Schwellenländer – Opfer des "Tapering"?

Mikio Kumada, Global Strategist von LGT Capital Management
Mikio Kumada, Global Strategist von LGT Capital Management

Am 22. Mai stellte der Vorsitzende der Federal Reserve Ben Bernanke erstmals die behutsame Normalisierung der US-Geldpolitik in Aussicht. Die "Tapering"-Angst war geboren und bot bis Ende Juni den Anlass für ziemlich heftige Turbulenzen an den Finanzmärkten. Besonders hart traf es die Schwellenländer. Lesen Sie hier den Marktkommentar von Mikio Kumada, LGT Capital Management.

13.11.2013, 11:45 Uhr

Redaktion: jf

Wer ist "Schuld" an der relativen Schwäche der Emerging Markets?
Die berüchtigte "Tapering"-Angst hat sich im Laufe der vergangenen Wochen gelegt. Die relative Performance der Schwellenländer hat sich aber nicht verbessert. Der S&P 500 notiert heute 6.8% und der EuroStoxx 7.6% höher als am 22. Mai. Der MSCI Emerging Markets Index wird aber immer noch 5.4% tiefer gehandelt. Ist "Tapering" wirklich "Schuld" an der EM-Schwäche und "Nicht Tapering" folglich wirklich ein Grund für EM-Stärke? Bei näherer Betrachtung erscheint dies aus folgenden Gründen zweifelhaft:

1) Die relative Schwäche der Schwellenländer begann im Herbst 2010, lange vor jeglicher "Tapering"-Diskussion. Die Dosis der "Quantitativen Lockerung", bzw. "QE", wurde seitdem ausserdem drei Mal erhöht – ein positiver Effekt auf die EM blieb aber zumindest aus relativer Sicht gänzlich aus. Warum sollte das Zurückfahren von QE das Gegenteil bewirken?

2) Die "Tapering"-Turbulenz vom 22. Mai bis zum 24. Juni ist im relativen Aktientrendbild fast "unsichtbar" und damit potentiell bedeutungslos. Die "Tapering"-Rede war nicht der Auslöser des EM-Abwärtstrends. Im Gegenteil: Zunächst verbesserte sich die relative Performance sogar etwas. Erst nach dem 5. Juni begann der relative Kurs der EMs wieder zu fallen.

Die Schwellenländer sind selbst "Schuld"
Wer, wenn nicht "Terminator-Ben", hat die anhaltende Anämie der Schwellenländer zu "verantworten"? Die glaubwürdigste Antwort: Die "Schuldigen" sind in den Emerging Markets selbst zu finden und der Hauptverdächtige heisst wahrscheinlich China:

1) Die EM-Unterperformance seit September 2010 deckt sich mit der Zeit, in der es vermehrt zu Stress in Chinas Geldmarkt gekommen ist. Letzteres ist eine Nebenerscheinung einer chinesischen Ordnungspolitik, die das Bankensystem disziplinieren und das Kreditrisikomanagement modernisieren soll. Vor allem ist es aber die Folge des exzessiven Kreditwachstums in China seit 2008.

2) Während der kurzfristigen Turbulenzen vom Mai/Juni bestätigen brach die relative Stärke der EM wie oben erwähnt nicht am 22. Mai, sondern erst am 5. Juni ein, als Chinas Geldmarktzinssätze zu steigen begannen (z.B. der Tageszins kletterte von 4.6% auf 12.9% am 20. Juni). Als sich die Situation in China bis Ende Juni wieder entspannt hatte, verbesserte sich auch die EM-Performance.

"Tapering" wäre eine willkommene Entwicklung
Beim "Tapering" handelt es sich schliesslich um ein mögliches Ereignis im Falle eines entsprechend guten Konjunkturverlaufs – was grundsätzlich begrüssenswert wäre. Die Rolle der US-Geldpolitik wird hier aber etwas überschätzt. Die Situation der Schwellen-länder hängt primär von den Entwicklungen in den jeweiligen Ländern selbst ab, wobei China besonders wichtig ist. Solange nicht mehr Zuversicht besteht, dass die Kreditexzesse der vergangenen Jahre in China soweit "verdaut" wurden, dass die zweitgrösste Volkswirtschaft wieder stabil und nachhaltig wachsen kann, solange dürfte auch die Schwäche der EM anhalten. Abgesehen davon würde ein etwaiges "Tapering" wahrscheinlich moderat ausfallen. Die überraschenden Ereignisse der Vorwoche (Zinssenkung der Europäischen Zentralbank, Wechselkursziel der tschechischen Notenbank) erinnern zudem daran, dass die Geldpolitik auf globaler Ebene unter dem Strich sogar weiter gelockert werden könnte. Die Entwicklung der letzten Jahre zeigt, dass QE in Industrieländern nicht automatisch die Schwellenländer stützt, sondern zunächst die eigenen Märkte stimuliert – was ja durchaus im Sinne des Erfinders ist. Folglich müsste ein Rückfahren von QE, wann auch immer es auch geschehen möge, den Schwellenländern auch nicht grundsätzlich schaden. Es könnte sogar sein, dass wir erst dann zum "normalen" globalen Haussemuster zurückkehren – d.h. in eine Welt, in der die "Wachstumsmärkte" generell besser abschneiden als die traditionellen Industrieländer.

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