbst Jerome Powell räumte ein, dass sich die Zentralbanken mit ihrem Versuch, die Inflation unter Kontrolle zu bringen, ohne das Wirtschaftswachstum zu ersticken, auf einem sehr schmalen Grat bewegten, denn alle Konjunkturdaten würden mit Argusaugen beobachtet.

Blick an die Konjunkturfront stimmt noch optimistisch

Der Blick an die Konjunkturfront stimmt allerdings noch immer optimistisch: Auch wenn einige Indikatoren schwach sind (z.B. der US Immobilienmarkt), zeigen sich die Arbeitsmarktdaten und der Konsum robust. So verbesserten sich die Einzelhandelsumsätze in den USA erneut (+0,9% im April und positive Gewinnrevisionen im März um 1,4%). Gleiches galt für die Zahl der neu geschaffenen Arbeitsplätze (428'000 neue Stellen im Mai bei einer Arbeitslosenquote von 3,6%). Die PMI-Einkaufsmanagerindizes für das verarbeitende Gewerbe und den Dienstleistungssektor sind enttäuschend ausgefallen, signalisieren mit 55,4 Zählern und 57,1 Punkten aber noch immer einen Aufschwung.

In der Eurozone bietet sich ein ähnliches Bild: Die Arbeitslosenquote oszilliert weiter auf Tiefstständen, während sich die PMI auf hohen Niveaus halten können: PMI-Gesamtindex bei 54,9 Punkten gegenüber 55,8 Zählern im April. Die Europäische Kommission hat ihre BIP-Prognosen für 2022 zwar auf 2,7% und für 2023 auf 2,3% (gegenüber zuvor 4% bzw. 2,7%) gesenkt, schloss sich im Endeffekt jedoch nur dem Konsens an, der sich seit März nur unwesentlich verändert hat.

In China war der deutliche Rückgang bestimmter Indikatoren (Industrieproduktion: -2,9%, Einzelhandelsumsätze: -11,1%) infolge der strengen und seit zwei Monaten andauernden Lockdown-Massnahmen erwartet worden. Nach der Aufhebung des Covid-Lockdowns werden sich die Perspektiven vor allem dank des angekündigten Konjunkturpakets aufhellen, was durch den Anstieg der PMI zum Monatsende (PMI-Gesamtindex: 48,4 gegenüber 42,7) untermauert wird.

An der Unternehmensfront konnten die Ergebnisse an die sehr zufriedenstellende Berichtssaison für das erste Quartal anknüpfen: Umsatz und Gewinn je Aktie lagen mit 4,8% bzw. 10,2% über den Erwartungen, wobei 90% der Unternehmen ihre Zahlen vorgelegt hatten. Die Folge waren erneute Aufwärtskorrekturen der Gewinne je Aktie für 2022 im Stoxx Europe 600-Index (erwartet wird mittlerweile ein Anstieg auf +14,0% gegenüber +11,9% im April).

In diesem Umfeld schloss der Eurostoxx (bei Wiederanlage der Dividenden) den Berichtsmonat mit einem Plus von 0,4% dank der Überperformance von Energiewerten (+11,5%) und der Erholung bestimmter zyklischer Branchen sowie des Finanzsektors (Handel: +8,3%, Banken: +6,4%, Freizeit und Reisen: +4,5%). Umgekehrt standen Medienwerte (-6,1%) und Basiskonsumgüter unter Druck. Mehrere Unternehmen jenseits des Atlantiks gaben profit warnings heraus (Walmart, Target, Snap…).

Value-Stil am besten

Angesichts dieses komplexen Umfelds schnitt der Value-Stil mit einem Plus von 3,0% am besten ab, während der Growth-Stil 2,1% abgab. Damit stieg der Vorsprung von Value-Titeln auf Wachstumswerte seit Jahresbeginn auf 15,1%. Die Rotation zugunsten von Value-Aktien setzte sich im Mai in Europa vor dem Hintergrund des im letzten Monat von uns erwähnten Paradigmenwechsels an der Zinsfront somit fort. Beschleunigt wurde diese Rotation im Übrigen durch den Anstieg der Realzinsen. So zogen die deutschen Realzinsen im Mai um 100 bp an.

Wir sind davon überzeugt, dass wir uns dem Höhepunkt der Inflation nähern und dass die Zentralbanken ungeachtet ihrer aggressiven, als hawkish bezeichneten Rhetorik die Verfassung der Wirtschaft genauestens beobachten. Die Inflationserwartungen dürften in den kommenden Monaten sinken, so dass die Realrenditen ihren Aufwärtstrend fortsetzen könnten.

Der R-co Conviction Equity Value Euro

Der R-co Conviction Equity Value Euro kann durch seine Positionierung optimal von weiter steigenden Zinsen profitieren, denn im Portfolio ist der Banksektor (>10,5%) stark übergewichtet: Die Sensitivität seiner Zinsmargen gegenüber steigenden Zinsen dürfte im weiteren Jahresverlauf schrittweise zu positiven Gewinnrevisionen in diesem Sektor führen. Aufgrund unserer optimistischen Beurteilung der Wirtschaft halten wir an unserem zyklischen Schwerpunkt fest: So liegt die Übergewichtung der Automobilbranche, des Freizeit- und Reisesektors sowie der Baubranche zwischen 3% und 4%. Diese Sektoren sind trotz ihres soliden Laufs im Berichtsmonat gegenüber den Wachstumssektoren noch immer stark unterbewertet. Unser Portfolio ist für den Fall eines ungünstigen Szenarios relativ gut immunisiert, da die Sektoren Telekommunikation (rund 3,5%), Energie (ca. 5%), und defensive Werte wie z.B. Carrefour, Danone und Sanofi übergewichtet sind.

Wichtigste Transaktionen und Performancebeiträge

Der Fonds schloss den Mai mit einem Plus von 4,6% (Performance seit Jahresbeginn: -5,0%) und einem Vorsprung von 4,1% auf seinen Referenzindex, so dass seine Überperformance seit Jahresbeginn 5,1% beträgt. Die Überperformance im Mai ist sowohl dem Allokations- als auch dem Selektionseffekt zuzuschreiben.

Mit Blick auf den Allokationseffekt profitierte der Fonds von der soliden Entwicklung zweier seiner stärksten Übergewichtungen, zum einen des Bankensektors, dem höhere Zinsen zugute kommen, und zum anderen des Energiesektors, der durch die anhaltenden Spannungen am Ölmarkt und mögliche neue Sanktionen der Europäischen Union Auftrieb erhielt. Die Einzeltitelauswahl in diesen beiden Sektoren war ebenfalls von Vorteil: Unicredit (+22%), Société Générale (+15%) und TotalEnergies (+17%) schlossen mit einem deutlich Vorsprung auf ihre Peer Group. Erwähnenswert ist ferner der ausserordentlich gute Lauf von Alstom (+20%), dessen Aktie durch den positiven Newsflow in Bezug auf die Cashgenerierung und neue Aufträge beflügelt wurde.

Bei den Enttäuschungen ist IAG zu nennen: Das Unternehmen konnte den Markt trotz passabler Zahlen nicht von seiner Fähigkeit zum Schuldenabbau überzeugen. Da wir zum Monatsbeginn davon ausgingen, dass neue Sanktionen der EU im Hinblick auf die Ölimporte praktisch unvermeidbar sind und dass dies in den kommenden Monaten zu weiteren Verwerfungen bei Angebot und Nachfrage führen dürfte, haben wir unsere Übergewichtung des Energiesektors erhöht, vor allem durch die Aufstockung von ENI um 4% bis 5%. Die Performance von ENI weist einen Rückstand auf die anderen europäischen integrierten Energiekonzerne auf.

Im Automobilsektor nahmen wir aufgrund von Anzeichen für eine Verbesserung der Produktionsketten (nachlassender Mangel an Halbleitern) eine Arbitrage vor. Da die Automobilmärkte einen Tiefpunkt erreicht haben und bis Jahresende von der erneuten Öffnung Chinas und der Normalisierung der Beschaffungsketten profitieren dürften, entschieden wir uns für eine höhere Positionierung im Volumenwachstum, das den Automobilausrüstern zugute kommen dürfte, und in der Erholung der chinesischen Wirtschaft im zweiten Halbjahr. Die Arbitrage betraf unsere Position in Michelin, dessen defensives Profil wir während der gesamten Halbleiterkrise bevorzugt haben, zugunsten von Faurecia (bevorstehende Kapitalerhöhung, die jedoch teilweise bereits im Kurs eingepreist ist) und von Mercedes aufgrund des China-Geschäfts und einer Premium-Strategie, die der noch immer niedrigen Bewertung der Aktie Schub verleihen dürfte.

Daneben setzten wir in geringem Umfang auch die Aufstockung unserer Position in Alstom aus den bereits erwähnten Gründen fort, sowie von BNP, deren Aktie im Branchenvergleich seit Jahresbeginn trotz des sehr geringen Russlandgeschäfts einen Rückstand aufweist. Diese geringfügigen Aufstockungen wurden durch die Reduzierung von Positionen finanziert, die seit Jahresbeginn wie Carrefour und Accor eine recht zufriedenstellende Performance verzeichnet hatten, oder deren Aussichten unserer Ansicht nach weniger günstig sind (AB InBev).

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