Totgesagte leben länger

Kommentar von Mikio Kumada, Global Strategist bei LGT Capital Management
Kommentar von Mikio Kumada, Global Strategist bei LGT Capital Management

Seit den US-Wahlen zeigte Japan mit einem Plus des Nikkei von +4.4% die beste Performance unter den grösseren Aktienmärkten. Genauer betrachtet zeigen Nippons Indizes seit Mitte Oktober wieder eine ausgeprägte Stärke. Aber handelt es sich dabei nur um ein weiteres temporäres Aufflackern des von vielen Experten längst „abgeschriebenen‘‘ Marktes, oder bahnt sich vielleicht doch eine Wende an?

05.12.2012, 10:41 Uhr

Redaktion: luk

In den USA herrscht an den Finanzmärkten seit den Wahlen vom 6. November praktisch Stillstand. Der S&P 500 hat seitdem 0.7% und der Nasdaq 0.1% eingebüsst, während der S&P 600 Smallcap 0.5% höher notiert. Auch die Bondrenditen haben sich kaum bewegt. Die anfängliche Enttäuschung vieler Marktteilnehmer über das Wahlergebnis und die Hoffnung auf einen fiskalpolitischen Kompromiss halten sich im Grossen und Ganzen immer noch die Waage.

Dafür zeichnen sich seitdem ausserhalb der USA wieder interessante Entwicklungen ab. Während Aktien in den USA konsolidierten und in China auf neue zyklische Tiefststände fielen (CSI 300: -7.4%, seit 6. November), zeigten sich beispielsweise europäische Aktien von der freundlichen Seite (Eurostoxx: +2.5%, Paris: +3.8%, Mailand: +3.2%). Der beste grössere Markt seit den US-Wahlen war jedoch Japan (Nikkei +4.4%). Genauer betrachtet zeigen Nippons Aktienindizes seit Mitte Oktober wieder eine ausgeprägte Stärke. Aber handelt es sich dabei nur um ein weiteres temporäres Aufflackern des von vielen Experten längst „abgeschriebenen‘‘ Marktes, oder bahnt sich vielleicht doch eine Wende an?

Noch keine Wende im grossen Trendbild
Ein Blick auf die längerfristigen Trends scheint jedenfalls zu bekräftigen, dass der relative Rückzug Japans noch nicht beendet ist. Japans Börsenindizes dürften aus absoluter Sicht zwar durchaus die Talsohle erreicht haben, doch relativ zum Weltindex ist das jüngste Aufbäumen tatsächlich noch nicht der Rede wert. Bestenfalls könnte Japan nun ein frühes Stadium einer relativen Bodenbildung erreicht haben. Aber selbst dieses positive Szenario hängt wahrscheinlich von einer Reihe von Entwicklungen ab, die noch primär im Bereich der politischen Fantasie angesiedelt werden müssen.

Notenbankpolitik als treibendes Thema
Treibendes Thema der jüngsten japanischen Rallye war die Erwartung einer deutlich expansiveren Geldpolitik nach den für den 16. Dezember angesetzten vorgezogenen Parlamentswahlen. Diese basiert wiederum auf der Tatsache, dass die oppositionelle Liberaldemokratische Partei (LDP) die Geldpolitik der Notenbank (wieder) mehr oder weniger offen der Regierung unterstellen will. Im Best-Case-Szenario für die Aktienmärkte geht die LDP tatsächlich wieder als grösste Parlamentsfraktion aus der Wahl hervor, übernimmt zügig die Führung einer Koalitionsregierung und diktiert ebenso reibungslos der Bank of Japan den wirtschaftspolitischen Kurs – und all dies im Rahmen eines Reformkurses, der das Land endlich aus der Deflation führen soll. Der wichtigste Nebeneffekt wäre natürlich eine gegebenenfalls signifikante Schwächung des Yen – welche aus japanischer Sicht willkommen wäre, weil das Land industrielle Exportüberschüsse erwirtschaftet und zudem über sehr hohe Finanz- und Sachanlagenvermögen sowie Geschäftsaktivitäten im Ausland besitzt.

Anhaltende Rallye auch ohne eine wirtschaftspolitische Wende?
Um diese Vision annähernd in den Bereich der Realisierbarkeit zu bringen, müsste die LDP allerdings zunächst tatsächlich ein klares Mandat erhalten. Ohne einen deutlichen Wahlerfolg würde die LDP schon aus innerparteilichen Gründen ihre Wahlkampftiraden gegen die „unwillige‘‘ BOJ wieder zurückfahren und sich relativ rasch programmatisch verzetteln. Es ist allerdings auch wahr, dass es der LDP historisch gelungen ist, gelegentlich beliebte Politiker ins Feld zu schicken, denen es wider Erwarten auch gelungen ist, sich gegenüber den diversen Interessensgruppen durchzusetzen und lange aufgeschobene Reformen anzupacken.

Es gibt zudem auch sachliche Faktoren, die das Abwärtspotential an Japans Börsen beschränken: Aktien sind günstig bewertet (je nach Massstab sogar sehr billig), der Verschuldungsgrad der Unternehmen ist sehr tief, der Ausblick für das Gewinnwachstum auch im internationalen Vergleich positiv und an Liquidität mangelt es auch nicht – denn unabhängig von der Wahlkampfrhetorik ist die Geldpolitik bereits äusserst grosszügig. Sollte es nach den Wahlen der japanischen Politik gelingen, glaubhaft zu machen, das die BOJ nun tatsächlich Inflationsniveaus anstrebt, die in den meisten westlichen Ländern als normal gelten (um von den asiatischen Volkswirtschaften gar nicht erst zu reden), dann könnten japanische Aktien im nächsten Jahr tatsächlich zu den Gewinnern zählen. Noch handelt sich dabei allerdings weniger um eine Prognose als um ein Traumszenario.

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