Die Regeln für die Eurozone oder für die Banken neu schreiben

Frédéric Buzaré, Global Head of Fundamental Equity Management bei Dexia Asset Management
Frédéric Buzaré, Global Head of Fundamental Equity Management bei Dexia Asset Management

Die europäische Schuldenkrise hat einen Wendepunkt erreicht. Die Politiker werden noch vor dem G20 Treffen am 3. November die Katze aus dem Sack lassen. Wählen können sie allerdings nur zwischen Pech und Schwefel. Für die Investoren heisst dies, weiter Geduld und gute Nerven zu haben.

21.10.2011, 11:09 Uhr

Redaktion: lk

„Bevor das Vertrauen an die Finanzmärkte zurückkehrt, müssen die Politiker regelrecht in Panik ausbrechen“, bringt es Frédéric Buzaré, Global Head of Fundamental Equity Management, auf den Punkt. Mit Panik ist gemeint, dass sie die wirklich wegweisenden Entscheide fällen, die mit grossen Geldchecks gedeckt sind. Laut Einschätzung von Dexia Asset Management ist Europa aber noch nicht ganz an diesem Punkt angelangt. Noch winden sich die EU-Politiker nämlich um die fundamentalen Weichenstellungen herum. “Viele Politiker meinen nach wie vor, sie könnten die Märkte überlisten und als Trittbrettfahrer von der Gemeinschaft profitieren”, meint Buzaré. Doch der permanente Druck des Marktes ist eines der effektivsten Mittel, um die Zauderer zur Raison zu bringen, wie die Beispiele in Italien und Griechenland vor Augen führen. Halbherzige Beschlüsse werden vom Markt in Form weiterhin hoher Refinanzierungszinsen abgestraft.

Ungemütliche Wahl
Der Haken: Ökonomisch plausible Lösungen sind politisch eben oft unakzeptabel oder sehr schwierig zu verteidigen. Ein Grossteil der westlichen Welt steht heute vor der Situation, nur zwischen Alternativen mit negativen Konsequenzen auswählen zu können. Wer auf den Entschuldungspfad einlenken muss, hat kein Happy-end zu erwarten. Es gilt, zwischen einer neuen Finanzordnung im Euroraum oder neuen Regeln im Bankensystem auszuwählen. “Ist es besser, direkt die Banken zu rekapitalisieren oder doch den indirekten Weg über transnationale Eurobonds zu gehen?” erläutert Frédéric Buzaré die ungemütliche Wahl.

Die Experten von Dexia Asset Management sehen den einzig gangbaren Weg in einer stärkeren europäischen Integration. Damit stellt sich aber auch die Frage, wo diese zusätzlichen Kompetenzen am besten angesiedelt werden – im intergovernementalen europäischen Rat oder eher in der europäischen Kommission.

Schutzwall für einen geordneten Konkurs
Bevor die Weichen für eine gestärkte europäische Finanzordnung nicht gestellt sind, kann Griechenland nicht in einen geordneten Konkurs geschickt werden, der übrigens im Markt schon zu 95 Prozent eskomptiert ist. Andernfalls sind die Schutzwälle, die eine Ansteckung auf andere Märkte und Länder verhindern sollen, zu wenig hoch. “Das bedeutet, dass hochverschuldete Staaten und Banken beide nun schnell das Möglichste tun, um ihre Bilanzen zu stärken”, sagt Buzaré. Denn wie das Lehrstück Lehman Brothers aus der Krise 2008 zeigt, können die Zweitrundeneffekte nach einer Banken- oder Staatspleite, wenn sie unvorbereitet kommen, noch viel mehr Schaden anrichten als die Pleite an sich. Lange Zeit haben die Politiker den verheerenden Effekt von sich verschlechternden Staatsobligationen auf die Bankbilanzen und die Wirtschaft unterschätzt.

Aktienmärkte nehmen eine Rezession vorweg
Für die Unternehmen ist das grösste Problem aktuell nicht einmal die Schuldenkrise, sondern die lähmende Unsicherheit, die sich im Markt ausgebreitet hat. Das instabile steuerliche und regulatorische Umfeld dämpft die Aktivitäten. So sind laut neuster Statistik in Europa jährlich mehr als 260 neue Regulationen pendent, mit möglichen Kostenfolgen für die Wirtschaft. Das sind 80 Prozent mehr als vor der grossen Depression in den 30-er Jahren!

Was heisst dies nun für die weitere Entwicklung am Aktienmarkt? Laut Dexia Asset Management nehmen die aktuellen Aktienbewertungen bereits eine normale Rezession, wie wir sie Anfang der 1990-er Jahre und im 2001 erlebt haben, vorweg. Marktkonsens ist, dass das Wirtschaftsjahr 2012 ein schwieriges wird. “Die Weltkonjunktur ist auf rutschigem Untergrund”, fasst es Frédéric Buzaré in Worte. Neubestellungen wie Exporte haben den Rückwärtsgang eingelegt. Und die Banken stehen vor grossen Herausforderungen bezüglich ihrer Kapitalbasis. Allein über die kommenden 24 Monate müssen die 90 europäischen Banken, welche sich dem Stresstest unterzogen haben, die Summe von 5,4 Billionen Euro refinanzieren.

Die nach wie vor grossen Tagesausschläge an den Börsen sind Zeichen eines Bärenmarktes. Zwischenrallyes wie in den vergangenen zwei Wochen sind in einem Bärenmarkt nicht ungewöhnlich und werden aktuell durch die Hoffnung auf eine grundsätzliche europäische Lösung genährt.. “Die Aktienmärkte müssen zuerst eine schmerzhafte Phase mit Bewertungskorrekturen durchlaufen, in welcher die Kurs-Gewinn-Verhältnisse sinken, bevor es wieder richtig aufwärts gehen kann”, fasst Frédéric Buzaré die Lage zusammen.

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